Budapest, den 5. September 2019
Ich wünsche einen guten Tag! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kardinal, Herr Bischöfe, Herr Staatspräsident! Sehr geehrte Herren Ministerpräsidenten und Minister!
Es ist großartig, dass wir erneut, zum dritten Mal zusammen sind. Dank gebührt den Organisatoren, denn sie sind ja die Seele des Ganzen. Besonders muss ich Herrn Professor Pál Demény erwähnen, der sich hier in unserem Kreis befindet, und der der Initiator und der Mentor dieser Konferenzreihe war und es bis auf den heutigen Tag auch geblieben ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben besondere Gäste, Präsidenten und Ministerpräsidenten aus wichtigen Ländern. Besonders begrüße ich den ehemaligen Ministerpräsidenten Australiens. Wir respektieren Australien zum Teil auch dank seiner harten Politik als ein Musterland. Wir respektieren besonders die mutige, gerade und angelsächsische Konsequenz, die die Australier in der Angelegenheit der Migration und des Schutzes der australischen Nation zeigen. Wir danken Ihnen, dass Sie zu uns gekommen sind! Auch Herr Präsident Vučić aus Serbien ist hier mit uns, den ich besonders begrüße. Jedes Volk denkt etwas über das andere, das ist besonders im Fall von Nachbarn so. Wir, Ungarn, pflegen zum Beispiel über die Slawen im Allgemeinen zu sagen, die Slawen hätten ein großes Herz. Die Serben kennend, die nicht nur unsere Nachbarn, sondern auch unsere Schicksalsgenossen sind, ist dies auf sie bezogen auf besondere Weise wahr. Und manchmal habe ich das Gefühl, sie würden nicht von einem, sondern von zwei Herzen angetrieben. Wenn jemand dies nicht glaubt, dann soll er sich auf der jetzigen Basketballweltmeisterschaft die serbische Mannschaft ansehen. Wir wünschen dem Herrn Präsident, dass sie auf dieser Weltmeisterschaft ein Wunder vollbringen! Und hier ist mit uns auch Tschechiens Ministerpräsident, der nicht nur ein Wunder vollbringen kann, sondern auch schon eines vollbracht hat. Und zwar hat er ein wirtschaftliches und finanzielles Wunder in Tschechien vollbracht. Deshalb steht sein Kurs in Ungarn besonders hoch. Ich will nicht klagen, im Augenblick entwickeln auch wir uns gerade gut, doch sehen wir immer noch erst den Hinterkopf der Tschechen. Herr Ministerpräsident Babiš stellt für uns eine Inspiration dar, denn wir, Ungarn, wollen die Tschechen einholen. Je besser er also seine Arbeit verrichtet, umso mehr inspiriert er uns, Ungarn. Wenn Sie erlauben, dann würde ich noch in Klammern anmerken: Es zeigt die Kraft Tschechiens, dass es sich den Luxus erlauben kann, anstatt seinen Ministerpräsidenten auf Grund seiner Ergebnisse zu Recht zu krönen, dieser eher angegriffen zu werden pflegt, dabei ist er der beste Wirtschaftspolitiker Europas. Hier von Ungarn aus können wir nur sagen: „Glückliches Tschechien, wir beneiden es um seine Probleme!“
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Unser heutiges Thema ist die Demographie und die Familie. Wir haben ausgezeichnete Vorträge hören können. Ich bin auch in einer schwierigen Situation, denn womit kann ich zu dem Gesagten beitragen? Ich glaube, ich kann zwei Dinge zu all dem hinzufügen, was Sie gehört haben. Das eine ist es, einige Worte über die geistigen Fundamente der ungarischen Familienpolitik zu sagen, und danach möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einige Schlüsselaspekte des ungarischen Modells der Unterstützung der Familien lenken. Zunächst also über die geistigen Fundamente. Als ich noch jung war, hätte solch eine Konferenz, auf der es um demographische Probleme geht, eine Überraschung verursacht. Sie hätte überrascht, denn ein jeder, im wahrsten Sinne des Wortes unabhängig von der Geschultheit und der Herkunft kannte und verstand eine der wichtigsten alten Wahrheiten. Damals verstand noch ein jeder, dass das menschliche Leben endlich ist. So wie wir in das Leben hineintreten, müssen wir auch aus ihm hinaustreten. Das ist das Gesetz. Auf dieses Gesetz und diese schwierige Situation – so habe ich es im Laufe meines bisherigen Lebens gesehen – kann man dreierlei Antworten geben. Wenn man will, so können wir den Ausweg in dreierlei Richtung suchen. Die eine ist die Welt der das Bewusstsein verändernden Mittel, das von der Leidenschaft abhängige Leben, der maßlose Genuss und der Konsum, durch die wir uns die Frage vom Leib halten können, was denn der Sinn des Lebens sei, wenn es endlich ist? Die unangenehme Tatsache der Endlichkeit des Lebens wird durch die Lösung auf die Weise beantwortet, dass sie die Frage selbst bestreitet. Eine andere Möglichkeit für den Menschen ist es, den Weg zum Schöpfer zu finden, der über die Endlichkeit unseres Lebens beschlossen und sie für uns zum Gesetz gemacht hat, und wir versuchen ihm nahe zu kommen, von ihm die Antwort zu erfahren und das Heilmittel zu erhalten. Diese Lösung, dieser Weg, diese Richtung hat gewaltige zivilisatorische Schöpfungen, gewaltige Kunst und Kultur auf der Welt geschaffen. Und die dritte Möglichkeit, die vor uns steht, ist es, für die Fortsetzung unseres Lebens auf dieser Welt zu sorgen. Dies nennt man Familiengründung, dies nennt man Kinder. Fleisch aus dem Fleisch, Blut aus dem Blut. Das Kind, das irgendwie auch die Fortsetzung unseres Lebens ist. Summa summarum, da früher dies in Ungarn noch ein jeder wusste, haben wir auch nie demographische Konferenzen abgehalten, denn wir dachten, man muss den Specht nicht ermuntern, damit er klopft. Es sind aber große Veränderungen geschehen. Und die große Veränderung kann man in einem einzigen Wort zusammenfassen, darum drehen sich, darum bewegen sich die jetzigen Vorträge, und dies ist der Bevölkerungsrückgang, die Frage des Verschwindens. Wenn wir, Ungarn, die geistigen Grundlagen der Familienpolitik zu klären versuchen, dann versuchen wir zuerst die Natur dieses Problems zu verstehen. Es ist ja der erste Schritt für das Verständnis eines gesellschaftlichen Problems, dass wir das Problem abgrenzen. Wir verstehen, von welchem Punkt es sich bis zu welchem anderen Punkt erstreckt. Hier haben wir die Frage gestellt, ob es sich um eine allgemeine menschliche Welterscheinung handelt, wenn wir vom Bevölkerungsrückgang sprechen? Wir haben festgestellt, dass dem nicht so ist. Denn die Bevölkerung wächst in Asien oder zum Beispiel in Afrika. Danach haben wir die Frage gestellt, ob der Bevölkerungsrückgang eine Zivilisationskrankheit sei? Ein Charakteristikum der christlichen Zivilisation? Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dem nicht so ist, denn in der Welt nimmt die Zahl der Christen nicht ab, sondern zu. Und laut allen Prognosen wird in der Welt die Zahl der Christen in den kommenden Jahrzehnten auch weiterhin ansteigen. Wenn wir es also nicht mit einer allgemein menschlichen und auch keiner Krankheit und keinem Problem zu tun haben, das man mit der christlichen Zivilisation in Verbindung bringen kann, dann bleibt die Frage, womit wir es in Zusammenhang bringen können? Und schließlich sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich schließlich um eine europäische Erscheinung handelt. Selbstverständlich gibt es auch auf anderen Kontinenten das eine oder das andere Land, in dem wir einen Bevölkerungsrückgang beobachten können. Zum Beispiel gibt es auch in Asien so ein Land, jedoch dass dieses Problem für einen ganzen Kontinent charakteristisch ist, trifft nur für Europa zu. Wir, Ungarn, haben also den Eindruck, dass es sich um eine allgemeine europäische Erscheinung handelt, und wir müssen auch auf diese Weise an sie denken. Was ist ihre Ursache? Verschiedene Theorien konkurrieren miteinander. Meiner persönlichen Meinung nach ist der Grund ziemlich offensichtlich. Der Bevölkerungsrückgang ist aus dem Grund zu einem europäischen Problem geworden, weil Europa innerhalb seiner selbst zwei gnadenlose Bürgerkriege ausgetragen hat. Diese nennt man in der Schule „Weltkriege“, und zweifellos erstreckten sie sich auch schon über den europäischen Kontinent hinaus, aber in Wirklichkeit handelt es sich dabei eher um einen europäischen, oder um noch genauer zu formulieren, um einen westlichen Bürgerkrieg beziehungsweise um zwei westliche Bürgerkriege, mit schrecklichen Verlusten an Menschenleben. Die Kalkulationen sind unterschiedlich, doch wenn ich die europäischen und amerikanischen Verluste der beiden Weltkriege addiere – darin ist die Zahl jener Menschen nicht beinhaltet, die die Amerikaner an den asiatischen Fronten verloren haben, sondern nur jene, die im europäischen Konflikt umkamen –, dann haben wir in den beiden Weltkriegen etwa fünfzig Millionen Menschen verloren, und meiner Überzeugung nach, haben wir uns bis auf den heutigen Tag nicht von diesem Verlust an Menschenleben erholen können. Da eine unnatürliche Situation, zwei Weltkriege beziehungsweise zwei europäische Bürgerkriege die Wurzel des Übels darstellen, in dem wir uns befinden, es also keine natürlichen, sondern außergewöhnliche Ereignisse waren, deshalb führt kein Weg daran vorbei, dass die Politik in solch einer sensiblen Angelegenheit wie die Demographie eine Rolle übernehmen muss. Wenn nicht politische Konflikte und Kriege den Bevölkerungsrückgang verursacht hätten, dann müssten sich die Regierungen vielleicht auf eine vorsichtigere Weise mit der Demographie beschäftigen, denn dies ist ja doch ein äußerst sensibles Gebiet, da aber die Politik selbst das Problem verursacht hat, da die Staatsführungen mit den beiden Weltkriegen beziehungsweise den europäischen Bürgerkriegen das Übel verursacht haben, kann man diese Probleme ohne die Übernahme einer starken Rolle seitens des Staates auch nicht geradebiegen, kann man sie nicht korrigieren. Deshalb hat sich Ungarn und die Regierung Ungarns dazu entschieden, dass wir eine starke demographische Politik verfolgen müssen. Das ist ein Staatsziel und eine Regierungsaufgabe. Wenn wir über die prinzipiellen Grundlagen unserer Familienpolitik reden, dann müssen wir als Ausgangspunkt natürlich zwei Gegenargumente besiegen. Hierüber hat bereits unser aus Australien kommender Gast, der Herr Ministerpräsident, gesprochen. Das erste ist die Migration. Jenes Argument müssen wir auf jeden Fall von uns weisen, laut dem im globalen Maßstab die Migration in der Lage sei, das Problem des europäischen Bevölkerungsrückgangs zu lösen. Denn wenn wir dies akzeptieren, dann gibt es nichts zu tun. Wenn wir es aber nicht akzeptieren, dann gibt es einiges zu tun. Und wenn in Zukunft Europa nicht von Europäern besiedelt sein wird und wir diese Tatsache akzeptieren, sie als natürlich hinnehmen, dann geben wir im Grunde unser Einverständnis zu einem Bevölkerungsaustausch, dann geben wir unser Einverständnis zu dem Prozess, dass die europäische Bevölkerung ausgetauscht wird. Es gehört nicht zum Gegenstand unseres jetzigen Gesprächs, doch meiner Ansicht nach baut man in Europa hierauf Politiken auf; es gibt also politische Kräfte, die aus verschiedenen Überlegungen heraus einen Bevölkerungsaustausch wollen. Zum Teil aus Überlegungen politischer Nützlichkeit, zum anderen Teil aus ideologischen Überlegungen, doch ist die Behandlung dieser Frage nicht mehr das Thema dieser heutigen Konferenz. Jedenfalls müssen wir mit Entschiedenheit aussprechen, dass wenn wir eine Demographiepolitik machen wollen, dann sollten wir den Lösungsweg der Migration weit von uns weisen. Das zweite, Herr Ministerpräsident Tony Abbott hat ebenfalls darauf verwiesen, ist eine grüne Argumentation, sie ist neuartig und hat auch mir erst in den vergangenen Tagen den Atem verschlagen, wie man auf die Weise über die Kinder und das Leben denken kann, dass man diese der Natur gegenüberstellt, und wir sagen, für die Welt wäre es besser, wenn weniger Kinder geboren würden. Man könnte dagegen argumentieren, aber ich schlage vor, wir sollten das eher ganz einfach nur als eine Torheit betrachten und so zurückweisen, und wir sollten insgesamt nur sagen, dass laut der Ordnung der Schöpfung auch der Mensch ein Teil jenes Ökosystems ist, das sie vor den Kindern schützen wollen. Kein Gegner dessen, sondern sein Teil. Deshalb darf man die beiden Dinge nicht einander gegenüberstellen, sondern man muss auf sinnvolle Weise den Platz der zahlenmäßig immer größer werdenden Menschheit in diesem Ökosystem bestimmen.
Das ist die richtige Herangehensweise, und nicht die Gegenüberstellung von Natur und menschlichem Leben. Und wenn wir über die geistigen Grundlagen der ungarischen Familienpolitik sprechen, möchte ich noch zwei positive Dinge erwähnen. Das eine ist, dass nach der ungarischen Überzeugung jedes Kind das Recht auf einen Vater und eine Mutter besitzt; wenn wir also über die Familie und die Unterstützung der Familie sprechen, dann unterstützen wir die traditionellen Familien, dann verteidigen wir das traditionelle Familienmodell. Und andererseits denken wir auch im nationalen Rahmen, da wir denken, die Familie und das Kind sind nichts anderes, als die Voraussetzung für die biologische Reproduktion der nationalen Gemeinschaft. Wenn die Familie, wenn die Familien nicht funktionieren, wenn es keine Kinder gibt, dann kann eine nationale Gemeinschaft verschwinden. Vielleicht ist dies für einen Australier nicht ganz verständlich, weil er zu der Großfamilie der angelsächsischen Welt gehört. Auch ein Deutscher würde es nicht verstehen, wie man von der Erde verschwinden könnte, aber für eine nationale Gemeinschaft der Größe der tschechischen, der serbischen oder der ungarischen ist es mathematisch nicht so schwer einzusehen, dass bei schlechten demographischen Tendenzen es früher oder später einen letzten Menschen geben wird, der das Licht wird ausmachen müssen. Mit anderen Worten: Man kann verschwinden. Diese Vision ist keine krankhafte Angst, kein eingebildetes Gefühl einer Gefahr, sondern eine tatsächliche, mathematisch modellierbare Gefahr, nach der die Zahl der Menschen in diesen Nationen auf eine so geringe Anzahl zurückgeht, dass schließlich die Aufrechterhaltung der nationalen Identität unmöglich wird. Wir sind der Ansicht, dass wenn eine Nation der Welt verloren geht, dann geht etwas verloren, das durch nichts anderes ersetzt werden kann. Etwas, das unersetzbar ist, denn wir können keine Serben sein. Serben können nur die Serben sein. Auf ungarische Weise können die Welt nur die Ungarn sehen, die Tschechen können sie nicht auf ungarische Weise sehen, und auch die tschechische Kultur können nur die tschechischen Menschen erschaffen, und niemand anderes. Wenn also eine Nation verschwindet, dann verschwindet etwas unersetzbares aus der Welt. Dies hat auch der ungarische Dichter des 19. Jahrhunderts, János Arany, in seiner ihm eigenen schönen Sprache gesagt, weshalb unter den geistigen Grundlagen der ungarischen Familienpolitik die beiden Gedichtzeilen zu finden sind, nach denen „Wenn wir durch die Stürme der Zeit hinweggeblasen werden, dann wird Gott nie mehr einen weiteren seiner Ungarn besitzen.“ Unsere Familienpolitik besitzt also auch nationale Grundlagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Soviel zu den geistigen Grundlagen. Hierauf baut die ungarische Familienpolitik auf. Jetzt möchte ich die Aufmerksamkeit auf einige wichtige Elemente richten, da das Material, das ungarische Modell der Familienpolitik äußerst reichhaltig ist, weshalb es beinahe unmöglich ist, darüber erschöpfend zu sprechen. Nicht als Ratschlag und auch nicht als Belehrung, da jedes Land, jede Nation ihre eigene Denkweise besitzt, sondern vielmehr die ungarischen Erfahrungen als eine Art Magazin der guten Praktiken anbietend, damit Sie darüber nachdenken können, was Sie hiervon bei Ihnen zu Hause anwenden können. Die erste Sache ist die, dass die Grundlage des ungarischen Modells konstitutioneller Natur ist – über die geistigen Grundlagen habe ich schon gesprochen. Sie besitzt eine konstitutionelle Grundlage. Das ist äußerst wichtig. Wenn das Wesentliche der Demographiepolitik, wenn die wichtigsten Elemente der Familienpolitik nicht in der Verfassung festgehalten sind, dann kann man langfristig keine Familienpolitik betreiben. Dazu sind konstitutionelle Grundlagen nötig, denn diese konstitutionellen Grundlagen schützen vor den gegen die Familien gerichteten Gerichtsentscheidungen. Das Gericht ist ja eine Welt für sich, es gehört nicht zu dem durch die Regierung kontrollierten Teil des Staatslebens, es ist ein Teil des Staatslebens, aber unabhängig von der Regierung. Es arbeitet auf Grund anderer Überlegungen als es die Regierung tut. Aus diesem Grunde kann es immer richterliche Entscheidungen geben, die Vereinigten Staaten sind das beste Beispiel dafür, die eindeutig gegen die Familien gerichtet sind. Hierfür gibt es eine einzige Barriere: eine klare konstitutionelle Grundlage. Und eine konstitutionelle Grundlage ist auch aus dem Grund für eine Familienpolitik notwendig, denn ohne diese können die internationalen Organisationen, die NROs, die Netzwerke und Zentralen, die sehr häufig gegen die Familien eingestellt sind, in das ungarische Staatsleben und die ungarische Entscheidungsfindung eindringen. Sagen wir, es können auch Entscheidungen durch die Europäische Union getroffen werden, wenn uns unsere Verfassung nicht vor diesen schützt, und es kann Entscheidungen der Europäischen Union geben, die leider – sprechen wir es aus – gegen die Familien gerichtet sind. Wenn wir uns schützen wollen, wenn wir eine stabile Familienpolitik betreiben wollen, sind konstitutionelle Grundlagen notwendig.
Der zweite Aspekt, auf den ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte, ist der, dass zu einer guten Familienpolitik auch wirtschaftliche Grundlagen notwendig sind. Möglicherweise ist es in anderen Teilen der Welt nicht so, aber so wie ich die gegenwärtige Situation der europäischen Zivilisation sehe und verstehe, muss ich sagen, in Europa ist für eine erfolgreiche Familienpolitik auch Geld notwendig. Ohne Geld können wir die schlechten Tendenzen nicht umdrehen. Ganz gleich, ob uns dies gefällt oder nicht, das ist meine Erfahrung. Deshalb haben wir in Ungarn im Laufe von zehn Jahren im Haushalt die Unterstützung für die Familien verdoppelt. Wenn wir über die wirtschaftliche Grundlage sprechen, ist es wichtig, auch familienpolitisch zu verstehen, wie wichtig die sichere und stabile finanzielle Lage ist. An dieser Stelle ziehe ich erneut meinen Hut vor Herrn Babiš. Die Grundlage unserer Familienpolitik ist das Vertrauen, ob die Familien es glauben, dass jene Maßnahmen, die eine Regierung einführt, Maßnahmen sind, mit denen man auch langfristig rechnen kann – denn Kinder zu bekommen ist keine Sache eines Moments, die Kinder muss man auch aufziehen. Über lange Jahre hinweg ist ein berechenbares System der Unterstützung der Familien notwendig. Wenn jedoch die Finanzen nicht in Ordnung sind, wenn sich finanzielle Störungen einstellen, dann kommen die Einsparungsmaßnahmen, und jede budgetäre Rationalisierung nimmt früher oder später etwas aus dem System der Unterstützung der Familien weg. Ungarn ist ein Beispiel dafür, ich könnte Ihnen hierüber vieles erzählen, doch sind wir nicht wegen der früheren Regierungen hier zusammengekommen, die unter dem Siegel der Krisenbewältigung sogleich jene Unterstützungen von den Familien weggenommen haben, ohne die es keine stabile und berechenbare Familienplanung gibt. Was ich Ihnen also sagen möchte ist, dass über die geistigen Grundlagen und die konstitutionellen Fundamente hinaus für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik Finanzen, die in Ordnung sind, eine wachsende Wirtschaft, das heißt auch wirtschaftliche Grundlagen wichtig sind. Das ist eine ungarische Erfahrung, vielleicht ist das anderswo nicht so wertvoll wie hier, aber es ist die ungarische Erfahrung, dass man die Zuwendungen zur Unterstützung der Familien in Ungarn auch immer mit einem Arbeitsverhältnis verbinden muss. Denn der Mensch ist eben so, wie er ist, und er neigt sehr leicht dazu – wenn er sieht, man könne auch aus sozialen Zuwendungen leben –, dann die Variante zu wählen, statt der Arbeit nur aus diesen zu leben. Sehr viele von uns wählen dies anstatt der Arbeit, weshalb dann die Leistung der Wirtschaft abfällt, und wir uns sehr schnell in finanziellen Turbulenzen wiederfinden, und dann können auch schon die einschränkenden Maßnahmen kommen. Wenn wir also eine langfristig stabile Familienpolitik wollen, dann müssen mehrere Elemente der Unterstützung der Familien mit der Annahme eines Arbeitsverhältnisses verbunden werden. Hierfür gibt es verschiedene Techniken, Ungarn steht Ihnen auch gerne zur Verfügung angefangen von dem System der Steuererleichterungen bis zum Kindergeld. Für ähnlich wichtig halten wir es, die für die Kinder gebotenen Unterstützungen mit der Erfüllung der elterlichen Pflichten zu verbinden. Wenn die Eltern ihre Pflichten nicht erfüllen, dann können sie keine zentrale Unterstützung für die Kinder erhalten. Wenn zum Beispiel in Ungarn das Kind im schulpflichtigen Alter ist, die Eltern es aber nicht in die Schule schicken, dann können sie nicht erwarten, das Kindergeld zu bekommen. Es ist also ebenfalls ein wichtiges Element unserer Familienpolitik, die Unterstützung auf vernünftige und humane Weise mit Leistung zu verbinden. Auf ähnliche Weise sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es ein wichtiges Element unserer Familienpolitik sein muss, die Versorgung im Kindergarten für die Kinder ab dem Alter von drei Jahren verpflichtend zugänglich zu machen, wovon man natürlich um eine Befreiung bitten kann. Jedoch ist Ungarn ein Land, in dem die Kinder im Alter von drei, eventuell von vier Jahren in das Bildungssystem eintreten, und wir verstehen den Kindergarten nicht als eine Kinderaufbewahrung, sondern als die Vorbereitung des Kindes auf die späteren Schuljahre. Um soviel haben wir also im Grunde den Zeitraum der Eingliederung der Kinder in die Gesellschaft, ihre Vorbereitung darauf und ihre Ausbildung verlängert. Und natürlich gibt es neben den Kindergärten auch Krippen. In Ungarn ist es die Situation, dass es bis 2022 keinen derartigen Bedarf an Krippen geben wird, den wir nicht durch Krippenplätze befriedigen könnten.
Das alles haben wir schon getan, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kardinal, sehr geehrter Herr Staatspräsident, doch haben wir den Wendepunkt leider noch nicht erreicht. Wir haben zwar schon vieles getan, jedoch ist all das, was geschehen ist, noch nicht unumkehrbar. Es ist eine sehr wichtige Frage, wo der Punkt ist, ob er überhaupt festgelegt werden kann, an dem wir sagen können, wenn das System der Unterstützung der Familien dies erreicht hat, dann wird es ab diesem Punkt mit Sicherheit – soweit diese Formulierung in der Politik sinnvoll ist –, beinahe mit Sicherheit ein Ergebnis mit sich bringen, das heißt es werden mehr Kinder geboren werden. Was ich jetzt sage, sind Erfahrungen in Ungarn, meiner Ansicht nach haben sie auch eine europäische Geltung, darüber hinaus gelten sie aber vielleicht nicht. Doch in Europa – und mit Sicherheit in Ungarn – ist die Wahrheit, dass wir dann gewonnen haben werden, wenn wir ein System für die Unterstützung der Familien aufbauen können, als dessen Ergebnis jene, die sich für Kinder entscheiden, garantiert auf einem höheren Lebensniveau leben, als wenn die gleichen Leute keine Kinder hätten. Das ist der Wendepunkt. Wenn also ein Kind zur Erhöhung deines Lebensstandards beiträgt. Nicht auf die Weise, dass wenn du dann alt sein wirst, dein Kind für dich sorgen wird, sondern hier und jetzt, sofort, wenn du noch ein das Kind erziehender Elternteil bist. Schon indem du dich dafür entschieden hast, ein Kind zu haben, bist du in einer finanziell vorteilhafteren Situation, als wenn du die Entscheidung getroffen hättest, auf ein Kind zu verzichten. Diesen Punkt suchen wir, diesen wollen wir erreichen, hier wird das ungarische System der Unterstützung der Familien die Wende mit sich bringen. Doch vorerst sind wir noch nicht hier, dazu benötigen wir noch die ausdauernde Arbeit vieler Jahre.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Schließlich möchte ich noch eine Frage beantworten. Diese lautet: „Kann dies überhaupt gelingen?“ Denn wen auch immer ich – formulieren wir es so: in der Welt der hohen politischen Salons – in Europa frage, ob das, was wir tun, erfolgreich sein könne, ob man in dieser sogenannten „Fertilitätsrate“ die Quote von 2,1 erreichen könne, ob dies unmöglich sei, da sagen in den eleganten europäischen Salons neun von zehn Antwortenden, dass dies nicht gelingen könne. Und wenn neun von zehn über etwas sagen, es könne nicht gelingen, dann muss man darüber nachdenken. Acht wären vielleicht zu wenig, fünf mit Sicherheit, aber neun, dies sind doch schon zu viele. Und auch wir müssen darüber nachdenken, ob wir uns nicht eine unmögliche Aufgabe vorgenommen haben? Ob es wohl überhaupt möglich ist, jenes Ziel zu erreichen, das wir uns gesetzt haben? Ich kann Ihnen hierauf keine exakte Antwort geben. Ich kann nur sagen: Diese Meinung kenne ich von anderen Gebieten her schon zur Genüge. Als wir die Entscheidung getroffen hatten, den IWF nach Hause zu schicken, und wir „ja“ dazu sagten, da sagten neun von zehn: Dies könne nicht gelingen. Als wir sagten, in die Bewältigung der Krise müsse man die Banken mit einbeziehen und man müsse sie besteuern, da meinten neun von zehn, das könne nicht gelingen. Als wir die Senkung der Nebenkosten anordneten und die Multis besteuerten, sagte man, das könne nicht gelingen. Als wir sagten, wir würden eine prozentuale Einkommenssteuer anstelle der im Kommunistischen Manifest eingeführten und im Voraus angekündigten progressiven Einkommenssteuer einführen, denn dort spricht man darüber zuerst, das sagte man, dies sei unmöglich. Als wir sagten, wir würden im Laufe von zehn Jahren eine Million Arbeitsplätze schaffen, da sagten sie, dies sei nicht möglich. Als wir sagten, wir würden die Migranten an der ungarischen Staatsgrenze aufhalten, so viele auch kommen mögen, da sagten sie, dies sei nicht möglich. Wir sagten, wir würden einen Zaun errichten, den man nicht umstürzen kann, da sagten sie, dies sei nicht möglich. Ich weiß also nicht die Antwort auf die Frage, die wir uns in der Sache der Demographie als Ziel gesteckt haben, ob es möglich ist, das Ziel zu erreichen, aber ich weiß, wir haben jedes einzelne wichtige, für die ungarische Nation wichtige Ziel, das wir uns gesteckt hatten – wenn auch neun von zehn sagten, es sei unmöglich –, schließlich doch erreicht. Das ist die Wirklichkeit.
Unseren Gästen sage ich außerdem, dass es einerseits – schon wegen der Sprache – natürlich kompliziert und schwer ist, die ungarische Politik zu verstehen, doch andererseits ist es sehr einfach. Sie besitzt ein Schlüsselwort, das man richtig verstehen muss, die Geschichte der ungarischen Politik ist auf dieses Wort aufgebaut: „trotzdem“. Dieses „trotzdem“ bedeutet in anderen Sprachen: Wir werden es trotz allem, wenn es sein muss, auch gegen die ganze Welt versuchen, und es wird dann mit einem Husarenstück gelingen. Das ist ein Schlüsselmoment für das Verständnis der ungarischen Geschichte. Aber selbstverständlich bedeutet dies nicht, dass es unbedingt gelingen wird. Es gibt Voraussetzungen für den Erfolg der ungarischen Demographiepolitik, der Regierungspolitik. Mit vollkommener Sicherheit kann ich nicht alle identifizieren, jedoch gibt es drei-vier, in deren Fall dies geht. Und ich kann sagen, diese sind nötig, damit die ungarischen Bestrebungen Erfolg haben.
Die erste Voraussetzung für die erfolgreiche ungarische Demographiepolitik ist die Wiedererstarkung des Christentums in Europa. Wenn in Europa sich nicht die Erstarkung des Christentums vollzieht, dann wird Ungarn als einsame Insel kaum in der Lage sein, Ergebnisse zu erreichen. Die zweite Voraussetzung ist das Vorhandensein von Partnern. Alleine geht es nicht. Jetzt haben wir Partner. Hier ist Herr Staatspräsident Vučić, hier ist Herr Ministerpräsident Babiš. Es gibt Partner, auch in Europa gibt es Partner. Wir drücken den Österreichern die Daumen und hoffen, das italienische Durcheinander wird sich auf die Weise klären, dass es am Ende auch für uns von Vorteil ist, und wir auch dort Partner erhalten. Man braucht Partner in Europa, ohne sie wird es auch dort nicht gehen. Und ich bin mir auch darin sicher, da auch wirtschaftliche Fundamente nötig sind, dass es eine Voraussetzung unserer erfolgreichen Familienpolitik ist, dass das ungarische Bruttosozialprodukt im kommenden Zeitraum, also in einer Zeitspanne von etwa zehn Jahren, bis 2030 in jedem Jahr den Durchschnitt des Wirtschaftswachstums der Europäischen Union um mindestens zwei Prozent übertrifft. Wenn es dieses um zwei Prozent übertrifft, dann produziert es ausreichende Quellen, aus denen man stabile finanzielle Grundlagen und eine durch neue Elemente erweiterte Wirtschafts- und Familienpolitik finanzieren kann. Und schließlich ist die wichtigste, die letzte, die vierte Voraussetzung: Es kann gelingen, wenn wir durchhalten. Vorwärts!
Vielen Dank, dass Sie mich angehört haben!