10. April 2020

Katalin Nagy: Gestern am späten Nachmittag hat der Ministerpräsident angekündigt, dass die Ausgangsbeschränkungen aufrechterhalten bleiben. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán! Warum haben Sie so lange mit der Entscheidung gewartet? Letzte Woche hieß es, möglicherweise würden diese bereits am Mittwoch, nach der Regierungssitzung getroffen werden.

Ich wünsche den Zuhörern einen guten Morgen! Beim Krisenmanagement ist der Inhalt der Entscheidungen wichtig, aber genauso wichtig ist es zumindest auch, den richtigen Zeitpunkt zu treffen, und zum richtigen Zeitpunkt eine Entscheidung zu treffen bedeutet, im Besitz aller Informationen zu sein, die zur Entscheidung notwendig sind. Diese zu sammeln ist eine Aufgabe, und andererseits muss, wenn sich die Situation schnell verändert – sagen wir von einem Tag auf den anderen –, dann muss man im gegebenen Zeitpunkt, im richtigen Moment die Entscheidung treffen. Und da wir jetzt von der gruppenweisen Erkrankung in die Richtung der massenweisen Erkrankungen, der massenweisen Ansteckungen schreiten, habe ich abgewartet, ob man eventuell strengere Maßnahmen treffen muss. Ich hatte also gedacht, am Donnerstag würden wir die Lage klarer sehen, eigentlich hätte es heute, am Freitag sein müssen, einen Tag vor dem Ablauf, denn am Samstag läuft die Frist dieser früheren Entscheidung ab, da wir aber Ostern und heute einen arbeitsfreien Tag haben, konnte ich nicht den Freitag abwarten, deshalb wurde die Entscheidung am Donnerstag gefällt. Am liebsten hätte ich noch gewartet, denn ich hatte das Gefühl, wenn sich die Lage verschlimmern würde, hätte man strenger reagieren müssen. Und das, was ich zum Beispiel hier in Budapest im Umfeld der Altenheime sehe, hat diese Vorsicht auch begründet, und dann haben wir ja schließlich nichts strenger gestaltet, sondern alles aufrechterhalten, doch sehen wir, wie unterschiedlich die Situation in den verschiedenen Siedlungen ist, sagen wir in Taktaharkány und in Tihany, und, sagen wir, auf der Margareten-Insel, um drei Beispiele zu erwähnen, es herrschen ganz unterschiedliche Zustände. Man kann diese Vorschriften nicht mit einer landesweiten Entscheidung regulieren oder strenger gestalten, deshalb haben wir beschlossen, die strengen Ausgangsbeschränkungen aufrechtzuerhalten, jedoch den Bürgermeistern die Möglichkeit zu geben, auf die Weise und dort, wo dies vor Ort begründet ist, weitere strengere Maßnahmen einzuführen. Dies erschien am Donnerstag als logisch. Folgerichtig haben wir, nachdem wir all dies eingesehen hatten, uns dahingehend entschieden, die Frist der allgemeinen landesweiten Ausgangsbeschränkung nicht vorzuschreiben, sondern sie auf unbestimmte Zeit aufrechtzuerhalten, wir werden sie jede Woche bewerten und wir werden jede Woche darüber entscheiden, ob wir sie aufrechterhalten, strenger gestalten oder lockern.

Ja, wir haben zwar nicht damit gerechnet, dass diese Beschränkungen gelockert werden, aber es wäre doch durchaus möglich gewesen, dass diese Restriktionen in eine strengere Richtung verändert worden wären, schon aus dem Grund, da es gestern hier im Altersheim in der Pesti Straße 150 Infizierte gab, und jene, die erwiesenermaßen angesteckt worden sind, hat man auch schon in Krankenhaus weggebracht.

Ja, aber , sagen wir in einer Siedlung auf dem Lande mit 300 Einwohnern gibt es das Problem nicht, also ist auch das ein berechtigter Anspruch – so etwas höre ich auch –, wenn ich kontrolliere, im Land hin und her komme und gehe, dass: „So etwas gibt es ja bei uns nicht, und es ist schon wegen des ländlichen Lebensstils nicht häufig, dass wir in großen Massen zusammenkämen, denn es gibt solche Massen nicht, ja es leben ja gar nicht so viele Menschen auf dem Dorf. Hier könnten die Regeln doch einsichtiger oder vorteilhafter sein.“ Viele Bedürfnisse sind gleichzeitig vorhanden. Ich bin der Ansicht, es soll eine allgemeine landesweite Disziplin geben, eine Strenge, wenn ich es so formulieren darf, obwohl es mir als einem ewigen rebellierenden Studenten nicht leicht fällt, solche Wörter auszusprechen, aber das soll es geben, und vor Ort sollen sie dann selbst darüber entscheiden dürfen, ob sie strenger vorgehen wollen. Ob man nun lockern dürfte oder nicht – schauen Sie, sicher ist, dass in der gegenwärtigen Situation unsere stärkste Waffe auch weiterhin die Disziplin – oder ich würde lieber sagen: – die Selbstbeherrschung ist. Wenn wir in der Lage sind hinsichtlich der – wie man das jetzt sagt – Kontakte eine ausreichende Distanz einzuhalten, dann funktioniert diese Waffe, und im Fall der Alten ist es besonders wichtig, dass diese Waffe funktioniert. Aber ich sehe, dass andere Länder schon daraus hervorgehen zu wollen scheinen, als würden sie am Ende des Tunnels das Licht sehen. Ich sehe es hier, in Ungarn, noch nicht, aber wir sind jetzt in einer glücklichen Lage, dass wir ein großes Laboratorium haben, es heißt Österreich. Sie liegen näher zu Italien, dort kam die Seuche auch früher an, deshalb geschieht dort alles das früher, was dann in Ungarn geschieht; wenn sie dort eine Entscheidung treffen, dann treffen sie sie früher als wir, sie sehen deren Wirkung, und wir können hier bereits im Lichte dessen und auf Grund der Erfahrung hier in Ungarn eine Entscheidung treffen, ob es dort sich bewährt hat oder nicht, was sie gemacht haben. Deshalb lasse ich Süddeutschland, Bayern, aber vor allem Österreich durch eine gesonderte Gruppe beobachten, so wie ein Laboratorium: Schauen wir uns an, was sich bei den Österreichern bewährt hat und was nicht, und erst wenn wir diese Dinge ausgewertet haben, darf man meiner Meinung nach in Ungarn ähnliche Maßnahmen treffen.

Sie haben gestern ohne Voranmeldung das Sankt Johann Spital besucht. Welche Erfahrung haben Sie gemacht?

Ich gehe jeden Tag. Ich befinde mich jeden Tag auf so einer Krankenhausbesuchsrundfahrt, ich möchte später auch zwei-drei pro Tag besuchen, wenn es meine übrige Arbeit zulässt. Doch war ich in Sátoraljaújhely, dann war ich im Korányi Krankenhaus, dann war ich im Sankt Johann Spital, und dann war ich auch noch anderswo, und auch heute, wenn ich hier aufstehe, werde ich in ein Krankenhaus gehen.

Ist das notwendig, dass der Ministerpräsident jedes Krankenhaus besucht?

Vielleicht nicht, oder ich hoffe, es ist nicht nötig, aber mein Instinkt sagt mir, ich sollte es trotzdem tun. Also der gesunde Menschenverstand sagt, es gibt einen Krankenhausdirektor, es gibt einen Krankenhauskommandanten, dann gibt es einen Staatssekretär, der sich mit dem Gesundheitswesen beschäftigt, es gibt auch einen Minister, und dann gibt es auch den Kommandanten des Operativen Stabes. Also in Wirklichkeit habe ich dort, nüchtern betrachtet, vielleicht auch nichts verloren, doch mein Instinkt sagt mir, man muss trotzdem hingehen, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn ich eine Antwort auf die einfache Frage erhalten möchte, wenn es denn genau um die auf eine intensive Pflege angewiesenen Menschen in großer Not geht, die man in die Krankenhäuser bringen muss, an die Beatmungsgeräte anschließen muss, und ich frage, wie viele Betten es gibt, wie viele Beatmungsgeräte es gibt, wie viele von ihnen sind funktionstüchtig, wie viele haben sie ausprobiert, gibt es dort ausreichend Ärzte und Schwestern und wenn sich diese anstecken (denn so etwa 20 Prozent von ihnen werden das – das zeigt die internationale Erfahrung –), wer tritt dann an ihre Stelle, dann sehe ich, dass es noch immer Unsicherheiten hinsichtlich der Zahlen gibt.

Und welche Erfahrung machen Sie?

Ich arbeite jetzt so, dass ich den Verteidigungsminister um zwei Offiziere gebeten habe, mit denen ich jetzt derartige Kontrollarbeiten durchführe. Sie bereiten diese Besuche vor, im Allgemeinen weiß niemand über sie Bescheid, das wird auch heute früh so sein. Der eine von ihnen kommt mit mir, und dann zählen wir nach, was da ist, wie viel von was da ist, wie die Lage ist. Es ist keine derart unmögliche Sache, alle zu kontrollieren, denn wenn das größte Übel – das theoretisch größte Übel eintreten kann – in Ungarn, wenn also die Infektionen massenweise vorhanden sein werden (worüber zwar ein jeder hofft, dass wir dies vermeiden können, das sehe ich überall, wo ich hinkomme, „es könnte an uns vorbeigehen“, das denken alle, aber ich sehe, dass dies bisher noch an niemandem vorbeigegangen ist, das ist also bisher überall eingetreten, es lohnt sich also sich darauf vorzubereiten, die Vorbereitungen müssen durch diese Brille betrachtet und getroffen werden), wenn wir also dann unter der großen Belastung sein werden, dann können siebentausendfünfhundert-achttausend intensive Krankenhausbetten und Beatmungsgeräte notwendig werden, mit denen wir die Alten – denn am ehesten geht es ja um sie – versorgen und Leben retten können. In normalen, in Friedenszeiten gibt es in Ungarn etwa zweitausend Beatmungsgeräte, Anästhesiegeräte – denn diese sind hierzu geeignet, diese müssen wir auf achttausend aufstocken, und nicht nur die Zahl der Geräte, sondern auch die der diese bedienen könnenden Ärzte und Schwestern. Deshalb haben wir jetzt auch ein zusätzliches Programm, wir bilden die Assistenzärzte, also die bereits über einen Abschluss verfügenden Medizinstudenten fortlaufend aus, damit sie sich selbst dann an so ein Bett stellen können, wenn dies im Übrigen an der Universität nicht die spezialisierte Ausbildung war, die sie erhalten haben. Dieser Prozess schreitet voran, wir haben noch Zeit. Ich betrachte die Verteidigung bisher insofern als erfolgreich, als dass wir die Verbreitung der Seuche verlangsamt und dadurch Zeit gewonnen haben. Ich messe den Erfolg also nicht so, dass an uns das vorbeigehen wird, was an anderen nicht vorbeiging, dass nämlich die Infektion eine massenhafte geworden ist, sondern in welchem Tempo diese Infektion sich vollzieht, und ob das medizinische Versorgungssystem vorbereitet ist, ob unsere Ärzte, Schwestern und unsere Bestände darauf vorbereitet sind, was dann kommen wird. Wir haben Zeit gewonnen, also haben wir uns gut geschützt, aber die große Probe, der wirkliche Test steht uns noch bevor. Ich sage es noch einmal: Ich sehe es, ich unterhalte mich mit sehr vielen Menschen im Land, ein jeder hofft, vielleicht könnten jetzt einmal die Ungarn – auch ein Arzt hat dies gesagt – Glück haben und es wird an uns vorübergehen, doch wenn alle in irgendetwas hineingeraten, dann kann man zwar hoffen, wir würden nicht hineingeraten, aber man muss sich darauf vorbereiten, dass mit uns auch das geschieht wie mit den anderen, und dann wollen wir nicht, dass in unseren Krankenhäusern spanische oder italienische oder was weiß ich für welche Zustände sein sollen. Dort möchten wir also Geordnetheit, ein diszipliniertes, sicheres, durchdachtes Wirken sehen. Und der Schlüssel dafür ist die Vorbereitung, wie im Sport: Willst du im Spiel eine gute Leistung bringen, musst du auch im Trainingslager ordentlich arbeiten. Jetzt befinden wir uns in diesem Zeitraum, und ich möchte dies sehen, wenn ich das Land bereise, und ich möchte die Menschen ermuntern. Jetzt kann es sein, dass sich nicht jeder über den Ministerpräsidenten freut, da nicht jeder sein Herz im politischen Sinne am rechten Fleck trägt, doch sind wir jetzt ja letztlich doch in einem Übel gefangen und in solchen Zeiten muss man einander vertrauen und muss man einander motivieren sowie begeistern. Und man versucht dies, so wie das möglich ist, zu tun.

Sie sagten, Sie formulierten, um diesen Prozess verlangsamen zu können, und bisher ist dies vielleicht auch gelungen, dazu sind Disziplin und Selbstbeherrschung sehr wichtig, doch haben wir jetzt ein Fest, jetzt ist Ostern. Das ist sehr schwierig, dass man nicht weggehen kann, man kann nicht zu den Familienmitgliedern, den Verwandten reisen, man kann nicht zusammenkommen und sich unterhalten, doch vom Gesichtspunkt der Seele aus muss man doch irgendeine Lösung finden.

Das ist eine sehr schwierige Sache, besonders im Fall der Alten. Jetzt gehöre ich zwar noch nicht zu den Staatsbürgern im am meisten vorgerückten Alter, ich würde mich also nicht als ein Methusalem bezeichnen, aber auch mir geht es so damit, dass ich mir die Frage stelle: Wofür lebt man schließlich? Man lebt, um die eigenen Kinder zu sehen, und die Familie zu treffen, nicht wahr? Jetzt pflegt man in meinem Alter oder bei älteren Leuten als ich es bin keine großen Ambitionen abzustecken, was man noch im Leben sein möchte, sondern wir möchten glücklich und möglichst mit unseren Kindern auf eine heitere Weise leben, uns mit ihnen möglichst häufig treffen, natürlich so, dass wir uns gegenseitig nicht zur Last fallen, aber trotzdem ist das irgendwie die wahre Freude: die Enkel, die Kinder. Hinzu kommt noch, dass Ostern dafür auch noch ein herausragender Moment ist, denn da pflegen ja alle zusammenzukommen, da kann man jeden treffen, das ist eine besondere Freude in der Welt der ungarischen Gebräuche, und das gibt es jetzt nicht. Man muss hierauf verzichten, und ich kann den Menschen außer dem nichts Ermunterndes sagen, als dass wir versuchen sollten zu akzeptieren, dass dieses Osterfest anders sein wird als sonst unsere Osterfeste zu sein pflegen.

Über den Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft sagt die Opposition, er sei zu wenig und wäre zu spät gekommen, die linksliberalen Wirtschaftswissenschaftler formulieren dahingehend, die ungarische Regierung würde diese Situation missverstehen, denn die Lage ist nicht die gleiche wie sie 2008 war. Zugleich ist interessant, dass zum Beispiel Londoner Finanzanalysten, die Analysten von Morgan Stanley schreiben, bei der Untersuchung der Region haben sie den Eindruck, die ungarischen wirtschaftlichen und monetären Maßnahmen können den wirtschaftlichen Schock erfolgreich verlangsamen bzw. ausgleichen, und sie haben den Eindruck, in der Region werde Ungarn das erste Land sein, dass dann 2021 erneut wird starten können. Das ist äußerst interessant, dass in der Wirtschaftsphilosophie und in der Auffassung die Unterschiede so groß sind.

Mag es so kommen, wie es die Londoner sagen. Obwohl meine Generation damit aufgewachsen ist, dass in den Nachrichten immer jene rätselhaften sowjetischen Wissenschaftler vorkamen, und jetzt in der modernen Welt kommen diese geheimnisvollen Londoner Analysten vor, so dass man doch misstrauisch ist.

Sollen wir vorsichtig damit umgehen?

Ja, aber schauen wir doch, zunächst einmal gibt es die Opposition, und mein Respekt gebührt – soweit dies möglich ist, natürlich – der Opposition, und ich sehe auch, sie haben in der Zeit der Seuche nicht sehr viel anderes im Kopf, als wie man die Regierung schwächen könnte und wie sie an die Regierung gelangen könnten, was eine schöne Ambition darstellt, aber vorerst sind sie nicht einmal in der Lage, ein Altersheim zu betreiben. Ich würde also vorschlagen, man müsste sich damit beschäftigen, und man müsste dort experimentieren, wo sie Verantwortung tragen, sagen wir als Bürgermeister. Was die Philosophie des Krisenmanagements angeht, so ist das ja schon eine alte Diskussion, denn die Menschen haben dies in Ungarn auch 2010 schon erlebt. Die linken, die früheren Wirtschaftsphilosophien und Methoden des Krisenmanagements haben, immer wenn so ein Übel eintrat, immer zu den Restriktionen gegriffen. Ihr Rezept war also: „Wir brauchen Geld, nehmen wir es von den Rentnern.“ Sie haben die 13. Monatsrente weggenommen. „Nehmen wir es von den im öffentlichen Dienst Angestellten.“ Sie haben den 13. Monatslohn weggenommen. „Nehmen wir es von den Familien, weil Geld nötig ist.“ Sie haben also im Rahmen von Restriktionen und der Wegnahme von Geld gedacht. 2010, als wir die Ermächtigung zum Krisenmanagement erhalten hatten, sind wir in die entgegengesetzte Richtung losgegangen, wir hatten eine andere Logik, wir wollten das Geld nicht von jemandem wegnehmen, um es dann als Hilfe jemand anderem zu geben, sondern wir sagten: „Leute, wenn wir allen Arbeitsmöglichkeiten schaffen können und Sie bereit sind, zu arbeiten, dann wird am Ende die gesamte Wirtschaft aus der Krisensituation hervorgehen.“ Im Mittelpunkt unseres Denkens standen die Arbeitsplätze und die Arbeit, und das ist auch jetzt nicht anders. Ich sage es überall, das Hauptziel ist, wir müssen so viele Arbeitsplätze schaffen, wie das Virus vernichtet. Das ist die Leitlinie des Krisenmanagements, wir haben die Maßnahmen dem zugeordnet. Ich möchte also nicht, dass wir zu dem Zeitraum zurückkehren, in der die Wirtschaft auf Hilfen basierte und Verschuldung vorherrschte. Zwei große Dinge haben die Ungarn in den vergangenen zehn Jahren erreicht. Das erste war, dass wir die finanzielle Ausgeliefertheit und die Abhängigkeit beendet haben, und die andere, dass ein jeder Arbeit erhalten hat, und der Wert der Arbeit von Jahr zu Jahr zunahm, denn die Löhne stiegen. Das war unser Ziel, in so einem Land zu leben: Es steht auf eigenen Beinen, hängt finanziell von niemandem ab, die Spekulanten können uns nicht ausnutzen, zugleich haben wir Arbeit, die Selbstachtung gibt, und der Sinn unserer Arbeit entfaltet sich von Tag zu Tag, sie wird stärker und wächst. Das war unser Ziel und dieses Ziel darf man auch dann nicht aufgeben, wenn die europäische Wirtschaft gerade in eine Krise geraten ist. Wir müssen uns also auf die Weise über die kurzfristigen Schwierigkeiten hinweg erheben, dass wir dabei unsere ursprünglichen Ziele nicht aufgeben müssen. Das ist der philosophische Unterschied zwischen den verschiedenen Wirtschaftswissenschaftlern und der Regierung bzw. zwischen den Wirtschaftspolitikern der Opposition und den Wirtschaftspolitikern der Regierung, doch ich bestehe darauf, dass wir jenen Weg weiter beschreiten, wozu uns die Menschen nach 2010 noch einige Mal die Ermächtigung gegeben haben. Ich habe also das Gefühl, dass jene Methode des Krisenmanagements, die wir verfolgen, über eine im Rahmen von großen Wahlen bekundete Unterstützung verfügt, wir sind ermächtigt, wir müssen dies tun, wir müssen auf dieser Route die Lösungen finden. Das wird gehen. Wir haben also einen Plan, das ist ein großer Plan, vielleicht gab es in der ungarischen Wirtschaftsgeschichte noch nie einen so großen, er beinhaltet viele hundert Maßnahmen, diese stellen wir Tag für Tag vor. Und ich bin mir darin sicher, dass dieser Plan – schließlich bin ich ja Ministerpräsident, damit ich daran glaube, was ich tue – funktionieren wird. Er wird die Probleme lösen, er wird die Arbeitsplätze zurückgeben, dieser Plan wird die ungarische Wirtschaft erneut auf eine Wachstumsbahn setzen, und nach einigen Monaten – ich hoffe, mit der nötigen Bescheidenheit, denn ich hoffe, es wird etwas geben, woraus man bescheiden sein kann – werde ich sagen können: „Nun, sehen Sie, dieser Plan hat funktioniert.“ Jetzt kann ich nur sagen: Glauben Sie mir, er wird funktionieren.

In den Seuchenschutzfonds haben Sie die Banken um 55 Milliarden gebeten, und die kommunalen Selbstverwaltungen um 34 Milliarden. Interessanterweise haben die Banken nicht protestiert, und von den Selbstverwaltungen sagten auch eher nur jene, diese Bitte würde ihre Tätigkeit unmöglich machen, die unter oppositioneller Führung stehen, obwohl sich dies ziemlich interessant anhört, denn zwischen 2011 und 2014 hat die ungarische Regierung 1.300 Milliarden Forint an Schulden von den kommunalen Selbstverwaltungen übernommen, also sind diese 34, um die sie bittet, offensichtlich nicht für sie selbst, sondern für das Land gedacht. Jetzt darf man im Fall der Banken vielleicht nicht um zu viel Geld bitten, denn ihre Arbeit wird notwendig sein, wenn dann die Wirtschaft startet, damit sie Kredite gewähren. Oder kann hierbei auch die Notenbank helfen?

Es ist eine alte Geschichte in der Kriminologie, nach der man Al Capone gefragt habe, warum er die Bank ausgeraubt hat, und er sagte, weil das Geld dort ist, doch ist diese Logik meiner Ansicht nach in der Wirtschaftspolitik keine zielführende. Obwohl die Opposition und vielleicht auch noch ein Teil der Menschen gerne denken, Geld sei in unbeschränkter Menge vorhanden, das man von dort ungestraft forttragen kann, ist die Wirklichkeit doch jene, dass man bei Sinnen sein muss, denn wenn die Banken nicht funktionieren, wenn wir sie so belasten, dass sie Funktionsstörungen haben werden, dann wird auch die Versorgung der Wirtschaft mit Geld nicht funktionieren, die Ersparnisse der Menschen, die in den Banken sind, werden ihren Wert verlieren, ja die Ersparnisse selbst können verlorengehen, bzw. die Unternehmen kommen an keine Kredite, mit deren Hilfe sie Investitionen vornehmen und auf diese Weise Arbeit geben, Arbeitsplätze schaffen und auf diese Weise den Menschen Arbeit geben könnten. Mit dem Bemessen der Lasten muss man vorsichtig sein. Das ist eine Regierungswissenschaft, wenn ich das so nennen darf, das Maß zu finden, das ein einer Steuer unterworfenes Subjekt, sagen wir eine Bank oder eine multinationale Firma, noch aushält, doch zugleich sollten wir so viel, wie das Land in der außerordentlichen Lage benötigt, aber wegnehmen. Deshalb ist es immer besser, eine Vereinbarung zu treffen oder zu verhandeln, und danach die Entscheidungen zu treffen. Doch ist das kein Weg, der noch nicht begangen worden wäre, denn auch 2010 haben wir gesagt: „Leute, hier ist eine große europäische Wirtschaftskrise, das ist jetzt die Situation. Ein jeder muss eben davon etwas auf sich nehmen. Wenn nur die Menschen die Lasten auf sich nehmen, und die Banken, die multinationalen Firmen, die kommunalen Selbstverwaltungen und die Partei nichts auf sich nehmen, dann wird es am Ende beschränkende Maßnahmen geben, und die Zeche für diese ganze Situation werden die Menschen zahlen, und sie werden allein die Lasten des Krisenmanagements tragen. Doch sind die Banken, die Multis, die Parteien, die kommunalen Selbstverwaltungen genauso ein Teil des Lebens wie die Staatsbürger. Also soll ein jeder etwas übernehmen!“ Es kann nicht jeder genauso viel auf sich nehmen, da sie sich ja in unterschiedlichen Lagen befinden, wir in unterschiedlicher Lage sind, aber irgendetwas soll ein jeder auf sich nehmen, die kommunalen Selbstverwaltungen und auch die Parteien mit inbegriffen. Es ist im Übrigen keine so große Summe, was man aus der Halbierung der Parteienunterstützung in den Seuchenschutzfonds tun konnte, doch ich halte es für wichtig, dass auch die politischen Organisationen des Landes ihre Wirtschaftsführung auf die Weise umorganisieren, wie auch die kommunalen Selbstverwaltungen ihre Wirtschaftsführung umorganisieren müssen, die Regierung muss das auch tun, denn die Regierung hat doch mehr als 300 Milliarden Forint in diesen Fonds hineingetan. Auch die Banken müssen sich in ihrem Verhalten ändern, auch die Multis müssen sich ändern, also ein jeder soll etwas übernehmen, und wenn ein jeder etwas übernimmt, stärken wir uns damit auch gegenseitig, und am Ende dieses Planes, über den ich rede, werden die finanziellen Grundlagen vorhanden sein und es wird erneut das geschehen, was nach 2010 passiert ist. Denn auch damals, als wir die Bankensteuer und die Multisteuer einführten – wenn Sie sich noch daran erinnern –, gab es ein großes Geschrei und Proteste. Was ist am Ende daraus geworden? Zwei-drei Jahre später haben wir bereits darüber gesprochen, dass es sich für die Multis und auch die Banken die Teilnahme an den allgemeinen Lasten gelohnt hat, denn die Wirtschaft kam in Schwung, erlebte einen Aufschwung, startete. Jetzt wird es das gleiche geben, nur wird man keine Jahre warten müssen, denn auf Grund meines optimistischen Drehbuchs wird die Wirtschaft innerhalb weniger Monate auf den geraden Pfad zurückfinden. Darüber gibt es natürlich Diskussionen, am optimistischsten in der Angelegenheit ist wie immer die Notenbank, ich würde mich vielleicht nicht zu dem steigern, was sie sagen, dass vielleicht sogar ein Wachstum von 2-3 Prozent im Laufe des Jahres möglich sein könnte, doch halte ich jenen Rückfall in dem gewaltigen Umfang für nicht unvermeidlich, über den die Wirtschaftswissenschaftler im Allgemeinen zu visionieren pflegten. Ich würde mich lieber auf die aus sowjetischen Wissenschaftlern zu Londoner Finanzanalysten gewordenen Leute stützen, die sagen, Ungarn besitze die Chance, aus dieser ganzen Sache gut herauszukommen, es sei nur ein guter Plan notwendig und den müsse man gut durchführen.

Aber Sie bestehen darauf, dass das Haushaltsdefizit nicht über 3 Prozent steigen soll, dabei könnte man es loslassen, auch Brüssel hat es erlaubt.

Ja, aber das wird einen hohen Preis haben, und später wird man jene meiner Ansicht nach auch hängen, dies das jetzt machen, ich bin überzeugt davon, dass sie kein Glück damit haben werden. Wer also jetzt in dieser Situation die Möglichkeit unbegrenzt nutzt, sich zu verschulden, weil „Haushaltsdefizit“ ein in einem Rotwelsch ausgedrückter Fachjargon oder Fachausdruck ist, aber im Klartext so viel bedeutet wie „sich verschulden“. Wer sich meiner Ansicht nach jetzt unbegründet oder in zu großen Schritten zu verschulden beginnt, der wird sich in einigen Monaten, wenn wir die ersten großen Wellen der Krise hinter uns haben werden, aufgehängt wiederfinden, die Kreditgeber und die Spekulanten werden sie am Draht hin- und herzerren. Man darf die Spekulanten nicht unterschätzen, der Spekulant spekuliert, könnte ich sagen, das ist seine Arbeit, er sitzt und beobachtet, wer in eine verwundbare Lage gerät, und wen er als jemand betrachtet, der in eine verwundbare Lage geraten ist, zum Beispiel verschuldet ist, Raten zahlen muss, der ist ausgeliefert und wird von ihm angegriffen, er trickst dann sein Geld schon heraus.

Es wird auch der angegriffen, der in keiner so schlechten Lage ist.

Ja, aber wer in keiner so schlechten Lage ist und angegriffen wird, bei dem werden sie Pech haben, denn wer in keiner so schlechten Lage ist, der wird sie – so wie wir das in unserer Kindheit vom Fahrrad aus mit den Hunden gemacht haben – irgendwie zur Seite treiben, wir haben also dann die Chance, uns zu verteidigen. Wenn wir auf einem guten Fahrrad sitzen und schnell genug sind. Aber wenn wir kein Rad am Fahrrad haben und verschuldet sind, dann kommen die Hunde, dann gibt es Probleme. Deshalb sage ich, man darf unsere finanziellen Verteidigungsfähigkeiten nicht auf die Weise schwächen, dass wir uns im Fall eines Spekulationsangriffs nicht wehren können. Das ist jetzt wieder eine Regierungswissenschaft, wie man das Maß der Schulden genau festlegen muss, die noch Geld, Quellen in die Wirtschaft bringen, uns aber nicht ausliefert, uns gegenüber Angriffen nicht ungeschützt sein lässt. Dieser Plan, über den ich jetzt spreche, das ist der Aktionsplan zum Schutz der Wirtschaft, der dieses Niveau eingestellt hat. Und wir sagen, man darf auch unter solchen Bedingungen nicht über 3 Prozent gehen, sonst werden wir am Ende bitterlich den Preis dafür bezahlen. Deshalb muss man das Defizit unter einem bestimmten Niveau halten, dieses haben wir jetzt mit 2,7 Prozent bestimmt, die 3 ist für mich die rote Linie.

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident! Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.