17. Januar 2020
Katalin Nagy: „Österreich ist ein natürlicher Partner Ungarns” – sagte Viktor Orbán nach dem Gipfeltreffen in Prag, dem Treffen der V4, dessen wichtigste Feststellung die Fixierung dessen war, welche jene Gebiete sind, auf denen die V4 und Österreich übereinstimmen, und was die eine Sache ist, in der sie das nicht tun. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán. Demnach kann sich die Interessenvertretung der V4 auf diesen Gebieten verstärken?
Ich begrüße recht herzlich die Hörer, guten Morgen. Ihr Satz ist ein optimistischer, aber wir können auch so formulieren. Ich habe das Treffen mit Spannung erwartet. Die österreichische Regierung ist ja nicht auf irgendeine Weise vor einem halben Jahr auseinandergenommen worden. Dort hat es ja eine rechte Regierung gegeben, die aus der zur Europäischen Volkspartei gehörenden, von Bundeskanzler Kurz geführten ÖVP und einer von ihr rechts stehenden Partei, der FPÖ bestand. So eine Koalition gibt es sonst nirgendwo in Europa. Ich halte im Übrigen dies für die Zukunft, dass also die europäische Mitte und Rechte auf christlicher Grundlage mit den rechts von ihr stehenden Parteien eine Zusammenarbeit zu etablieren versuchen sollte. Ich hatte Österreich für die erste Schwalbe gehalten, doch dann hat man dort mit einer nachrichtendienstlichen Aktion die Koalition praktisch auseinandergebombt und die führende Person der kleineren Koalitionspartei gejagt und erlegt. Deshalb gab es Neuwahlen in Österreich, und seit einem halben Jahr erwartet ein jeder mit Spannung, was daraus entstehen wird. Jedenfalls haben die österreichischen Menschen ihre Stimme abgegeben und ihre Meinung hat sich nicht sehr verändert.
Ja, aber trotzdem ist diese erste Schwalbe nicht die Mitte-Rechte, sondern sie ist grün.
An ihrer Stelle ist eine andere erste Schwalbe gekommen. Die eine erste Schwalbe ist weggeflogen und an ihrer Stelle kam eine zweite, wenn man so formulieren darf, die wir noch nie gesehen haben, dass eine Partei, die mitte-rechts angesiedelt ist, eine Koalition mit einer grünen Partei eingeht. Zwei große Herausforderungen stehen vor der Welt: Die eine ist die Migration, die andere der Klimawandel. Die Zusammensetzung der österreichischen Regierung reflektiert darüber, antwortet auf die beiden Herausforderungen. Was daraus wird, das wissen wir nicht, deshalb waren wir auf die Meinung des Herrn Bundeskanzlers neugierig, womit wir in der Zukunft rechnen können. Was für uns, Nachbarn und – wie man bei uns zu sagen pflegt – „Schwagern“ am wichtigsten ist, sind zwei Dinge. Erstens, dass es in der Angelegenheit der Einwanderung keinerlei Veränderung geben wird, die Österreicher lehnen die Einwanderung, die Migranten ab und sprechen sich felsenfest für den Grenzschutz aus, und da gibt es keine Konzessionen. Sie sind auch über sie hinwegmarschiert, ebenso wie über Ungarn, zu ihrem Pech sind bei ihnen auch viele geblieben. Hier haben wir dies aber doch gelöst, dort gelang das nicht, und so sind dort viele geblieben. Auch aus früheren Zeiten gibt es dort einige hunderttausend über keine christliche Wurzeln verfügende Personen, die inzwischen schon österreichische Staatsbürger sind, also haben sie so einiges „des Guten“ erhalten. Sie wissen genau, dass wenn sich diese Anteile weiter verschieben, dann wird das schwerwiegende Folgen für das Alltagsleben haben, deshalb sind sie deutlich gegen die Migration. Andererseits wird auch das Gewicht der österreichischen Wirtschaft wachsen. Gestern oder vorgestern sind die Angaben über die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr herausgegeben worden. Die deutsche Wirtschaft ist nur um 0,6 Prozent gewachsen, die österreichische aber um mehr als das Doppelte dieser Zahl. Uns ist es nicht egal, was auf den Märkten geschieht, auf denen wir unsere Produkte verkaufen, welche Antworten jene Regierungen, die deutsche und die österreichische, deren Wachstum sich verlangsamt, ja das der Deutschen wird meiner Ansicht nach in diesem Jahr auch stehen bleiben, hierauf geben. Der österreichische Bundeskanzler, der im Übrigen ein junger und mutiger Mann ist, steht auf kämpferische Weise auf der Seite der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, der Steuersenkung, der Unterstützung der Unternehmungen, einer größeren Zahl von Arbeitsplätzen, also nimmt er diesen Standpunkt ein und dieser stimmt vollkommen mit den Interessen und auch dem Standpunkt der V4 überein. Das sind also die guten Nachrichten. Eine schlechte Nachricht ist aber, dass wir in der Angelegenheit der Nuklearenergie so geblieben sind, wie wir es zuvor waren, denn die Österreicher sind auf entschlossene Weise gegen die Atomenergie und sie fechten jede Investition in die Atomenergie in Europa an. Das betrifft nicht nur uns wegen Paks, denn sie greifen auch die Tschechen an, die ebenfalls ihre Nachbarn sind, und sie greifen auch die Slowaken an. Also werden wir hierin nicht zu einer Übereinkunft gelangen, der österreichische Bundeskanzler hat es ehrlich und geradeheraus gesagt, dass dies in den kommenden Jahren das Gebiet der Nichtzusammenarbeit sein wird.
Wie sehen Sie es, ist Bundeskanzler Kurz dazu geeignet, dass Österreich die Rolle der Brücke zwischen West- und Osteuropa oder dem östlichen Teil Mitteleuropas erfülle?
Das ist vielleicht sekundär, was ich darüber denke, aber die österreichischen Menschen haben geglaubt, dies sei so, er hat ein gewaltiges Vertrauen ausgesprochen bekommen, noch dazu nach so einem erschütternden Ereignis, wie es der Abbau der vorherigen, der ersten Regierung Kurz war, erhielt er das Vertrauen, die Menschen vertrauen ihm augenscheinlich sehr. Und darin liegt auch etwas. Ich erinnere mich, als ich das erste Mal Ministerpräsident war, war auch ich 35 Jahre alt. Ich beklage mich auch nicht über die gegenwärtige Unterstützung oder das Vertrauen, aber es besitzt schon einen bestimmten Beigeschmack, wenn man noch sehr jung ist, und man wird so unterstützt. Darin steckt nicht nur politische Berechnung, sondern auch Liebe: Ein junger Mann, dem es gelingen sollte, warum könnte es ihm denn nicht gelingen? Das hat die Politik in Österreich mit sich gerissen, vorangetrieben. Ich glaube, wir können viel Gutes von Österreich erwarten. Das war nicht immer so im Laufe der Geschichte, aber jetzt kann es gerade so sein.
Über das Verhältnis zwischen Westeuropa und Osteuropa ging es im Grunde bei der Abstimmung, die gestern in Straßburg, auf der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments durchgeführt worden ist. Es war überraschend, dass jetzt die dort sitzenden Abgeordneten zu einem größeren Teil dafür gestimmt haben, dass Ungarn und Polen getadelt werden sollen, da die Rechtsstaatlichkeit in diesen beiden Ländern nicht vollkommen ist.
Der gestrige Tag war ein wichtiger, es gab auch innerhalb der Europäischen Volkspartei eine große Diskussion, denn die die Einwanderung befürwortende Mehrheit des Europäischen Parlaments – denn dort gibt es eine Mehrheit für die Einwanderung, wozu auch die ungarische Opposition gehört (Sozialisten, Liberale, Grüne) – stimmt gegen uns, denn sie hassen uns wegen unseres Standpunktes hinsichtlich der Einwanderung. Sie lehnen nicht einfach nur unseren Standpunkt ab, sondern ich spüre, wie sie auf uns herabsehen, und wie sie der Ansicht sind, wir seien in einem zurückgebliebenen Zustand der menschlichen Entwicklung steckengeblieben, da wir nicht einsehen, was für eine Wohltat dem entspringt, wenn wir Muslime in großer Zahl in unsere eigene Welt hereinlassen, und was für eine phantastische Zukunft sich aus der Vermischung der beiden Dinge, der christlichen und der muslimischen Welt herausschälen wird. Sie sehen das auf diese Weise und halten uns für zurückgeblieben; wir kommen nicht auf den Geschmack oder wir sehen nicht die Schönheit dessen. Ich gestehe ganz ehrlich, ich sehe dessen Schönheit nicht, ich habe davor vielmehr Angst. Dementsprechend positionieren sie sich auch nicht einfach auf der Grundlage des Verstandes zum ungarischen Standpunkt, sondern voller Zorn. Das ist in Ordnung, bzw. es ist nicht in Ordnung, aber daran ist nichts Überraschendes. Dass innerhalb der Europäischen Volkspartei eine gewaltige Diskussion geführt werden musste, war dann schon unangenehmer, und wir waren gestern einen Zentimeter davon entfernt, im Laufe des Tages aus der Volkspartei auszutreten, was wir nur deshalb nicht getan haben, weil die Italiener, die Spanier und die Franzosen eindeutig auf unserer Seite waren und in der Diskussion in der Volkspartei sagten, man muss sich auf die Seite Ungarns stellen. Jetzt betrachte ich diese gesamte Angelegenheit der Volkspartei auch durch die nationale Brille, eine Regierungspartei gehört auch aus dem Grund einer Parteienfamilie in Europa an, damit wenn die Heimat, in diesem Fall Ungarn, Schutz, Hilfe, Unterstützung braucht, dann sollen wir Verbündete haben, aber wenn uns unsere Verbündeten verraten, wie uns im Übrigen die Volkspartei auch gestern in ihrer Mehrheit verraten hat, dann haben wir dort nichts zu suchen. Dass aber drei ernsthafte Länder – die Italiener, die Franzosen und die Spanier sind ja nicht sonstwer – sagen, die Ungarn hätten Recht und man müsse sich auf die Seite Ungarns stellen, das gibt noch ein bisschen Hoffnung darauf, dass man dort noch eine Veränderung erreichen kann, eine abnehmende, aber noch vorhandene Hoffnung. Ansonsten wären wir heute früh kein Mitglied mehr gewesen. Hinter der ganzen Sache steckt – über die unterschiedlichen Einstellungen hinsichtlich der Einwanderung –, dass das Soros-Netzwerk im Europäischen Parlament und in der europäischen Politik sehr aktiv ist. Wir sollten ja nicht vergessen, dass sie auch bei den europäischen Wahlen viele Abgeordnete in das Europäische Parlament, auch in die Kommission hineingebracht haben, und es gibt Länder, in denen sie auch auf die Regierungen einen ernsthaften Einfluss ausüben, so sind sie auch im Rat dabei. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe mich immer darüber gewundert, dass wir über diese Dinge dort nicht offen sprechen, dass nämlich hinter solchen Netzwerken, hinter solchen Aktionen eindeutig das Sorossche Netzwerk steckt. Denn jedes Handbuch der Politik beschreibt, dass wenn jemand, der reich ist – hier geht es darum, nicht nebensächlich ist, dass er sein Geld im Übrigen durch das Ruinieren vieler Millionen Menschen, durch Spekulationen erworben hat –, wenn es einen reichen Menschen gibt, der politischen Einfluss kauft, denn hierbei geht es darum, der Abgeordnete kauft, sie finanziert, sie unterstützt, ein Netzwerk betreibt, also Einfluss im politischen Leben kauft, dann nennt man ihn in unserem Metier einen „Oligarchen“. Die Nummer eins der Oligarchen der Welt ist George Soros, der noch dazu über ein verhülltes oder wenigstens zum Teil verhülltes, mafiartiges Netz seine politische Tätigkeit ausübt und einen Einfluss auf die europäische Politik ausübt. Hier gibt es einen Zusammenstoß zwischen Ungarn und diesem Netzwerk, denn dieses Netzwerk möchte ebenfalls ein gemischtes, aus christlichen und muslimischen Bestandteilen bestehendes, neues, modernes Europa, wie sie das formulieren, das über das Christentum und über die nationalen Gefühle hinweggekommen ist. Und Ungarn sagt, wir haben demografische Probleme, aber wir brauchen keine Migranten, sondern ungarische Kinder, und deshalb lehnen wir die Migration ab, wir unterstützen die Familien. Das hat eine sehr scharfe Konfrontation zum Ergebnis, hat die spannendste und schärfste Diskussion auf dem europäischen Schauplatz zur Folge, die wir natürlich scheinbar mit Parteien führen, doch sind die beiden einander gegenüberstehenden Seiten in Wirklichkeit das Sorossche europäische Netzwerk und Ungarn, und natürlich noch einige andere mitteleuropäische Länder wie zum Beispiel die Polen.
Warum kann man darüber nicht offen in Brüssel reden?
Dieses Rätsel wird man einmal lösen müssen. Warum pflegt man über so etwas nicht offen zu sprechen? In unser aller Leben gibt es Dinge, über die wir vorsichtig reden. Vermutlich aus dem Grund, weil wir den uns gegenüberstehenden anderen als stark sehen und wir vor ihm Angst haben. Es gibt also viele, die Angst vor George Soros haben. Schauen Sie, in einem westeuropäischen Medienumfeld, in dem Soros in seine Pfeife bläst, und dort dann die Federn gewetzt werden und man in den Blättern, den Zeitungen, in den Internetmedien einen Politiker anfällt, dann ist der, der das aushält, wirklich eine starke Person. Wir sind aber darüber schon hinweg. Ich persönlich bin acht Mal darüber hinweg, mich haben also diese Journalisten und Pseudozivilen sowie das Sorossche Netzwerk acht Mal umgebracht, und ich bin acht Mal wiederauferstanden. Mich hat man schon durch jeden Kakao gezogen, ich habe also keine Angst mehr vor der Sache, da ich sie kenne, wer aber noch niemals zuvor so einer Übermacht entgegenmarschiert ist, der sieht nur eine Dampfwalze und sagt sich, er habe keine Chance, er schweigt lieber.
Jedoch ist diese Situation, also die mit der Volkspartei, nicht mehr so lange aufrechtzuerhalten. Womit rechnen Sie?
Wir unternehmen noch einen Versuch, ich habe jetzt auch mit Bundeskanzler Kurz darüber verhandelt, denn auch er gehört ja zur Europäischen Volkspartei. Ich werde noch ein Rendezvous mit den Deutschen haben, der Leiterin der CDU, und auch mit der Frau Bundeskanzlerin selbst. Ich möchte auch mit dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Herrn Vorsitzenden Tusk reden, der natürlich gegen die polnische Regierung ist, und das erschwert meine Lage; obwohl er ein Pole ist, ist er trotzdem gegen die polnische Regierung. Danach muss man dann eine Entscheidung treffen. Sicher ist, dass dies nicht so bleiben kann, und wenn sich die Europäische Volkspartei nicht für Ungarn einsetzt, dann müssen wir eine neue europäische Bewegung, eine neue europäische Bewegung mit christlich-demokratischen Charakter starten. Natürlich haben wir auch in Ungarn Aufgaben zu bewältigen, aber für uns ist auch der europäische Schauplatz wichtig, und dann müsste man nicht unbeträchtliche Energien auf die Initiierung einer europäischen Bewegung konzentrieren. Wir werden dazu Verbündete haben.
Vermutlich, aber wird es nicht zu befürchten sein, was die Abgeordneten der DK häufig wöchentlich zwei Mal vortragen, dass wenn die Verbindung des Fidesz mit der Volkspartei nicht mehr besteht, dies dann für das Land Nachteile mit sich brächte, denn wir würden keine Unterstützungen erhalten.
Gerade umgekehrt: Es wird vorteilhaft sein, denn wir fällen nur Entscheidungen, die vorteilhaft für Ungarn sind. Zweitens: Man darf die zwischenstaatlichen Verbindungen nie mit den Parteiverbindungen verwechseln. Ich habe als Ministerpräsident mit einem deutschen Bundeskanzler zusammengearbeitet, der Sozialdemokrat war, und auch mit dem französischen Präsidenten verstehen wir uns, auch wenn er ansonsten zu einer ganz anderen Parteienfamilie gehört, und ich könnte noch zahlreiche solche Beispiele anführen. Das ist eine billige oder seichte – ja, das ist vielleicht das bessere Wort – das ist eine seichte Annäherung an die europäische Politik, wenn die zwischenstaatlichen Verbindungen mit den Verbindungen zwischen den Parteien verwechselt werden. Und was die Haushaltsdebatte angeht, da besitzt Ungarn Verbündete, keine Parteien, sondern Staaten, und starke Argumente und ganz am Ende ein Vetorecht.
Ungarische Innenpolitik. Die Emotionen sind durch die Nachricht hochgepeitscht worden, laut der in Ungarn etwa 12 tausend Gefängnisinsassen einen Bedarf nach Entschädigung durch den ungarischen Staat haben, und wenn wir die Summe betrachten, dann beträgt diese Entschädigungssumme im Großen und Ganzen zehn Milliarden Forint. Die Menschen verstehen kaum, wie das ist, dass jene, die wegen einer Straftat verurteilt worden sind, dann ihre Hände im Gefängnis auf den Rücken legen und sagen: „Kein Problem, diese kurze Zeit halte ich aus, und wenn ich dann hinauskomme, dann kommt ja sowieso die Entschädigung.“
Der Spitzenreiter in diesem Gefängnisbusiness ist ein 33 Jahre alter Mann – wir sprechen also über einen Menschen. der in einem guten und arbeitsfähigen Alter ist –, der nach acht und halb Jahren Gefängnis eine Entschädigung von 8 Millionen Forint erhalten hat. Das bedeutet, dass er nach jedem abgesessenen Jahr jeweils eine Million Forint zur Belohnung erhalten hat. Das ist vollkommen absurd und inakzeptabel.
Aber worauf beruft er sich? Was möchte er?
Das ist das eine Problem: das Maß, und das andere ist die Anzahl. Damit mich die Zuhörer verstehen, das Gefängnis ist ja kein romantischer Ort, es ist sogar ein sehr schwieriger Ort, und dort kann es vorkommen, dass manchmal zum Nachteil des einen oder des anderen Verurteilten etwas geschieht, was als Folter gewertet werden kann. Die internationalen Abkommen, die auch wir unterschrieben haben, verbieten es, die Menschen im Gefängnis zu foltern, das ist richtig, deshalb haben wir sie auch unterschrieben, aber es kann etwas geschehen, dass in diese Kategorie gehört. Deshalb haben wir einen relativ einfachen Mechanismus, dass wenn so etwas eintritt, dann der Verurteilte schnell für die Folter die Gegenleistung oder Kompensation erhält, also etwas Geld. Aber gewitzte, bekannte Gruppen von Rechtsanwälten sind dahintergekommen, dass die europäischen Regelungen über Folter derart lax und absurd sind, dass man unter Berufung darauf ein Business daraus machen kann. Es handelt sich dabei im Übrigen um bestens bekannte Kreise von Rechtsanwälten, mit ihnen wird man sich im Späteren auch beschäftigen müssen, haben sie doch aus der Tasche des Staates viele Milliarden Forint herausgezogen. Unter Berufung auf diese sehr laxen europäischen Normen, ich zitiere zum Beispiel aus einem Urteil, das die als Folter geltenden Probleme aufzählt, ich versuche es genau vorzulesen: „Die Sonne scheint nicht ausreichend in die Zelle.“ Die Sonne scheint nicht ausreichend in die Zelle… Hinzu kommt noch, dass wir in Ungarn bestrebt sind, die Häftlinge selbst ihren Unterhalt erarbeiten zu lassen. Wir schaffen in Ungarn also den im Gefängnis Einsitzenden Arbeitsmöglichkeiten bzw. sie müssen arbeiten. Dadurch vermindern wir die durch die Staatsbürger gezahlten Ausgaben für den Erhalt des Gefängnisses auf wesentliche Weise, was soviel bedeutet, dass bei uns die meisten Häftlinge, die meisten Verurteilten ihre Strafe nicht in einer Zelle miteinander zusammengesperrt verbringen, sondern eine Arbeit verrichten, sie werden also nicht gefoltert, sondern arbeiten. Nachdem hier die Zahl über zehntausend gestiegen war, ich glaube wir müssten bei zwölftausend sein, und die ausgezahlte Summe auch die 10 Milliarden überstiegen hat, ist die Regierung der Meinung, dem müsse ein Ende gesetzt werden, so wird das also nicht gehen. Es gibt bestehende Rechtsvorschriften, die uns zum Zahlen zwingen würden, doch ist meine Meinung, dass dies ein Missbrauch des Rechts ist, und wenn eine Regierung ein Missbrauch des Rechts sieht, dann müssen die Auszahlungen sofort eingestellt werden – das werden wir tun –, und wir werden uns sofort an das Parlament wenden, damit die Regeln geändert werden.
Dann muss also zuerst das heimische Parlament die Regeln modifizieren?
Ja-ja, zuerst ja. Ich darf den Missbrauch des Rechts nicht unterstützen. Als Ministerpräsident ist es meine Aufgabe, was auch immer die Rechtsvorschriften sagen, deutlich zu machen, dass wir es hier nicht mit der richtigen Anwendung der Rechtsvorschriften, sondern mit einem Missbrauch zu tun haben, und das muss verhindert werden. Deshalb zahlen wir nicht. Jetzt wird hiernach geschehen, dass – und so kommen die internationalen Normen in unser Gespräch – diese braven Rechtsanwälte im Namen der Verurteilten verschiedene europäische Gerichtsforen aufsuchen und dort Ungarn anklagen werden. So wie ich die europäischen Richter kenne, ist es auch ihrer Ansicht nach ein Problem, wenn die Sonne nicht in ausreichendem Maße in die Zelle scheint, so können wir auch dort mit schwierigen Auseinandersetzungen rechnen. Aber es ist immer noch besser zu kämpfen und sich auf die Seite der Interessen der Menschen zu stellen und auf die Absurdität einer Regelung hinzuweisen, als wie ein Volltrottel zu zahlen, wenn dabei im Übrigen das Gerechtigkeitsgefühl von zehn Millionen Menschen verletzt wird. Die Ungarn haben Recht, wenn sie sagen, sie würden nicht arbeiten, sie würden nicht Steuern zahlen, damit danach Inhaftierten wegen nicht vorhandener Gründe, also aus keinen tatsächlichen Gründen, eine Belohnung ausgezahlt wird, weil einige Rechtsanwälte die Rechtsvorschriften geschickt aushebeln.
In Gyöngyöspata läuft heute die Frist dafür ab, damit im Sinne des Gerichtsbeschlusses jene Romaschüler und deren Eltern entschädigt werden, die man dort, in der örtlichen Grundschule segregiert unterrichtet hat. Nun lautet die neueste Nachricht, dass der dem Fidesz angehörende Parlamentsabgeordnete des Gebietes und auch die kommunale Selbstverwaltung erreichen möchte, dass diese Entschädigung in der Höhe von beinahe 100 Millionen Forint nicht ausgezahlt werden müsse, sondern man würde versuchen, den Fehler in Naturalien auf die Weise wieder gut zu machen, dass diese Familien, diese Kinder an Weiterbildungen teilnehmen könnten. Halten Sie das für eine gute Lösung? Wie kann man überhaupt diese Situation lösen, sie auflösen?
Es handelt sich um eine Angelegenheit, die starke emotionale Stürme ausgelöst hat. Es ist nicht gleichgültig, ob wir besonnen über die Sache reden können. Ich versuche es. Um besonnen über die Sache reden zu können, müssen wir einen entsprechenden Ausgangspunkt wählen. Mein Ausgangspunkt ist das Gerechtigkeitsgefühl der Ungar. Unser Volk ist ein interessantes Volk, es gibt Dinge, die es ohne weiteres akzeptiert, also zum Beispiel akzeptieren die ungarischen Menschen völlig, ja sie unterstützen es, dass wir statt Unterstützungen lieber Arbeit geben sollen. Sie akzeptieren es, dass wir aus dem Geld der Steuerzahler Kindergärten aufrechterhalten, und wir dort eine Förderarbeit für die Roma-, für die Zigeunerkinder leisten. Sie unterstützen, dass sie kostenlos verpflegt werden, die Ungarn unterstützen, dass sie einen Beruf erlernen. Die Ungarn sind also keine Rassisten, sie weisen die Zigeuner nicht ab ovo zurück, sie wissen auch, dass wir in den kommenden Jahrzehnten zusammenleben werden, sie suchen die Form der Zusammenarbeit und sind bestrebt zu helfen, aber es gibt eine Grenze, die ein Ungar niemals übertreten wird, oder über die er niemals das Gefühl hat, sie übertreten zu dürfen, und diese Grenze ist, wenn wir Geld für nichts geben. Und hier haben die Menschen das Gefühl, dies geschehe hier, also das Prinzip „etwas für etwas“ ist in Ordnung, aber das Prinzip „Geld für nichts“ wird der ungarische Mensch nie akzeptieren. Ich habe darauf auch die Politik der Regierung aufgebaut, und wir haben gesagt, wer dann für sich keine Arbeit findet, darunter waren viele Roma, der soll öffentliche Arbeit erhalten. Sie sollen nur dann den Familienzuschuss erhalten, wenn sie das Kind in die Schule schicken, wir haben ihnen die Möglichkeiten zum Sport eröffnet, haben Förderprogramme gestartet, ich glaube also daran, dass dies – obwohl das eine schwierige und empfindliche Angelegenheit ist – eine Frage ist, mit der man umgehen kann, und woraus am Ende auch noch etwas Gutes herauskommen kann. Denn – so wie ich es sehe – können die Ungarn, die nicht Romaherkunft sind, und die Roma ganz besonders, mit gutem Grund stolz darauf sein, dass die Roma zu Hunderttausenden die Möglichkeit der öffentlichen Arbeit genutzt haben, und von dort in der Zwischenzeit zu Arbeitsplätzen auf dem Arbeitsmarkt gewechselt haben. Wenn man zu einem Bau geht, dann sieht man dort Roma in großer Zahl arbeiten. Darauf können wir stolz sein, das ist meiner Ansicht nach ein Ergebnis.
Ja, aber – verzeihen Sie – dort ist ja ab 2004 eine Segregation geschehen.
Das Problem ist, dass solche Urteile einen Schaden anrichten. Ob es dort zur Segregation kam oder ob es nur eine missglückte Fördermaßnahme war, das würde ich jetzt nicht diskutieren wollen, denn das Gericht hat darüber etwas gesagt, akzeptieren wir das. Jedoch ist sicher, dass wir das Übel nicht auf die Weise beheben können, dass wir Geld für Nichts geben. Wir können das Übel beheben, und da hat der Herr Abgeordnete Recht, wenn wir vielmehr Hilfe anbieten. Wir bezahlen ihre Ausbildung, wenn es sein muss, die Umschulung, neue Kurse, wenn wir ihnen also Dienstleistungen bieten, und nicht ihnen das Geld in die Hand geben, was – ich sage es noch einmal – die Ungarn niemals akzeptieren werden. Ich habe also das Gefühl, dass hier ein unglückliches Gerichtsurteil entstanden ist, und – wir kommen immer hierauf zurück – bei genauerer Betrachtung dessen, wer das alles initiiert hat, finden wir dort überall die Soros-Organisationen. Ich empfinde das Ganze als eine Provokation, solch eine Aktion torpediert oder kann einen in eine schöne Richtung ablaufenden Prozess, die Verbesserung der Lage des Zusammenlebens von Zigeunern und Ungarn, die das Herausführen der Zigeuner aus dem Elend unterstützende Politik torpedieren, die – ich sage es noch einmal – anstatt nach den richtigen Weisen des Zusammenlebens zu suchen, das Leben der nebeneinander lebenden Gemeinschaften unterschiedlichen Ethnikums sprengt. Ich sage es noch einmal: Wir geben alles, aber Geld können wir nicht geben.
Tatsächlich ist es so, dass das Prozessieren und die Entschädigung nicht gleich im ersten Augenblick begonnen hat…
Schauen Sie, ich will nicht in die Vergangenheit zurückweisen, aber das hat nicht unter unserer Regierung begonnen. Diese Praxis begann Mitte der 2000-er Jahre noch in der Zeit der links-liberalen Regierung…
2004 wurde festgelegt…
…, und als wir – vielleicht im Jahre 2013 – die Schulen von den Kommunen in staatlichen Besitz übernommen haben, haben wir dies beendet, nicht weil wir es als rassistisch angesehen hatten, sondern weil wir sahen, dies war keine glücklich gewählte Form der Förderung, deshalb haben wir uns an einem anderen Typ der Förderung versucht, nicht nur in Gyöngyöspata, sondern übrigens auch an anderen Orten. Dass wir es nicht schlecht machen, das zeigen vielleicht auch die Tatsachen, denn zum Beispiel ist die Zahl der Roma im akademischen Bereich, die also Universitäten oder Hochschulen besuchen, im vergangenen Zeitraum um hundert Prozent gestiegen. Es gibt also Ergebnisse. Wir reden jetzt über ein Problem, dabei möchte ich aber, dass unsere Aufmerksamkeit nicht nachlassen soll und die Tatsache nicht von unserem Radar verschwinden sollte, dass in der Zwischenzeit sich im vergangenen Jahr positive Veränderungen im Zusammenleben von Zigeunern und Ungarn ereignet haben, selbst wenn es selbstverständlich noch Schwierigkeiten gibt und auch in der Zukunft welche geben wird.
Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.