30. November 2015. Teheran (تهران)
Ich begrüße unseren Gastgeber, den Vertreter der iranischen Regierung, die erschienenen Damen und Herren! Wir sind aus dem Grunde hierher, zu Ihnen in den Iran gekommen, um einen unnatürlichen Zustand aufzuheben. Zuletzt hat ein ungarischer Ministerpräsident den Iran vor 27 Jahren besucht, dies widerspricht den Regeln des gesunden Menschenverstandes. Doch wenn es schon so lange her ist, dass wir hier waren, so sind jetzt viele von uns gekommen. Zum Beispiel sind fünf Minister hier. Ich sage es dem geschätzten Herrn Präsidenten, dass die ungarische Regierung aus zehn Ministern und dem Ministerpräsidenten besteht. Hier sind jetzt also fünf Minister und ein Ministerpräsident, wir können gültige Regierungsbeschlüsse fassen, ja wir könnten sogar im Notfall unsere Teheraner Exilregierung gründen, wenn wir von Zuhause unvorteilhafte Nachrichten erhalten sollten, doch damit muss man nicht rechnen, denn Ungarn ist das einzige Land in Europa, in dem seit 1990, als es die ersten demokratischen Wahlen gab, jedes Parlament seine vier Jahre ausgefüllt hat. Es gab nie vorgezogene Wahlen. Ungarn ist in dieser Hinsicht das stabilste Land der Europäischen Union.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es stimmt, dass wir seit 27 Jahren nicht mehr hier waren, jedoch sind die Iraner nach Ungarn gekommen. Gerade auch in diesem Moment studieren 1.116 iranische Studierende an Universitäten in Ungarn, an ungarischen Universitäten, und wir kennen viertausend iranische Menschen, Fachleute, die in den vergangenen Jahren ihr Diplom in Ungarn erworben haben. Dies ist eine sehr ansehnliche geistige Kraft, und auch für unsere Zusammenarbeit ist das eine hervorragende Grundlage. Ich möchte die Geschäftsleute darüber informieren, dass wir am heutigen Tag bereits Gespräche mit dem Herrn Ersten Vizepräsidenten Dschahangiri geführt haben. Morgen werde ich den obersten religiösen Führer Ali Chamene’i treffen, danach Ajatollah Hāschemi Rafsándschāni und schließlich auch Herrn Präsidenten Hassan Rohani. Es ist also deutlich erkennbar, dass die Islamische Republik Iran jetzt Ungarn auf höchster Ebene empfängt, wofür wir dankbar sind und Respekt empfinden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Vergangenheit werde ich jetzt angesichts unserer beschränkten Zeit nicht beschwören, doch ist es vielleicht von Bedeutung, zu erwähnen, dass über die Ungarn, deren Herkunft sich irgendwo im Nebel der Vergangenheit verliert – und es ist eines der populärsten öffentlichen Themen in Ungarn, woher wir letztendlich kommen, wer wir sind –, also über uns Ungarn finden sich die ersten schriftlichen Aufzeichnungen in persischen und arabischen Quellen, was deutlich zeigt, dass irgendwann vor vielen Jahrhunderten, ja vor mehr als einem Jahrtausend es schon eine ähnliche Beratung zwischen Ungarn und Iranern gegeben haben mochte. In diesem Sinne ist dies die Fortsetzung von etwas, das es früher schon gegeben hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Als Erstes möchte ich den Iranern und der iranischen Wirtschaft gratulieren, dass sie einen sehr schwierigen Zeitraum der Sanktionen überlebt haben. Ja nicht nur einfach überlebt haben sie diesen Zeitraum, sondern deutlich erkennbar auch große Energien, niedergehaltene Energien haben sie akkumuliert, die jetzt darauf warten, genutzt zu werden, und die eine große wirtschaftliche Epoche in der Entwicklung des Iran beginnen können. Man muss kein mit dem Nobelpreis ausgezeichneter Ökonom sein, um die Zeichen einer auf der Schwelle stehenden wirtschaftlichen Entwicklung zu erkennen. Die Datenreihen studierend, die das Bruttonationaleinkommen und das Maß der Rohstoffressourcen, die gegenwärtigen finanziellen Indikatoren beschreiben, ist es offensichtlich, dass hier in den kommenden Jahren sich eine riesige Entwicklung vollziehen wird. Es ist kein Zufall, dass große Delegationen der früher so erbittert für Sanktionen gegen den Iran argumentierenden westlichen Länder einander die Klinke in die Hand geben, denn ein jeder spürt, dass sich hier eine ernsthafte, große Möglichkeit öffnet. Es gibt nicht viele solcher in der modernen Weltwirtschaft. Wir müssen die Frage stellen, wenn unlängst die Italiener hier gewesen waren und offensichtlich die Amerikaner immer hier sind, und offensichtlich ein jeder kommen wird, der in seinen Ausmaßen, hinsichtlich der Bevölkerungszahl und seines Bruttonationaleinkommens bedeutend größer als Ungarn ist, welche Möglichkeiten werden hier dann wohl die Ungarn haben? Denn Ungarn ist ein Land von Zehnmillionen Einwohnern, seine geographischen Ausmaße kennen auch Sie vielleicht, die Höhe seines Bruttonationaleinkommens ist ebenfalls bekannt. Wir sind im Ausmaß nicht mit den Italienern, den Deutschen, den Amerikanern oder den Franzosen konkurrenzfähig. Was können wir hier dann letztlich erreichen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen, glaube ich, unsere iranischen Freunde den Unterschied verstehen, der zwischen der ungarischen und der iranischen Wirtschaft besteht.
Ich höre, dass nur noch 20 Prozent der Einnahmen des Haushaltes aus dem Öl stammen, doch verglichen mit unseren Einnahmen aus dem Öl, scheint auch dies eine recht große Zahl zu sein. Denn Ungarn ist – im Gegensatz zum Iran – ein Land, das über keinerlei Rohstoffschätze verfügt, und wenn es ein bisschen was hat, so ist das außerordentlich gering. Jene Energiequellen und Rohstoffe, die irgendwann den Ungarn gehörten, sind vor hundert Jahren verloren gegangen, weil man uns jene Gebiete weggenommen hat, in denen sie zu finden sind, und auf dem heutigen Landesgebiet Ungarns gibt es keine solchen Quellen. Deshalb ist es, dass Ungarn heute schneller wächst als der Durchschnitt der Europäischen Union – auch im vergangenen Jahr hatten wir ein Wachstum von über 3 Prozent –, dass die Aussichten der ungarischen Wirtschaft von allen als positiv angesehen werden, dass in Ungarn die Investitionen zunehmen, und man in der Welt die Möglichkeiten zum Auftreten in Ungarn sucht, unter diesen Bedingungen ein wahres Wunder. Alles das, was es heute in Ungarn gibt oder in Ungarn als geschäftliche Möglichkeit existiert, jedes Ergebnis und jede Leistung haben wir nicht unseren Rohstoffen – denn diese besitzen wir ja nicht –, sondern unserem Denken, unserer geistigen Leistung und unserer physischen Arbeit zu verdanken. Aus dieser Perspektive kann man verstehen, was wir unseren iranischen Freunden in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit anbieten können. Heute haben wir mit dem Ersten Vizepräsidenten fünf Gebiete der Zusammenarbeit ausgemacht, und wir haben den Beschluss darüber gefasst, dass wir die gemischte Wirtschaftskommission aufstellen, die von ungarischer Seite aus Herr Minister Péter Szijjártó leiten wird. Die fünf Gebiete, die wir gefunden haben, sind die folgenden.
Energetik. Das ist eine ungarische Sache, sehr geehrter Herr Präsident, dass obwohl es in Ungarn keinen ernstzunehmenden Öl- oder Gasfundort gibt, die größte Firma im Bereich der Öl- und Gasindustrie trotzdem eine ungarische Firma ist, weil wir über Raffinerien von Weltniveau, Lagerkapazitäten, eine auf Kohlenwasserstoffe aufbauende chemische Industrie und die hierfür notwendige moderne Technologie verfügen. Dementsprechend sind wir daran interessiert, dass im Bereich der Energetik eine erdöl- und erdgasindustrielle Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern entstehe. Wir würden auch gerne am iranischen Nuklearprogramm teilnehmen, denn in Ungarn gibt es ein Atomkraftwerk, ja wir werden es sogar erweitern, wir Verfügen über eine Ausbildung von Fachleuten auf hohem Niveau, und wir würden gerne auf dem Gebiet der Ausbildung von Experten mit den iranischen Atomwissenschaftlern und nuklearen Experten zusammenarbeiten.
Das zweite Gebiet, das wir am heutigen Tage gemeinsam mit der iranischen Regierung gefunden haben, ist jenes der Wasserwirtschaft, der Wasserreinigung und die Anwendung der Technologien zum Betreiben von Wassersystemen. Hierüber sollten Sie soviel wissen, dass wir über Technologien von Weltniveau verfügen. In den Dimensionen sind wir mit den Deutschen und den Franzosen nicht konkurrenzfähig, doch unsere Technologie besitzt das gleiche Weltniveau – wir haben sie von ihnen, denn wir haben die Firma, die das größte ungarische System der Wasserwirtschaft betreibt, von ihnen zurückgekauft – nur sind wir effektiver, billiger und schneller.
Das dritte Gebiet ist die wissensbasierte Wirtschaft. Auf dem wir besonders in der Benutzung informatischer und fernmeldetechnischer Anwendungen hohes Ansehen genießen, sowie unsere auf eine hochgradige Ausbildung basierende Pharma- und Gesundheitsindustrie ist herausragend, und wir verfügen über auch international konkurrenzfähige mittlere und größere Firmen.
Das vierte Gebiet ist die Landwirtschaft. Hier denken wir gar nicht so sehr an den Kauf und Verkauf landwirtschaftlicher Produkte – obwohl mit ihnen zu handeln auch eine gute Sache ist –, sondern in erster Linie an die Möglichkeit, im Rahmen von Joint Ventures oder in der Form hiesiger Investitionen ungarische Landwirtschaftstechnologien anzuwenden. Hierbei auch die veterinärmedizinischen landwirtschaftlichen Technologien mit eingeschlossen.
Und schließlich sind wir darüber übereingekommen, dass wir eine breite Zusammenarbeit im Bereich der Bildung und Ausbildung etablieren, bzw. die bereits vorhandene erweitern. Wir möchten das mitteleuropäische Zentrum der Teheraner Universität in Budapest einrichten. Wir haben hundert, durch den ungarischen Staat finanzierte Stipendien, Universitätsstipendien für iranische Studierende angeboten, und wir werden auch den persischen Sprach- und Literaturunterricht im Rahmen der Universität ELTE in naher Zukunft entwickeln. Damit all dies funktionsfähig ist, haben wir das Abkommen über die Doppelbesteuerung unterzeichnet, und haben auf Regierungsebene ein Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit geschlossen.
Wir haben über die Schaffung unseres Teheraner Außenhandelsbüros entschieden, und sobald – wie wir das hoffen – entsprechend der Vereinbarung die Sanktionen auslaufen, das System der Sanktionen abgebaut wird, wird auch die Finanzierung durch die Eximbank möglich werden. In Ungarn fehlt zur iranisch-ungarischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht das Geld. Wenn es Ideen und wenn es Überlegungen gibt, dann ist die ungarische Eximbank beinahe in unbegrenztem Maße in der Lage, solche Unternehmungen zu finanzieren. Der finanzielle Hintergrund steht zur Verfügung, und der Finanzminister stellt gerne regelmäßig aus dem zentralen Budget Quellen zur Anhebung des Kapitals der Eximbank zur Verfügung. Bis diese Situation nicht eingetreten ist, ermöglichen wir durch eine spezielle Erlaubnis der staatlichen Verwaltung die Finanzierung auf dem Gebiet der Landwirtschaft, der Lebensmittelindustrie und der Pharmaindustrie, das heißt dass wir auf diesen Gebieten bereits jetzt in der Lage sind, unsere Joint Ventures zu finanzieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich glaube, wir haben heute gemeinsam mit den Vertretern Ihrer Regierung eine große Arbeit getan. Ich glaube, dass der Elan, mit dem wir den Neuaufbau unserer Beziehungen begonnen haben, der kulturellen Traditionen der beiden Länder würdig ist, und ich möchte unterstreichen, dass das Geschäft selbstverständlich wichtig ist, und wir alle leben offensichtlich von Geld, doch wir wünschen es uns, dass sich hierüber hinaus auch eine kulturell-geistige Dimension der iranisch-ungarischen Beziehungen eröffnet, dass sie stark sei und unserer geschäftlichen Tätigkeit einen sicheren Hintergrund gebe. Über Ungarn dürfte man hier vermutlich nicht viel wissen, doch soviel lohnt es sich vielleicht über das Geschäft hinaus auch über Ungarn zu wissen, dass wir ein Volk sind, das grundlegend durch seine Kultur bestimmt, durch diese definiert wird. Unsere Sprache und unsere Kultur sind – nachdem wir keine Verwandten in der Welt haben, aus diesem Grunde – singulär, und wir glauben, wenn es uns nicht gäbe, dann würde auch die Menschheit den Schatz verlieren, den unsere Sprache und Kultur darstellen. Und es ist eine große Aufgabe, diese zu erhalten, zu zeigen, zu pflegen, und auch anderen zugänglich zu machen. Ich glaube, dass diese in ihren Dimensionen zwar offensichtlich eine kleinere Aufgabe ist als die der persischen Zivilisation, doch hinsichtlich der auf die Zukunft bezogenen Aufgaben eine überhaupt nicht geringere Aufgabe, bzw. ein Erbe, und ich hoffe ehrlich, dass die iranisch-ungarischen kulturellen Beziehungen ein stabiles Hinterland und ein Gerüst für unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit in der nahen Zukunft darstellen werden.
Hierauf hoffend danke ich dem Herrn Präsidenten, dass er mich hierher eingeladen hat, und den Vertretern der Wirtschaft, sowohl den ungarischen als auch den iranischen Geschäftsleuten wünsche ich viel Erfolg!