20. April 2020
Milán Lukovits: Sehr geehrte Zuhörer! Ich begrüße recht herzlich im Studio von Radio Maria in der Gogol Straße Herrn Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
Guten Tag! Ich begrüße die Zuhörer.
Es ist eine große Ehre, das Sie uns besuchen, und meine erste Frage wäre: In dieser Seuchenlage haben Sie persönlich, als Familienvater, als Großvater und als arbeitender Mensch sicherlich viele Erfahrungen gemacht, so wie die Menschen in einer Krisensituation sicherlich positive und negative Erfahrungen gesammelt haben, können Sie uns eine positive Erfahrung oder Lösung nennen, aus der wir in dieser Situation Kraft schöpfen können bzw. eine Strategie im Ringen mit dieser negativen Erscheinung, die Sie selbst, persönlich, erfahren haben?
Wenn ich über Weisheiten verfügen würde, die ich mit den Zuhörern teilen könnte, dann würde ich sicher einen anderen Beruf ausüben und nicht meinen Verpflichtungen als Ministerpräsident nachkommen. Denn die Arbeit des Ministerpräsidenten unterscheidet von der der anderen Menschen, dass wir hier uns beinahe mit allen Nervenfasern auf das Handeln konzentrieren müssen und es ist uns ausgesprochen untersagt, den Menschen gute Ratschläge zu erteilen, in Hinblick darauf, dass wenn die Politik über eine bestimmte Grenze hinausgeht, dann nehmen das die Menschen in Ungarn mit Misstrauen auf. Sie erwarten von uns also, dass wir uns um die Angelegenheiten kümmern, die Angelegenheiten möglichst gut managen, aber möglichst nicht in ihr Leben hineinreden. Es besteht zwar der Bedarf, Ratschläge anzunehmen, aber diese erwartet man nicht von uns Politikern. Ich bin also sehr vorsichtig in der Hinsicht, wo, wann und welche über meinen Beruf hinausgehende oder sich hinwegerstreckende Ratschläge ich den Wählern mitteile. Auch hier werde ich heute im Gespräch dies auf die möglichst zurückhaltendste Weise versuchen. Jedenfalls habe ich diese Einladung mit Freude angenommen und ich bedanke mich für sie. Jetzt habe ich hier draußen auch meinen einstigen Mitabgeordneten, Tamás Szabó, getroffen, was aus dem Grunde ein angenehmes, ja herzerwärmendes Gefühl war, da ich jetzt gerade von einer Besprechung komme, die einen Text zum Gedenken an das erste Parlament zusammenstellt, das sich 1990 konstituiert hat. Und ich freue mich, dass hinter Radio Maria ein Mensch steht, der über sehr lange, auch im historischen Maßstab wertvolle Erfahrungen darüber verfügt, wie Ungarn in den vergangenen dreißig Jahren dorthin angelangt ist, wo wir heute sind. Also ist dies ein Sender, der für mich nicht über mir schwebt, sondern sehr wohl im Alltagsleben beheimatet ist, denn es bemühen sich Menschen um ihn, die genauso im Strudel des politischen Lebens zu Hause waren wie auch ich es vor dreißig Jahren war. Was meine Beobachtungen angeht, denn ich würde lieber, wenn Sie erlauben, darüber sprechen. Die Arbeit des Ministerpräsidenten erfolgt an zwei Schauplätzen: drin im Amt und zwischen den Menschen. Das Verhältnis zwischen den beiden wird durch die Notwendigkeit und die Situation ausgeformt. Jetzt haben sich die Verhältnisse gewandelt, ich treffe mich jetzt sehr viel mit Menschen. Beinahe so häufig oder manchmal sogar mehr als man es während des Wahlkampfes zu tun pflegt, denn die Vorbereitung auf die medizinische Krisensituation macht sehr viele persönliche Treffen, Konsultationen und Kontrollen notwendig. Deshalb treffe ich zu Hunderten Menschen, die sich außerhalb der klassischen Welt der Politik befinden. Ich treffe Priester, aber am häufigsten Ärzte, Krankenschwestern, Kranke, darunter viele alte Menschen, und ich habe den Eindruck – auch wenn die Nationalcharakterologie ein gefährliches Terrain ist –, dass den Ungarn das Übel – ich behaupte nicht, dass dies auch langfristig so ist, aber kurzfristig – Gutes mit sich bringen würde. Denn es gibt Länder, es gibt Völker, die in der Zeit des Übels ihr schöneres Gesicht zeigen, als sie es in den heitereren Zeiten zu tun pflegen, und ich hege den Verdacht, wir gehören zu diesen Völkern. Sich also mit einem ungarischen Menschen zu unterhalten, wenn uns das Übel umgibt, und sich mit ihm zu unterhalten, wenn um uns herum alles gut geht, das sind zwei ganz unterschiedliche Erlebnisse – ganz gleichgültig, dass es sich um den gleichen Menschen handelt. Und in der Zeit der Not ist das Herz der Ungarn irgendwie offener, verständnisvoller, hilfsbereiter, weniger hochmütig – das ist vielleicht der richtige Ausdruck. Wenn es gut läuft, wenn sie erfolgreich sind, wenn der Wagen schnell dahinrollt, dann sehe ich im Leben der Ungarn die eher schon in Härte umschlagende Variante der Selbstsicherheit, aber wenn die Not uns anhaucht, öffnen sich auf einmal die Herzen leichter. Ich habe sehr viele Erfahrungen mit Ärzten, Krankenschwestern, besonders aber mit alten Menschen, denn wir sollten nicht verleugnen, dass das wirklich große Übel und die wirklich große Gefahr in der gegenwärtigen Situation sie bedroht. Es gibt unter den ungarischen Opfern des Virus keine Menschen, die jünger als 40 Jahre wären, alle liegen darüber, und es sind typischerweise jene über 65 Jahren, die durch die Krankheit fortgerissen werden. Ich habe also an mir selbst beobachtet, dass ich jetzt, wo ich meine Eltern nicht besuchen kann, sie viel häufiger besuchen würde, als ich es ansonsten zu tun pflege. Also dieses Gefühl, sie besuchen zu wollen, dass ich erkenne, es ist nicht richtig, dass ich sie nicht besuche, weshalb ich sie schnell anrufe oder über den Zaun hinweg zu ihnen hineinrufe – je nachdem –, bemächtigt sich meiner auch viel häufiger als in normalen Zeiten. Obwohl wenn die eigenen Eltern sich, sagen wir ihrem achtzigsten Lebensjahr nähern, sagen wir, meine Oma ist gerade in ihrem hundertsten Jahr, dann wäre es richtig, wenn ich jeden Tag hingehen würde. Das fällt mir inmitten unserer normalen Lebensumstände nicht ein, aber in solchen Zeiten fällt es mir jeden Tag ein, wenn ich abends überblicke, untersuche, was ich richtig, und was ich falsch gemacht habe, dann ist im Gegensatz zu früher jetzt jeden Tag hierbei das Gefühl da, „Au, auch heute habe ich sie nicht angerufen, auch heute habe ich nicht nach ihnen gesehen.“ Ich glaube bei der Bestärkung unserer Pflichten als Kinder, in ihrer Erstarkung ist in unser aller Leben jetzt diese gegenwärtige Krisensituation erschienen.
Radio Maria ist ein Gefährte für viele alte Menschen, vor allem für jene, die allein geblieben sind, und auch für alte Ehepaare, für sehr viele Menschen. Unsere Zuhörerschaft ist dem Alter und dem Beruf nach gemischt in ihrer Zusammensetzung, doch in der Einsamkeit der alten Menschen spielt Radio Maria sicher solch eine besondere Rolle. Und dass sich in dieser Zeit die Solidarität zwischen den Generationen verstärkt, darüber freut sich die ältere Generation auf jeden Fall, und so weiß sicherlich auch ein großer Teil unserer Zuhörer es zu schätzen, dass das ganze Land auf sie achtet. Ich würde also fragen wollen – wir beschäftigen uns ja nicht mit Politik, weshalb ich die Fragen eher von einer persönlichen Seite aus stellen würde, aber ich verstehe natürlich, welche Gattungsgrenzen es für Ihre Äußerungen gibt –, also worauf ich eigentlich eingehen möchte, ist, dass wir in dem durchpolitisierten Teil der Presse sehen, ist offensichtlich, wie die leitenden Politiker sich entschlossen mit eindeutigen Anweisungen oder Bitten an die Bevölkerung wenden, was sicherlich wichtig und gut ist, aber wie viele Alternativen wägen sie ab? Wir sehen, dass die europäischen Länder doch auf unterschiedliche Weisen an den Umgang mit der Krise oder an den Umgang mit der Seuchenlage herangegangen sind, also was so in der Presse nicht zu erscheinen pflegt, aber hier, nachdem wir uns auf keinem politischen Terrain befinden, darf man das vielleicht fragen, wie viele Alternativen werden abgewogen oder wie viel Grübeln und Zweifel steckt hinter den selbstbewusst mitgeteilten, entschiedenen Beschlüssen und Bitten, den Anweisungen? Bzw. auch, was für Sie hierbei den Hauptkompass oder den Hauptleitfaden darstellt?
Die Wahrheit ist, dass ich von einem gewissen Standpunkt aus eine beneidenswerte Stelle innehabe, denn mit steht das Privileg zu, mit allen klugen Menschen des Landes in Kontakt treten zu können, wenn die Situation dies erfordert. Und das ist eine großartige Sache. Denn wenn es Probleme gibt oder sich eine schwierige Frage ergibt, dann sucht man automatisch die klügsten Menschen des Landes, und dem ungarischen Ministerpräsidenten öffnen sich die Türen, die Ohren leichter, seine Telefonanrufe werden schneller angenommen als die von anderen. Und mein Motto, mein Schlachtruf – wenn ich derart formulieren darf – lautet: „Du kannst alleine niemals klug genug sein.“ Das ist meiner Ansicht nach das wichtigste Gesetz der Arbeit, die ich verrichte: Alleine kannst du niemals klug genug sein. Du brauchst immer Hilfe, hierbei die seelische Hilfe auch mit inbegriffen, das tägliche Gebet hilft viel, die Selbstprüfung hilft viel, doch stimmt im profanen Sinn auch, dass wenn du dich derart schwierigen Fragen gegenübersiehst, dann darfst du nicht glauben, du könntest alleine auf sie die beste Antwort finden. Deshalb musst du mit denen reden, die viel-viel klüger sind als du, die teilweise Vertreter dieser Frage auf Weltniveau sind, und ich mache das, auch wenn ich nicht jeden Tag dafür Zeit finde, aber mit großer Häufigkeit. Und ich bin immer überrascht, was für ein phantastisches Land das unsere ist und was für eine phantastische Nation die ungarische ist; so viele kluge Menschen an vollkommen unerwarteten Stellen, mit phantastischen Kapazitäten, mit gewaltigen wissenschaftlichen – niemandem bekannten, im Verborgenen verbliebenen, vielleicht den Fachleuten bekannten, aber dem großen Publikum unbekannt gebliebenen – Lebenswerken. Also auch jetzt, wo diese Krise, diese Seuche sich gezeigt hat und Virologen, Forscher, praktische Ärzte, Mathematiker, in statistischer Tendenzberechnung bewanderte hervorragende Menschen gebraucht wurden, konnte ich, ganz gleich wohin ich mich gewandt habe, hier und in Ungarn, mich mit Ungarn unterhaltend, überall die am besten vorbereiteten Geister der Welt treffen. Man muss also sagen, dass besonders in der gegenwärtigen Situation, die primär keine politische, sondern eine medizinische Seuchenlage ist, in der die traditionelle politische Erfahrung und Konvention, über die man verfügt, nicht viel wert ist, hier ist es besonders begründet, dass wir – das ist, was Sie ansprechen – möglichst viel Wissen, viele Menschen, Erfahrungen und Annäherungsweisen in unsere Entscheidungen einbeziehen können. Und ich sage es noch einmal: Als Ungar ist das nicht schwer. Ich habe die Möglichkeit, eine Vielzahl herausragender Köpfe zu treffen. Auch so bekannte Menschen, wie auf der Besprechung heute Früh, von der ich zu Ihnen komme, wo der eine unserer mit dem Széchenyi-Preis ausgezeichneten Professoren sagte, Albert László Barabási – es handelt sich um einen unserer in Amerika lebenden Professoren, der Netzwerke untersucht – habe bereits vor fünf Jahren niedergeschrieben, dass die Entwicklung der Welt in Megapoleis, also dass die Menschheit in solchen Großstädten anwächst, irgendeine Seuche mit sich bringen wird, etwa in diesem Zeitraum. Das ist nur ein Bauchgefühl, sicherlich ist ein großer Teil der Wissenschaft Intuition, nicht nur der Beweis, sondern auch die Ahnung ist wichtig, doch sprachen ungarische Menschen schon vor Jahren darüber, dass etwas Ähnliches geschehen wird. Und jetzt, wo das Übel hier ist, beschäftigen sich sehr viele ungarische Wissenschaftler mit diesen Fragen. Ob es nun Zweifel gibt? Die gibt es immer, aber meiner Ansicht nach kennen Sie diesen Teil der Welt besser als ich, denn solange man nur über sie selbst entscheidet, ist das auch schon nicht einfach, doch solange ist auch der Verantwortungsbereich der, der es ist. Eine schlechte Entscheidung: Du musst die Folgen tragen, mein Freund. Demgegenüber wächst die Verantwortung plötzlich an, wenn man Entscheidungen treffen muss, die auch andere betreffen. Und die Verantwortung ist auch eine Last. Sie motiviert den Menschen auch, zumindest die kompetetiven Typen – mich selbst zähle ich hierher – werden durch die Verantwortung motiviert, doch sie gemahnt gleichzeitig auch zur Vorsicht, denn die Folgen wirst du nicht allein zu tragen haben. Man muss es sich genau überlegen, man kann nicht hastig agieren. Man darf also nicht mit dem Skalpell fuchteln, denn dann wird der Kranke nicht gesunden, sondern verbluten, weshalb vor jeder ernsthafteren Entscheidung die seelische Situation mir bekannt ist, die Sie als Zweifel beschreiben. Was wir natürlich auf profane Weise nicht als Zweifel bezeichnen, sondern als Überlegung und Vorbereitung, doch dahinter finden sich oder zeigen sich immer die Zweifel eines Menschen, wenn wir die Sache genauer untersuchen. Ich habe meinen Anteil daran. Doch besitzen diese eine eigene Schönheit, vor allem wenn man als Ergebnis der Zweifel öfter gute Entscheidungen trifft als schlechte, dann besitzt dies besonders eine eigene Schönheit. Die Last ist nicht immer ein negativer Begriff. Die Menschen würden in ihrem eigenen Leben annehmen, die Last sei ein Wort, das irgendeine negative Konnotation, irgendeinen negativen Zusammenhang erahnen lässt, aber in unserem Metier ist das nicht so. Die Last bedeutet häufig vielmehr Schönheit.
Ja, auch in der Heiligen Schrift gibt es ja einen Satz, laut dem man immer einen weisen Menschen um einen Ratschlag bitten soll, doch dann gibt es jene, denen das nicht gelingt, denn irgendwie treffen wir manchmal die falsche Wahl. Also ist es auf alle Fälle großartig, dass Sie kluge Menschen gefunden haben, die auch gute Ratschläge geben können, und dass es Ihnen gelingt, diese abzuwägen. Ich möchte noch fragen, dass diese Situation, die Seuchensituation, die Ausgangsbeschränkungen offensichtlich für alle auch eine Neuheit bedeuteten, und davon vergingen die ersten Wochen auch für die Durchschnittsmenschen mit der Neuheit. Der digitale Unterricht, das Home-Office, und es kam ja Ostern, alle waren damit beschäftigt, wie das werden würde, ob wir mit unseren Familienmitgliedern zum Schinkenessen zusammenkommen oder unsere Töchter entsprechend des alten Osterbrauchs besprengen oder ob wir in die Kirche gehen, aber das ist vorbei. Und meine Frage lautet eigentlich: Womit rechnen Sie? Ich möchte sie natürlich nicht zu Weissagungen verleiten, sondern mich interessiert, wie wir menschlich oder wie das Land – denn hinsichtlich der internationalen Lage öffnet eine Krise sicher ein neues Kapitel im Leben – hindurchgehen, welche die eventuellen positiven Folgen dann sein werden oder überhaupt wie wird es auf der individuellen menschlichen Ebene und auf der Ebene des Landes aussehen, wie werden wir das also überstehen oder wie werden wir aus dem hervorgehen?
Wenn ich Ihre vorige Frage mit dieser zweiten verbinden darf, dann sage ich Ihnen, der schwierigste oder schmerzhafteste unter meinen Zweifeln war, die größte intellektuelle Herausforderung stellte dar, in solch einer komplizierten, unüberschaubaren Situation das Ziel richtig festzulegen, denn es ist nicht evident, was genau das Ziel ist. Denn wenn sich nur eine Sache in unserem Leben ändert, dann ist es leicht, die Antwort darauf zu finden, was man tun muss, wenn sich aber plötzlich alles verändert, die Wirtschaft, die Organisierung des Lebens, der Unterricht, die medizinische Situation, die Zustände in den Krankenhäusern, wenn sich alles wegbewegt, was ist dann der Fixpunkt, den du dir markierst, welcher Fixpunkt deine Entscheidungen bestimmt? Und hier besaßen die vielen Wissenschaftler, Professoren, die mir dabei halfen, diesen Punkt zu finden, Bedeutung. Und jetzt auf etwas profane Weise formuliert: Es gab ja und gibt auch heute keinerlei Garantie dafür, dass in der Zeit solch einer weltweiten Seuche es gelingt, die Seuche unter Kontrolle zu halten. Das ist ein merkwürdiger Begriff, „eine Seuche unter Kontrolle halten“, denn im Normalfall bedeutet dies ja soviel, dass bevor noch viele Leute krank werden würden, diese Menschen eine Injektion erhalten, die den Impfstoff beinhaltet, der den Krankheitserreger zerstört, und dann haben wir die Seuche hinter uns – aber wir verfügen über keinen Impfstoff. Wir haben es also mit einem Krankheitserreger zu tun, den wir nicht vernichten können. Jedenfalls jetzt können wir ihn noch nicht vernichten. Und dann lautet die Frage: „Worauf sollen wir das Land vorbereiten?“ Und da kann man ein optimistisches und man kann auch ein pessimistisches Szenario aufstellen. Ich habe ein christliches Szenario aufgestellt, ich habe die alte Weisheit hervorgenommen, nach der man das Beste hoffen und sich auf das Schlimmste vorbereiten soll. Und ich hoffe auf das Beste, das heißt dass wir mit den geringsten Verlusten über diesen Zeitraum hinwegkommen, doch bereite ich mich auf das Schlimmste vor. Und das Schlimmste ist nichts anderes, als jene Situation, in der es nicht gelingt, die Verbreitung der Seuche unter Kontrolle zu halten, wir sie also ganz einfach nicht verlangsamen können, und sie unkontrolliert ausbricht. Und wenn das geschieht, was man nicht ausschließen kann, muss man erfassen, wie viele Kranke wir genau haben werden oder in welcher Größenordnung wir Kranke haben werden, und wie vielen von ihnen wird man ein Bett im Krankenhaus geben müssen und wie viele von ihnen werden dann eine intensive Betreuung, also ein Beatmungsgerät benötigen? Und wenn man diese Position eingenommen hat, wenn man sich diesen Leitstern markiert hat, müssen die Handlungen in diese Richtung zeigen, dann muss man die notwendigen mathematischen Berechnungen anstellen und man muss sagen, das Land benötigt so viele tausend Betten, so viele tausend Beatmungsgeräte, so viele tausend Fachärzte, die sich auf die Beatmung verstehen, und so viele tausend Krankenschwestern an den folgenden Punkten des Landes – die man auch physisch festlegen muss. Und danach muss man einen Schlachtplan entwerfen, wie wir all das erreichen sollen. Jetzt erlebe ich meinen Alltag im Rahmen dieser Arbeit. Unser Plan ist, dass das Land bis zum 3. Mai den Zustand, das Niveau des Vorbereitetseins erreicht, auf dem wir sagen können, selbst wenn das Virus unkontrolliert ausbrechen sollte, verfügen wir über so viele Ärzte, so viele Krankenschwestern, so viele Betten, so viele Beatmungsgeräte, dass wir auch in solch einer unerwarteten, aber nicht auszuschließenden Situation einen jeden im Krankenhaus aufnehmen können. Es wird also keinen einzigen unter unseren Landsleuten geben, dem man sagen würde: „Du bist zwar in einem lebensgefährlich schweren, durch das Coronavirus infizierten Zustand, wir können Dir aber trotzdem keinen Platz in unserem Krankenhaus geben, oder wenn wir dies auch noch könnten, so ist für Dich keine Maschine übrig.“ Diese Situation werden wir, wenn wir unsere Arbeit in dem Tempo verrichten wie bisher, ab dem 3. Mai ausschließen können. Und dann werden wir sagen können, das ungarische Gesundheitswesen ist in der Lage, für jeden Ungarn zu sorgen, der einer Betreuung bedarf. Jetzt lebe ich meine Tage hierin. Wenn ich also Ihre Frage, womit ich rechne, als eine kurzfristige Frage deute, dann rechne ich damit, dass es uns gelingt, bis zum 3. Mai dieses Ergebnis zu erreichen. Wenn ich aber jetzt Ihre Frage vorausblickend auffasse, dann kann ich – immer in der Welt des Profanen verbleibend – sagen, dass wir am 3. Mai in der Lage sein werden, auch die Erfahrungen der anderen Länder beachtend einen Plan des Auswegs oder der Rückkehr zu besitzen, den man dann natürlich flexibel wird durchführen müssen, was aber sagt, dass das Land am 3. Mai seine vollständige Fähigkeit zur Selbstverteidigung erlangt haben wird und wir uns ab dem Punkt werden erlauben können, den Versuch zu unternehmen, Schritt für Schritt zu dem gewohnten, dem normalen Gang des Lebens zurückzukehren. Aber darüber werde ich frühestens am 3.-4. Mai sprechen können, nicht früher, aber ich hoffe dann, ausgerüstet mit den Erfahrungen mehrerer Länder einen besonnenen, ruhigen, ernstzunehmenden Plan dem Land vorstellen zu können. Und wenn wir unseren Blick noch um einen Horizont weiter hochwenden, dann ist ja die Frage, wann die Wunden der jetzt einen Lungenschuss erhaltenen ungarischen Wirtschaft verheilen werden, und wann ihre Atmung wieder in Ordnung kommen wird. Hierauf kann ich sagen, dass heute in der Welt und auch in Ungarn verschiedene Schulen hinsichtlich dessen existieren, in welchem Zeitraum die Rückkehr der Wirtschaft zu ihrer früheren Leistung erfolgen wird. Ich gehöre der gemäßigten Strömung an und sehe den Rückgang, der eintreten wird, als einen geringeren an als die meisten, jedoch die Rückkehr als eine langsamere, als die Optimistischsten, ich glaub‘ also, wir werden nächstes Jahr zu dieser Zeit – wenn Gott es zulässt und wir noch leben und wir erneut miteinander sprechen können – dann schon über eine Wirtschaft sprechen können, die in der Lage ist, jene Leistung zu erbringen wie vor zwei Monaten. Und wenn wir unseren Blick noch höher, jetzt schon ganz bis zum Himmel wenden und danach suchen, welche Folgen diese jetzige Situation für unsere menschliche Qualität haben wird, also nicht mehr für unsere Gesundheit, nicht für die Wirtschaft, sondern für unsere seelische, menschliche Qualität, dann muss ich sagen, ich erhoffe mir davon mehr Gutes als es die meisten zu tun pflegen, da es meine Erfahrung ist, dass viele Probleme viel Gutes aus den Menschen hervorbringen. Ich denke nicht, dass sich die Menschen auf einen Schlag verändern und die Folgen der gegenwärtigen Probleme sofort auf ihre Lebensführung beziehen, übersetzen und abbilden werden, solche Illusionen habe ich nicht, doch habe wir ein warnendes Zeichen erhalten. Es ist meiner Ansicht nach noch zu früh, um genau zu verstehen, was mit uns geschehen ist, denn wir haben so viel Arbeit und auch die Zeit ist kurz, wir dürfen noch keine zu tiefgründigen Schlüsse ziehen, aber etwas fühlt man doch, ich sehe, wo das Wasser Wellen hervorbringt. Ich bin der Ansicht, diese ganze Krise war ein sehr wichtiges Zeichen für die Ungarn. Ich spreche jetzt nicht im Namen der anderen Nationen, aber für die Ungarn. Denn was ist geschehen? Was geschah, war dass die Dinge gerade schon gut zu laufen begannen, die Wirtschaft war gerade in Schwung gekommen, die Löhne begannen gerade zu steigen, im Grunde hatte schon ein jeder Arbeit, in der Denkweise aller hatte bereits der wirtschaftliche Aufbau, die wirtschaftliche Erstarkung, der wirtschaftliche Fortschritt beinahe das gesamte Wesen der Menschen gefüllt, da sich vor sehr vielen, vielleicht darf ich sagen: vor mehreren Millionen von Menschen sich Möglichkeiten eröffnet hatten, wie noch niemals zuvor in den vergangenen vierzig Jahren. Und wir haben eine Warnung erhalten, in der es heißt: „Gut, natürlich ist es eine wichtige Sache, dass Ihr gut lebt, aber vergesst dabei nicht, wie man schön lebt.“ Und das gute Leben bringt nicht automatisch das schöne Leben mit sich. Meiner Ansicht nach müssen wir irgendwo hier den Sinn dessen suchen, was wir jetzt durchleben. Eine Warnung an die Ungarn, nutzt die Möglichkeiten, werdet wohlhabender, habt einen Arbeitsplatz, vielleicht auch mehr und ein neues Auto, das ist in Ordnung, das ist alles wichtig, denn wir sind ja alle nur Menschen, aber vergesst nicht, dass dies an sich noch kein erhabenes und schönes Leben mit sich bringt. Dazu müsst Ihr persönliche Anstrengungen unternehmen, wenn Ihr für euch auch ein schönes Leben wollt. Bestimmte Dinge dürft Ihr nicht vergessen, zum Beispiel einander. Jene Menschen, mit denen Ihr jetzt zu Hause zusammengeschlossen seid, und Euer Leben wird nur dann schön sein, wenn Ihr auch mit diesen Menschen schön zusammenleben könnt. Und hierbei wird das Geld nicht helfen. Irgendwo hier werden wir, so glaube ich, die Lösung, den Sinn all dessen suchen, was jetzt mit uns geschieht. Vielleicht bin ich etwas vorausgeeilt und das ist noch verfrüht, aber es ist wichtig, den Hörern anzudeuten, dass während wir uns noch mit der Flut abmühen, es zugleich wichtig ist, dass unser Blick auch den Lauf der Sterne verfolgt.
Ja, ich glaube auch, dass es für unsere Hörer oder überhaupt, nicht für unsere Hörer, sondern für alle Menschen ein Albtraum ist, dass – Gott behüte – es einem seiner Lieben oder mit ihm selbst geschieht, dass die Ärzte wählen müssen, ob sie ihn nun heilen oder nicht. Und ich bin davon überzeugt, die Zuhörer wissen Ihr Wertesystem sehr hoch zu schätzen und den Umstand, dass das ganze Land und das ungarische Gesundheitswesen sich darauf vorbereiten, damit solche Situationen nicht entstehen. Und ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie die Unterscheidung zwischen dem guten Leben und dem schönen Leben hier, im Studio von Radio Maria vorgenommen haben. Ich danke Ihnen für das Gespräch und dafür, dass Sie hierher zu uns gekommen sind. Und da Sie schon erwähnt haben, dass Sie sehr viele Menschen treffen, dann denke ich, ich spreche im Namen aller unserer Zuhörer, wenn ich Ihnen gute Gesundheit, virusfreie vor uns stehende Wochen und Monate, viel Ausdauer und viel Weisheit wünsche.
Vielen Dank!
Ich danke Ihnen, dass Sie zu uns gekommen sind.
Danke, dass ich hier sein durfte. Ich danke auch für die aufmunternden Worte. Auch den Hörern von Radio Maria möchte ich dafür danken, dass sie meine Arbeit mit Aufmerksamkeit verfolgen, und ich danke für die Ermunterungen und auch die vielen Gebete, die sie – wie ich das weiß – im Interesse meiner Arbeit und auch für mich zu sprechen pflegen. Ich bin dafür dankbar, ich versuche, die Dankbarkeit zu zeigen. Gott vergelt‘s!
Wir danken recht herzlich. Sehr geehrte Zuhörer! Wir bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit! Zu Gast bei Radio Maria war Herr Ministerpräsident Viktor Orbán.