9. Juli 2020, Budapest
Vielen Dank! Guten Tag! Ich begrüße die Damen und Herren recht herzlich!
Sándor, ich fühle mich geehrt, dass Du mich eingeladen hast, oder dass ich Dich hierher, ins Karmeliterkloster einladen durfte. Das ist ein großer Moment für mich, das sage ich ganz ehrlich, denn wenn man Ministerpräsident ist, da hat man das Gefühl, besonders wenn man an der Spitze einer derart hyperaktiven Regierung steht, wie es unsere Regierungen zu sein pflegen, und wenn man in einer solchen von Krisen gezeichneten Zeit Tag und Nacht arbeiten muss, dass wir selber uns gar nicht mehr daran erinnern, was alles wir getan haben, und wenn es niemanden gibt, der zumindest unvoreingenommen – denn von unseren Gegnern können wir das ja doch nicht erwarten – das überblickt, wie im Laufe der Jahre sich die Ereignisse, Entscheidungen, die Leistung sowie deren Folgen sich ansammeln, und es niemanden gibt, der diese überblickt und zusammenfasst und betrachtet und analysiert und der Welt vorlegt, so wie ich sage: zumindest unvoreingenommen. Ich bin also dankbar, dass das erste solche Buch entstanden ist. Sándor, ich gratuliere Dir, dass Du dies auf Dich genommen und verwirklicht hast. Dies bedeutet auch für einige Anwesende nicht einfach nur eine Anfeuerung, sondern auch eine Verpflichtung. Hier ist zum Beispiel der Innenminister, der einzige Minister, mit dem ich seit 1998 in jeder Regierung jede Minute gemeinsam verbracht habe. Das sind langsam 4 Jahre, Sándor, nicht wahr, und die Monografie ist noch immer nicht fertig, die über die Umformung des ungarischen Polizeiwesens, der Strafverfolgung und über ähnliche Fragen berichten würde. Aber hier sitzt auch Herr Minister Zoltán Balog, mit dem ich ebenfalls seit Jahrzehnten zusammenarbeite, er war über eine lange Zeit Minister, und die Monografie über die Kulturpolitik oder die Politik der Humanressourcen der nationalen Regierung, die wir lesen müssten, ist noch immer nicht fertig. Einem einzigen Menschen können wir in dieser Hinsicht ähnliche Anerkennung wie Sándor zollen, das ist Herr Minister Matolcsy, der alles geschrieben hat, ja selbst noch mehr als das. Ich denke, wir brauchen jene Menschen, die – so unsere Hoffnung – „zumindest unvoreingenommen“, das sage ich noch einmal, um mehr bitten wir gar nicht, aber zumindest mit dem notwendigen Abstand und unvoreingenommen die Ereignisse dieses ansonsten äußerst spannenden, und nicht wegen unserer Person, sondern wegen der historischen Situation äußerst wichtigen Zeitraums niederschreiben. Denn wenn jemand dieses Buch dann durchblättern wird, wird er sehen, dass wir nicht über irgendeine Dekade, über irgendwelche zehn Jahre der ungarischen Landwirtschaft sprechen, sondern über bestimmende zehn Jahre, was eine Qualität besitzt und deshalb auch die Aufmerksamkeit verdient. Ich freue mich also hier, in diesem Kreis sein zu können, und ich ermuntere auch meine anderen Minister. Und ich kann nur sagen, Sándor, ich wünschte alle meine Wünsche würden sich auf diese Weise erfüllen, wie nach dem Gespräch mit Dir mein Aufruf zum Schreiben dieser Monografie.
Ich begrüße Sie alle recht herzlich hier in dieser Räumlichkeit des Karmeliterklosters! Hier haben wir so etwas noch nie gemacht, Sándor hat es sehr richtig gesagt, hier sind nicht viele Buchpräsentationen geschehen, ganz genau genommen keine einzige, das ist die erste, aber ich freue mich, Sie hier als Gäste begrüßen zu dürfen. Das ist ein offener Ort, dieser Raum, in dem wir jetzt sitzen, war irgendwann ganz früher ein Konzertsaal. Wenn ich mich hinsichtlich der Jahreszahl nicht irre, dann hat 1806 Beethoven selbst von dort dirigiert, wo wir jetzt sitzen, glaube ich, und hier saß das Publikum, ihm 1806 zuhörend. Jedes Jahr wird es im Übrigen am ich weiß gar nicht wievielten Mai, genau an dem gleichen Tag, hier ein Konzert geben, und es wird auch ein Karmeliterabonnement geben, nur hat hier wegen der Pandemie Herr Minister Kásler dies uns in diesem Jahr nicht ermöglicht. Aber im kommenden Jahr wird es das Karmeliterabonnement geben, und es wird jeden Monat ein Konzert geben, wir sehen dann einen jeden ebenso gern so wie auch heute, wenn wir nach unserem Beisammensein alle hier im Garten gerne sehen.
Ich freue mich, dass ich hier – ich hoffe, Sie verstehen das nicht falsch, was ich sage – diese ungarischen Gesichter und an hochrangige Szekler erinnernde Köpfe, die mir hier aus den Reihen des Publikums entgegenblicken, sehen darf. Das war immer so, das war auch in den kommunistischen Zeiten so. Man konnte immer genau wissen, wohin man eingeladen worden war: Zu einer Besprechung des Finanzministeriums oder einer Agrarbesprechung. Das Publikum zeigte einen klaren Unterschied, nicht nur hinsichtlich der Vortragenden, sondern auch hinsichtlich der Anwesenden, was uns zu der Tatsache zurückführt, die wir nicht in Abrede stellen müssen, denn die ungarische Politik ist so wie sie ist und das ungarische öffentliche Leben ist so wie es ist, dass die Vertretung der Provinz und die Darstellung der Provinz eine Mission für jene war, die im Übrigen aus dieser Welt kamen. Und selbst in den kommunistischen Zeiten war es ein gut abgrenzbarer Teil jener Machtkonstruktion, die wir als kommunistische Machtkonstruktion beschreiben können, und das durch die Tatsache, die weit in die Zeit der Kommunisten zurückreicht sehr gut zum Ausdruck gebracht wird, dass nur ein einziges Ministerium – jetzt hat sich dies inzwischen tatsächlich dadurch geändert, dass wir das Gebäude des Justizministeriums in Ordnung gebracht haben –, aber dass im Grunde historisch gesehen immer nur ein Ministerium sein Gebäude auf dem Kossuth Platz hatte, und das war jenes des Agrarministeriums, oder wie man es damals nannte: des Ministeriums für landwirtschaftliche Angelegenheiten. Das sind überhaupt keine zufälligen Dinge, denn die Landwirtschaft, die Agrarbevölkerung war mit all ihrer kulturellen Festlegung – ich spreche jetzt nicht nur über eine handwerkliche Untergliederung, sondern über dessen kulturelle Festlegung – immer ein Teil der ungarischen Politik. Manchmal war es ein niedergetretener Teil der ungarischen Politik – hierfür könnten die sich mit Politikgeschichte Befassenden auch sicher Jahreszahlen, Personennamen und Ereignisse nennen –, ein anderes Mal ein akzeptiertes und wiederum in anderen Zeiten ein erhobenes und an die Spitze gestelltes Ministerium. Wir befinden uns jetzt hier also nicht einfach nur auf einer Buchvorstellung, sondern wir sitzen hier – wenn ich es richtig verstehe – mit jenen zusammen, die diese Tradition der Politik fortsetzen, und ich freue mich, hier mit Ihnen zusammen sein zu können. Und dass man hier in so einem schönen professoralen Kreis sitzen darf, ist eine besondere Ehre, mit dem Herrn Professor haben wir uns noch unter der Horn-Regierung in der Zeit der Agraraktionen zur Verhinderung des Landverkaufs an Ausländer zwischen den Traktoren auf dem Kossuth Platz getroffen. Ich freue mich, jetzt hier an dieser Stelle daran zurückdenken zu können, und ebenso erfreut rufe ich mir jene Jahre in Erinnerung, die ich unter Mihály Kurucz als Student der Rechte verbringen durfte, wo er im Übrigen uns zusammen mit einigen sehr anständigen jungen Lehrenden vielleicht LPG-Recht unterrichtete, und das stellten für uns wichtige Erkenntnisse dar. Ich freue mich, Herr Professor, Herr Dozent! Wir sollten nicht verheimlichen, dass wir uns duzen, denn der Herr Dozent hat schon in seiner Zeit als an der Universität Lehrender die Studenten, die kaum etwas jünger waren als er, geduzt, sodass ich mich freue, dass Du hier bei uns bist. Und ich rufe noch in Erinnerung, wenn Sie erlauben, Ihre Zeit für etwa eine Minute auch für persönliche Angelegenheiten zu „rauben“, dass dieses Treffen mir jene glücklichen Monate wiedererstehen lässt, die ich auch am Institut für Ingenieurs- und Leiterausbildung des Landwirtschaftsministeriums arbeiten durfte. Das war irgendwann am Ende der achtziger Jahre, um 1986-87, es waren nur einige Monate, und ich sammelte tiefgründige, wichtige Erlebnisse über die Welt der sozialistischen Arbeitsorganisationen, was dazu beitrug, dass wir nur wenige Monate später den Fidesz auch gründeten. Und ich konnte meine aus der Agrarwelt, von zu Hause, aus Felcsút mitgebrachten Erfahrungen auf eine höhere Ebene heben, denn es war meine Aufgabe, für die Vorsitzenden, Agronomen und Finanzexperten der damals noch existierenden Welt der LPGs Weiterbildungskurse in dem Hotel Piroska genannten Lokal zu organisieren, dort, irgendwo im III. Bezirk, wenn Sie sich noch daran erinnern, wo ein wichtiger Bestandteil des Sich-Behaupten-Könnens darin bestand – das konnte ich später in der Politik ebenfalls gebrauchen –, dass man auch in Partien im ungarischen Kartenspiel Ulti gegenüber Agronomen sich durchsetzen musste, was eine ernsthafte Herausforderung darstellt, wenn sich noch jemand an diese Zeiten der Jugend erinnert. Und damals habe ich auch mit ihrer Hilfe das Wesen der ungarischen Politik verstanden, denn Ulti gibt das wieder: Wenn du etwas willst, dann verbünden sich sofort zwei gegen dich. Und dieses Gesetz ist auch seitdem gültig, das ist auch jetzt so, worum es auch immer in der Politik gehen mag: Wenn du etwas willst, wirst du sofort zwei Gegner haben. Und beginne etwas nur dann, wenn du über dich selbst glaubst, dass du in der Lage bist, die mindestens zwei sich gegen dich zusammenschließenden Menschen niederzuringen. Wenn du nicht in der Lage bist, dies zu glauben und sie niederzuringen, dann fang‘ erst gar nicht damit an. So wichtige Dinge lernt man, wenn man Agrarfachkurse im Hotel Piroska organisiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Erlauben Sie mir hiernach, einige Worte im Zusammenhang mit dem Buch zu sagen. Dieses Buch haben mehrere geschrieben, doch sein Betreuer ist trotzdem Sándor Fazekas. Und obwohl, wie er es formuliert hat, dies in der Sprache der Wissenschaftlichkeit geschrieben worden ist, kann aber der Verfasser leider sich selbst nicht ganz hinter irgendeiner wissenschaftlichen Herangehensweise, Tabelle oder Zahlenreihe verstecken. Durch dieses Buch scheint also die Tatsache hindurch, dass dies der ehemalige Bürgermeister von Karcag geschrieben hat, dessen Laufbahn im öffentlichen Leben dort, in Karcag, begann, das in agrarischer Hinsicht ein ausnehmend wertvoller Teil Ungarns ist, und von dort kam Sándor danach für acht Jahre als Minister in meine zweite und dritte Regierung. Das ist eine wichtige Sache. De Gaulle sagte einmal – was meiner Ansicht nach im Falle eines im Übrigen in dieser Hinsicht uns ähnlichen Landes, also Frankreichs, hinsichtlich der Wichtigkeit, der Bedeutung und der gesonderten politischen Vertretung der Landwirtschaft gilt –, was meiner Meinung nach auch für unseren Autor zutrifft: „Die Erde lügt nicht.“ Das Buch hat also ein Mensch aus Karcag geschrieben, den das wohlmeinende Schicksal in den Ministersessel gehoben hat, und das ist bis zuletzt an dem Buch zu spüren. Es handelt sich nicht um ein Buch, das mit wissenschaftlicher Distanz geschrieben worden wäre, zweifellos kommen Zahlenreihen, Daten in ihm vor, aber jeder kann sehen, dass das Buch von jemandem geschrieben worden ist, der das ungarische Land und die ungarische Landwirtschaft liebt, da er von dort gekommen ist.
Warum habe ich gern mit Sándor zusammengearbeitet und warum freue ich mich, dass er das Verfassen dieses Buches koordiniert hat? Es ist eine alte Beobachtung, vielleicht auch Theorie von mir, dass der Archetyp des ungarischen Mannes ja doch der Landwirt ist. Damit möchte ich niemanden aus der Gemeinschaft der ungarischen Männer ausschließen, aber wenn man grundlegend einen ungarischen Mann betrachtet und zu verstehen versucht, was er denkt, warum er es denkt, warum er sich so verhält, wie er sich verhält, dann führt uns dies doch irgendwie in alte Zeiten, in die Welt der Landwirtsinstinkte zurück. Denn ein Mensch vom Land, auch wenn er nicht aus so einer eleganten Großstadt wie Karcag stammt, sondern aus einem kleinen Dorf, so wie ich, denkt ja doch ähnlich wie die Karcager, dass es ein Gebiet gibt, dieses Gebiet eine Grenze, eine klare Ausbreitung besitzt, und er für die Lebensqualität, die Ordnung innerhalb dieses Territoriums, dafür, dass man daraus leben kann, für den äußerlichen Zustand, überhaupt für den Gang der Dinge verantwortlich ist. Es gibt also die Verantwortung, die Verantwortung ist nicht unbegrenzt, nicht theoretisch, nicht abstrakt, sie schwebt nicht irgendwo, sondern sie gilt hier und jetzt, auf diesem Gebiet ist man verantwortlich. Für die Menschen, die dort sind, für den Hof, den Hund, die Katze, das Ausgesäte, den Weingarten und die Obstbäume. Und auch für das Zusammenwirken dieser, damit aus dem Ganzen Ordnung und Harmonie entsteht. Und das ist die Aufgabe eines ungarischen Mannes, wenn er ein Haus hat, dann muss das so sein. Und meiner Ansicht nach ist aus diesem Verantwortungsgefühl des Landwirtes zu verstehen, warum die ungarische Provinz der ungarischen Politik so viele gute Organisatoren des Staates und so viele gute Staatsführer gegeben hat. Denn über den Staat muss man genauso denken wie man auf dem Land über den eigenen Besitz denkt.
Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Auf ähnliche Weise entspringt aus dieser natürlichen Gegebenheit jene Denkweise des aus der Landwirtschaft in die Politik aufgestiegenen Menschen, die sich immer auf die Aufgabe konzentriert. Denn die Dinge müssen nämlich – von diesem System der Wirtsinstinkte ausgehend – gemacht werden. Über die Dinge muss man nicht reden, es mag sein, dass auch dafür abends Raum bleibt, aber tagsüber reden wir nicht über die Dinge, sondern wir vollbringen die Dinge. Die Aufgaben sind wirklich, sie sind eindeutig, und wenn du sie nicht verrichtest, dann wird das klare Folgen haben, denn das Tier stirbt, die Ernte verfault und dein Haus wird undicht. Und dagegen gibt es eine einzige Medizin, wenn du am Morgen aufstehst und deine Aufgaben verrichtest. Deshalb ist es für uns Menschen vom Land z.B. die unglücklich-tölpelhafte Verfahrensweise um die Kettenbrücke schwer zu verstehen. Denn über eine Brücke muss man nicht reden, wenn sie in einem schlechten Zustand ist, sondern man muss anpacken, die Öffentliche Beschaffung ausschreiben, und man muss es machen. Im Allgemeinen ist das Räsonieren darüber, das Beklagen dessen, wer für was nicht verantwortlich sei, was nicht die Aufgabe wessen ist, diese ganze sich auf ungeschickte Tölpelei aufbauende Politik der sich vom Land aufbauenden politischen Attitüde vollkommen fremd, und deshalb ist es richtig, dass wir, vom Land stammende Menschen, im Übrigen in der Zeit der nationalen Regierung in so großer Zahl in der Regierung sind. Ich sage nicht, es wäre richtig, wenn eine Regierung nur aus solchen Menschen bestünde, denn ein Land ist viel bunter als das, und die Urbanen, die städtische Kultur, die Hochkultur muss ebenso in einer nationalen Regierung vertreten sein, doch ist es sehr wichtig, dass das Land ständig nicht einfach mit seinem Wissen, sondern mit seinem hier beschriebenen Lebensinstinkt zur Führung eines Landes beiträgt. Und dies, die Rationalität dessen, die Rationalität und den Nutzen dieser Herangehensweise gibt dieses Buch für uns alle recht gut wieder. Sándor hat erwähnt, dass ich ein Grußwort geschrieben habe, das ich leider nicht als derart bedeutend bewerte wie Sándor, dem ich für seine höfliche Bemerkung danke. Das ist eher nur eine ganz kurze Einleitung, die ich dorthin geschrieben habe, doch was ich über die Bedeutung des Buches und über das durch das Buch beschriebene Gebiet denke, das ist darin enthalten; und das ist, dass eine nationale Selbstachtung ohne den Landwirtschaftsbereich nicht vorstellbar ist. Das müssen wir nicht so übertheoretisierend begründen. Es genügt, wenn wir auf einige einfache Tatsachen hinweisen. Wenn wir im Land herumkommen, für mich ist das häufig ein Bestandteil meiner Arbeit, und wir sehen bebauten Boden, dann denken wir nicht daran, dass daraus einmal Geld wird, sondern man hat so ein gutes Gefühl, eine Art Gefühl der Selbstachtung, dass die Böden bestellt sind. Oder auf ähnliche Weise: Wenn ich die Statistiken sehe, und man schreibt, Ungarn sei das drittbedeutendste Land im Bereich der Produktion von Saatgut, dann denke ich nicht, dass die in dem Zweig arbeitenden Firmen sicher einen hohen Profit machen, was eine sehr nützliche und richtige Sache ist, sondern ich denke, dass auch wir jemand sind, da wir nicht einfach auf einem Gebiet Großes schaffen können, sondern auf dem wichtigsten Gebiet des Lebens Großes schaffen, woraus sich das Leben nährt, aus dem das Leben hervorwächst. Und dann misst man solchen Statistiken nicht einfach nur eine wirtschaftliche Bedeutung bei, sondern auch eine nationalpolitische, da – wie ich gesagt hatte – die Leistung der Provinz und der Landwirtschaft auch eine Frage der nationalen Selbstachtung ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Hiernach möchte ich noch einige Worte auch darüber sagen, dass wenn wir mit der notwendigen Distanz, ohne Emotionen und nüchtern auf den hinter uns gelassenen Zeitraum zurückblicken wollen, dann können wir mit der nötigen Selbstdisziplin sagen, dass vor 2010 die ungarische Provinz zu den größten Verlierern gehörte. Also wenn wir den Zeitraum zwischen 1990 und 2010 betrachten, wenn wir ihn uns nach den einzelnen Zweigen danach anschauen, wer gewonnen und wer verloren hat, wer vorwärtskam und welcher Zweig zurückrutschte, dann können wir ruhig sagen, dass die ungarische Provinz die Verliererin bei der Verteilung der Quellen, der Entwicklungen, der Investitionen war und auch hinsichtlich der Aufstellung der modernen Regelungen in den Hintergrund gedrängt wurde. Und deshalb erhielt Sándor, erhielt der Herr Minister 2010 nicht weniger als den Auftrag – so hatte ich es auch formuliert, als wir das erste Mal über sein mögliches Mandat als Minister sprachen, dass ich hier keinen Agrarminister brauche, und auch die Heimat braucht keinen Agrarminister, sondern wir brauchen jemand, der die ungarische Provinz auf die Beine stellt. Und darüber sind wir mit Sándor übereingekommen. Und wenn Sie das Buch durchlesen, dann müssen Sie nicht überrascht sein, dass Sándor die Aufgabe erweitert verstanden hat und sich nicht nur mit dem Agrarbereich im engsten Sinn beschäftigt, sondern die Themen viel breiter, formulieren wir es so: Aus der Dimension der Wiederherstellung der ungarischen Provinz jene Themen ausgewählt hat, die den Gegenstand des jeweiligen Kapitels darstellen. Also muss ich mit der nötigen Unbescheidenheit sagen, dass wir jetzt gemeinsam mit Sándor aus dem Grund hier auf dieser Buchvorstellung sitzen, da wir viel getan haben, damit es etwas gibt, worüber man ein Buch schreiben kann, was wir zwar ein bisschen unbescheiden, aber ruhig als einen zumindest unvoreingenommen Versuch bezeichnen können, um die ungarische Provinz auf die Beine zu stellen. Wenn wir alles überdenken, können wir sagen, dass wir den Ackerboden verteidigt haben, wenn wir uns die Verteilung der Quellen innerhalb der ungarischen Wirtschaft anschauen, dann sehen wir, dass die Lebensmittelindustrie, die Landwirtschaft an sehr bedeutende Möglichkeiten gekommen ist, und wir sind nicht weit davon entfernt – wir sind da noch nicht angekommen, aber wir sind nicht weit davon entfernt –, dass wir sagen können, man könne heute in einem ungarischen Dorf ein Leben der gleichen Qualität leben wie in der Hauptstadt. Obwohl laut der Meinung der Engländer man nur auf dem Land ein Leben mit Qualität leben kann – aber die Engländer neigen dazu, in Übertreibungen zu verfallen –, ist dies vielleicht doch nicht ganz so, aber damit ein junges Ehepaar, wenn es seine Zukunft plant, sich nicht mit dem Gefühl des Entsagens für ein Dorf oder ein Leben in einer Kleinstadt entscheidet, da sind wir noch nicht angekommen, aber wir nähern uns diesem Punkt. Für uns, die wir dorthin geboren worden sind, ist es natürlich, dass man ein qualitatives Leben eher auf dem Land leben kann, doch ist die Anziehungskraft dieser Provinz zwischen 1990 und 2010 auf bedeutende Weise zurückgegangen, und wir mussten versuchen, in den vergangenen zehn Jahren jenes Gefühl, jenes Lebensgefühl zurückgeben und allgemein werden lassen. Und hierbei haben wir dem Herrn Minister viel zu verdanken. Und ich wiederhole es: Wenn wir auch noch nicht an dem Punkt angelangt sind, dass ein junges Ehepaar sagen könnte, es könne auch auf dem Land ein Leben leben wie in der Hauptstadt, so sind wir doch auf alle Fälle dem nahegekommen, dieses unser Ziel zu erreichen. Das Buch spricht auch darüber auf deutliche Weise.
Da Sándor, wie er darüber schon gesprochen hat, alles in der Sprache der Fakten schrieb, kann ich das beiseite lassen, ich möchte abschließend die Aufmerksamkeit noch auf eine Sache lenken. Irgendwann, vielleicht noch in der Zeit von Józsi Torgyán, in der Zeit der heftigen Auseinandersetzungen, vom Anfang der neunziger Jahre kam der Begriff „Agrarfriede“. Als die Situation so angespannt war und man immer damit rechnen musste, dass schwere Konflikte ausbrechen werden, deren nur unbedeutendes Nebenelement ist, dass wir uns hinter den Traktoren kennenlernen konnten, aber insgesamt schadet es der Landwirtschaft und dem Land mehr, als dass es einen Nutzen mit sich bringen würde, wenn es so starke Spannungen gibt. Ich habe hier auch einen Minister von den Kleinen Landwirten im Saal. Herr Minister, ich begrüße Dich recht herzlich auch noch aus diesem Zeitraum. Ich bin Dir dankbar, dass Du aus Nagykálló – nicht wahr? – so nett warst, hierher zu kommen. Nun, wenn wir uns also an diesen Zeitraum zurückerinnern, dann können wir einsehen, dass dort nicht nur eine politische Debatte geführt wurde, sondern in der Diskussion ging es auch darum, wo der Platz der Landwirtschaft in der Zukunft sein wird. Wir sind in den ersten vier-fünf Jahren der 1990er Jahre, und der Begriff „Agrarfriede“ war ein beinahe alltäglicher Begriff der politischen Publizistik. Und auch damals habe ich viel darüber nachgedacht, wie man schließlich – statt der Debatten oder die Debatten in ihrem Rahmen behaltend – die zur Produktion, zum Ackerbau, zur Tierzucht notwendigen ruhigen, berechenbaren Bedingungen schaffen kann. Denn nur weil wir mit den Traktoren auf dem Kossuth Platz zusammenkommen, werden die Dinge auf dem Gehöft oder in unserer Wirtschaft noch nicht in Ordnung sein. Was also offensichtlich nach der Auffassung des Landwirtes in erster Linie benötigt wird, das sind niemals der Zirkus und der Konflikt, sondern die zur Produktion notwendigen, berechenbaren finanziellen, juristischen, technologischen und technischen Voraussetzungen. Und ich habe viel darüber nachgedacht, warum es keinen Agrarfrieden gibt, und wann es den Agrarfrieden geben wird. Und ich habe erkannt, dass das Wort die Sache nicht genau beschreibt, denn wir brauchen, damit es Frieden in der Landwirtschaft gibt, keinen Agrarfrieden, sondern wir brauchen einen Bodenfrieden. Einen Bodenfrieden! Und so lange wird es niemals einen Frieden in der Landwirtschaft geben, bis die Bodenfrage nicht geordnet worden ist. Solange man das Gefühl haben kann, die Bodenfrage sei offen: Wem gehört der Boden? Wird es Großgrundbesitze geben, wird es mittlere Grundbesitze geben oder wird es kleine Grundbesitze sowie Familienwirtschaften geben? Und solange diese Angelegenheit nicht an einem Ruhepunkt angekommen ist und solange die Agrarwelt selbst nicht in der Lage ist, mit sich selbst, innerhalb sich selbst Frieden zu schließen, ein System der Verhältnisse zu etablieren, indedemoszamvm ein jeder das Gefühl hat, er kommt auf seine Rechnung und ist nicht in seiner Existenz als Grundbesitzer bedroht, solange dies nicht entsteht, wird es niemals einen Agrarfrieden geben. Denn hinter dem Agrarfrieden zieht sich in Wirklichkeit immer die Schlacht und der Kampf um den Boden sowie die Angst vor dem Verlust des Bodens hin.
Und Sándor habe ich auch dies 2010 gesagt: „Sándor, am wichtigsten ist es, dass wir den Bodenfrieden schaffen können. Es kann sein, dass der Weg zum Frieden über den Krieg führt, aber sprechen wir es aus, benennen wir es, was wir in der Angelegenheit des Bodens wollen und erreichen wir es danach mit eiserner Hand, mit eiserner Strenge. Wenn es sein muss, dann brechen wir den Widerstand, wenn es sein muss, besorgen wir uns Verbündete, wenn es sein muss, treffen wir Übereinkünfte, aber es soll einen Zustand geben, über den wir glauben, dass es – wenn wir ihn erreichen – in Ungarn Bodenfrieden gibt. Und danach verteidigen wir diese Situation, lassen wir nicht zu, dass jemand sie umstürzt. Und da haben wir die 80-20-er Regel eingeführt, indem wir sagten, der Bodenbesitz muss zu 80 Prozent bei den Eigentümern von Klein- und mittleren Grundbesitzen sein. Und wenn dies erreicht sein wird, bedeutet dies nicht, dass sie das Land selbst bebauen werden, denn bedauerlicherweise ist die Einstellung des ungarischen Volkes zur Kultivierung des Bodens – im Gegensatz zu allen unseren romantischen Erinnerungen – heute nicht so wie es früher war, und der Grundbesitzer will den Boden nicht unbedingt selbst bebauen. Ja vielmehr stellt einen der größten komplizierten Aspekte der Agrarpolitik der Umstand dar, dass nicht der Besitzer das Land bebaut, sondern er dies auf Grundlage aller möglichen Überlegungen jemandem anderen übergeben möchte. Doch ändert dies nichts daran, dass wenn wir berechenbare, ruhige Verhältnisse in der Agrarwirtschaft haben wollen, dann dort jeder Akteur wissen muss, was die Situation mit dem Boden ist und was das Schicksal des Eigentumsrechts am Boden ist. Und ich denke, Herr Minister Sándor Fazekas hat dies glänzend gelöst, denn wir können ruhig sagen, dass 80 Prozent des Grundbesitzes in der Hand von kleinen und mittleren Eigentümern ist, und es sind nur 20 Prozent, die juristisch zum Großgrundbesitz gehören. Hinzu kommt noch, dass ihr Anteil im Übrigen so abnimmt, wie die als juristische Personen fungierenden Gesellschaften nacheinander schön aus dem System entfallen. Meiner Überzeugung nach herrscht heute in Ungarn Bodenfrieden. Es lohnt sich, diesen Bodenfrieden zu verteidigen, wenn man ihn von der einen oder von der anderen Seite umzustoßen droht, muss man meiner Ansicht nach dem widerstehen.
Den auf diesen Bodenfrieden sich aufbauenden Agrarfrieden muss man aufrechterhalten und es ist die Sache der jeweiligen Regierungen, der ungarischen Provinz und der ungarischen Landwirtschaft, dabei im Übrigen die aus diesem Buch herauslesbare strategische Leitlinie verfolgend, die entsprechenden Quellen, die Technologie, die Aufmerksamkeit und das juristische Umfeld zur Verfügung zu stellen. Und wenn das vorhanden sein wird, wird dieser Zweig zu noch größeren Leistungen in der Lage sein als im vergangenen Jahrzehnt. Obwohl man auch im Zusammenhang mit dem vergangenen Jahrzehnt die Bemerkung riskieren kann, dass wir nur schwerlich solche zehn Jahre in der ungarischen Agrargeschichte finden würden, in denen so wichtige Veränderungen geschehen sind und sich eine Veränderung solcher Dynamik in der Situation der Landwirtschaft eingestellt hatte wie in den vergangenen zehn Jahren. Doch sind wir noch nicht am Gipfel angekommen. Um dorthin zu kommen, wünsche ich uns allen viel Kraft und Gesundheit. Danken wir Sándor, dass er den Abdruck unserer Kämpfe zusammengestellt, deren Dokumente angeordnet und den Sinn dieser Kämpfe beleuchtet hat.
Ich gratuliere, Sándor! Wir danken Dir!