1. Mai 2020
Katalin Nagy: Wir sind in der zweiten Phase der Verteidigung gegen die Seuche angekommen, deshalb hat die Regierung auf den Vorschlag des Operativen Stabes hin die langsame, schrittweise Milderung der Beschränkungen beschlossen. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán! Diese Nachricht hörend fällt einem ein Begriff aus dem ungarischen Reformzeitalter ein, das ist das „überlegt Voranschreiten“, was schon damals den Konservativen eigen war. In welchen zeitlichen Abständen wird diese Entscheidung revidiert?
Guten Tag, ich begrüße die Zuhörer! In der Tat, der wichtigste Ausdruck wird in den kommenden Tagen der „strenge Fahrplan“ bzw. die „Abstufung“ sein. Im Leben ist ja die wichtigste Sache die Erfahrung. Es gibt darüber natürlich philosophische Debatten, ob das Wissen wichtig ist, das heißt ob das nicht auf dem Weg der Erfahrung aneigbare Wissen wichtiger ist oder die Erfahrung, doch wie auch immer diese Debatte geführt wird, in der Politik ist es sicher, dass die Erfahrung allen anderen Dingen vorangeht. Der Mensch kann also in einer einzigen Sache sicher sein, darin, was er bereits erlebt, was er bereits erfahren hat, was er bereits kennt. Und die Vielzahl an Büchern, die man gelesen hat, oder die Vorträge, die man sich in der Schulbank sitzend angehört hat oder die Prüfungen, die man abgelegt hat, reichen in ihrem Wert nicht daran heran, was man mit den eigenen Händen berührt, angefasst, mit den eigenen Augen gesehen hat. Und das ist auch in dieser Krise so. Hier kann man so viele Dinge lesen, inzwischen füllt die Literatur darüber ganze Bibliotheken, wie es sein wird, woher es gekommen ist, wohin es geht, ob es überhaupt geht, ob es bei uns bleibt bis zum Ende aller Zeiten oder der Sommer es tötet. Hier gibt es schon alles, alle Achtung, wenn jemand sich da hindurchfindet. Meiner Ansicht nach kann man sich da auch gar nicht hindurchfinden. Regelmäßig höre ich mir die Fachleute des Seuchenschutzes an, das sind seriöse Menschen, Ärzte, es gibt auch Gesundheitsmathematiker, die sich mit den Eigenheiten der Verbreitung der Seuche beschäftigen, und die Meinungen gehen auch hier auseinander. Es gibt aber immer einige gemeinsame Punkte, und diese wenigen gemeinsamen Punkte müssen wir, Entscheidungsträger verstehen und mit unseren Erfahrungen vergleichen. Es gibt ja drei Tatsachen, von denen wir ausgehen können. Die erste ist, dass dieses Virus existiert, es hier ist. Die zweite, dass wir keinen Impfstoff besitzen. Die dritte, dass es keine Garantie dafür gibt, dass es von selbst sterben oder weggehen würde. Folgerichtig kann man die Verteidigung nicht aufgeben, das ist der Ausgangspunkt von allem. Der zweite Punkt ist der, auf welche Weise das Virus die Menschen betrifft. Und wir sehen, wie das Virus Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen auf unterschiedliche Weise betrifft. Zum Beispiel stammen achtzig Prozent der Verstorbenen aus dem Komitat Pest und Budapest. Es ist also deutlich erkennbar, dass Budapest und seine Umgebung, das langsam zu einer Megapolis wird, der am ehesten der Infektion ausgesetzte Ort ist. Wir sehen auch auf Grund der Erfahrungen, dass die Älteren viel schwerwiegender betroffen sind als die Jüngeren. Wenn diese beiden Tatsachen wahr sind und beide sich auf Erfahrung gründen, dann muss sich auch der nächste Abschnitt der Verteidigung hieran orientieren. Gesonderte Regeln für die Alten sind notwendig, wir müssen unsere die Alten schützenden Regeln aufrechterhalten, und gesonderte Regeln sind für unsere am stärksten infizierte Megapolis notwendig, und das ist Budapest und das Komitat Pest. Deshalb bleiben auf diesem Gebiet, im Zentrum des Landes die Ausgangsbeschränkungen erhalten, jedoch an den anderen Orten, wo wir die Erfahrung gemacht haben, dass die Zahl der Infektionen niedriger, die Zahl der Todesfälle wesentlich niedriger und auch die Verbreitungsgeschwindigkeit viel langsamer ist, an diesen Orten führen wir statt den Ausgangsbeschränkungen jetzt schon neue Regeln, leichtere Regeln, Schutzmaßnahmen ein. Die Wahrheit ist, dass ich – um hiernach auf Ihre Frage zu antworten, wie häufig es die Möglichkeit gibt, unsere Entscheidungen zu ergänzen, sie zu korrigieren – täglich meinen Tag, meine Arbeit damit beginne, die Leiter des Operativen Stabes anzuhören, zumeist persönlich, und deshalb besteht jeden Morgen die Möglichkeit, dass die Regierung auf der höchsten Ebene neue Entscheidungen trifft. Obwohl ich das Regierungsruder nur ungern hin- und herreiße, denn dann kippt das Gefährt um – die Berechenbarkeit und die Planmäßigkeit sind wichtiger als die Geschwindigkeit. Auch für das Virus, auch für den Kampf gegen das Virus trifft es zu, dass die Sicherheit wichtiger ist als die Schnelligkeit, doch wenn es sein muss, können wir selbst innerhalb einer Stunde neue Entscheidungen treffen. Es ist gerade der Vorteil dieser besonderen Rechtsordnung, dass sie nicht Sonderrechte verleiht, sondern der Regierung die Möglichkeit zu einer besonderen Schnelligkeit gibt, und das muss man von Zeit zu Zeit nutzen. Aber auf Systemebene, also die Erfahrungen systematisch überblickend, pflegen wir die Lage wöchentlich zu analysieren, und ich bin der Ansicht, alle zwei Wochen lohnt es sich, neue Entscheidungen zu treffen. Zwei Wochen sind der Zeitraum, in dem unsere Wissenschaftler, unsere Experten für Seuchenschutz, unsere Ärzte die Folgen der einen oder der anderen Veränderung ermessen und uns Vorschläge machen können.
Das haben wir schon gelernt, da die Frau oberste Amtsärztin dies so oft gesagt hat, dass die Verlaufskurve der Seuche verflacht werden müsse, denn dann wird das für alle am besten sein. Anscheinend war dies erfolgreich, das haben wir erreicht, denn die Zahl der Infizierten wächst nicht in dem Maß, wie wir das in Italien oder Spanien oder in Frankreich gesehen haben. Wann ist es zu erwarten, dass hier, in der Hauptstadt, oder in den größeren Städten diese Strenge etwas nachlässt? Denn wir haben es gelernt, diese anderthalb bis zwei Meter Abstand einzuhalten, und das ist das Wesentliche. Nicht wahr?
Die Sache ist die, dass Ungarn mit dem nötigen Stolz, aber auch der nötigen Bescheidenheit sagen kann: Ungarn hat die erste Schlacht gegen das Virus gewonnen. Es ist also nicht unkontrolliert ausgebrochen, es hat nicht entsprechend seiner Absichten geschadet, und es gelang uns, die Methoden der Verteidigung umfassend auszubauen. Wir haben Zeit gewonnen, und wir haben das Gesundheitswesen auf die Verteidigung vorbereitet. Obwohl wir das Beste hoffen, bereiten wir uns auf das schlimmste Szenario vor. Wenn von jetzt an aus welchem Grund, aus welchem inneren oder äußeren Grund auch die Seuche plötzlich erneut in Form einer großen Welle attackieren würde, dann gibt es in Ungarn keinen Ort mehr, keine Siedlung und keinen Menschen mehr, der glauben müsste, er würde vielleicht ohne Versorgung bleiben. Wir finden, wir identifizieren jeden ungarischen Menschen in jeder Siedlung, wir können ihn unter ärztliche Obhut stellen, und wenn es sein muss, können wir auch die strengste Hilfe, also die Versorgung mit Hilfe eines Beatmungsgeräts garantieren. Die erste Schlacht haben wir gewonnen. Jetzt ist nur noch die Frage, wie wir das Leben neu starten sollen, denn so leben, wie das die Verteidigung von uns erzwungen hat, kann man längerfristig nicht bzw. wenn man bequemer leben kann, dann sollten wir lieber so leben. Und an diesem Punkt kommen aus der Perspektive der Erfahrung die beiden anderen entscheidenden Faktoren ins Spiel. Und das ist Österreich, das irgendwie hinsichtlich der Geschwindigkeit der Verbreitung der Infektion vor uns ist, dort vollziehen sich diese Prozesse zwei-drei Wochen früher, die danach auch in Ungarn ankommen. Dementsprechend geschah auch die Erleichterung in den Regelungen auch zuerst in Österreich. Wenn ich also auf der Sitzung des Operativen Stabes die endgültige Entscheidung darüber treffen muss, welche neuen Regeln wir dann einführen sollen, da sind die österreichischen Entscheidungen vor mir, deren Erfahrungen, deren Zahlen, deren Auswirkungen, und diese Erfahrung in die ungarischen Entscheidungen einbauend kann ich, können wir verfahren. Dies ist im Übrigen eine große Hilfe, es ist besser, als wenn ich in einem Topf mit Sauerrahm herumsuchen oder im Nebel herumstochern müsste, denn es gibt doch ein Land, dessen Erfahrungen genutzt werden können. Hinzu kommt noch, dass – soweit ich das sehe – auch die Tschechen Schritte unternehmen, die nützliche Erfahrungen, Schlussfolgerungen auch für Ungarn besitzen. Wenn es gelingt, die Sterberate in Budapest zu senken, dann werden wir nicht zögern, das normale Leben auch für die Budapester neu beginnen zu lassen. Die Wahrheit ist, dass ich weder die Budapester noch die Menschen auf dem Land in der Illusion wiegen möchte, mit dem Sieg in der ersten Schlacht sei der Krieg auch zu Ende gegangen. Das Virus ist also nicht weggegangen, wir haben nur Zeit gewonnen und uns auf die Abwehr des nächsten Angriffs des Virus vorbereitet. Jedoch haben wir uns gründlich darauf vorbereitet. Ich kann das natürlich auch nicht garantieren, doch die überwiegende Mehrheit der Experten des Seuchenschutzes und auch die Ärzte sagen, dass es eine weltweite Seuche, die nur eine einzige Welle gehabt hätte, nie gegeben hat. Es wird also eine zweite Welle geben. Im Augenblick ist die Kombination am populärsten, nach der sich das im Sommer eher verlangsamen wird. Der Grund dafür ist auch das Wetter sowie der Erfolg der bisherigen Verteidigung, doch um Oktober-November müssen wir mit einer zweiten Welle rechnen. Es gibt eine große Debatte darüber, ob die zweite Welle kleiner oder stärker sein wird als die gegenwärtige, das kann meiner Ansicht nach niemand sagen, kein einziger Mensch, doch müssen wir unbedingt mit ihr rechnen – jetzt war die Verteidigung erfolgreich, wir haben das Gesundheitswesen vorbereitet, jetzt muss das Gesundheitswesen parallel in Bereitschaft gehalten werden und die normale Heiltätigkeit verrichten, es muss bereit sein, im Laufe des Sommers aus unseren bisherigen Entscheidungen die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen, damit wir auf eine zweite Welle im Oktober-November leichter, schneller und noch erfolgreicher als jetzt reagieren können.
Es attackiert ja nicht nur das Virus, sondern Ungarn ist auch einem recht gut koordinierten internationalen Angriff ausgesetzt.
Auch das ist ein Virus, nur besitzt es einen intellektuellen Charakter, ja.
Vorhin formulierten Sie dahingehend, dass die besondere Rechtsordnung keine Sonderrechte verleiht, sondern eine besondere Schnelligkeit. Interessanterweise stand trotzdem im Mittelpunkt dieser Angriffe, dass die ungarische Regierung und persönlich der ungarische Ministerpräsident besondere Rechte erhält, die Diktatur aufbaut, und die Tätigkeit des Parlaments wäre in Ungarn suspendiert worden. Niemanden hat es gestört, dass dies im Übrigen nicht wahr ist.
Es gab Leute, die es gestört hat, weil ich gesehen habe, dass sie sich schämen, als sie darüber sprachen. Selbst unter den Mitgliedern der ungarischen Opposition habe ich solche gesehen – ich berufe mich erneut auf die Erfahrung, seit dreißig Jahren beobachte ich die Parlamentsdebatten und nehme an ihnen teil, ich sehe es, wenn ein Abgeordneter aus reiner Überzeugung spricht und ich sehe es, wenn er sich schämt, während er die ihm durch seinen Auftraggeber auferlegte Aufgabe verrichtet. Und ich habe Parlamentsabgeordnete gesehen, die sich geschämt haben, während sie die Regierung attackierten – und ich verstehe das auch. Selbst ein fremdes Land zu attackieren, wenn es in Problemen steckt, sagen wir Tage des Seuchenschutzes gegen die Infektion und der Verteidigung erlebt, selbst ein fremdes Land unter solchen Umständen zu attackieren befindet sich außerhalb der Grenzen der europäischen Zivilisation und der Humanität, doch dass du deine eigene Heimat zu einem Zeitpunkt angreifst, zu dem im Übrigen ein jeder damit beschäftigt ist, wie wir uns verteidigen und wie wir das Leben retten sollen, dafür findet man nur sehr schwer Worte. Wenn dies geschieht, und man noch etwas Anstand besitzt, und man steht im Parlament auf und macht dies, dann kann man doch den über Anstand verfügenden Oppositionellen ansehen, dass sie sich dann dort doch schämen. Aber egal, das ist jetzt eine heimische Angelegenheit. Was das Ausland angeht, da versuche ich zu vermeiden, dass die Zuhörer glauben, ich sei zu einem Anhänger der Verschwörungstheorien geworden. Obwohl es meine Überzeugung ist, dass man zahlreiche Tatsachen der Welt nicht mit Verschwörungstheorien erklären kann, bedeutet dies doch nicht, es gäbe keine Verschwörungen. Und ich war mir sicher, so wie man das an der Seuche sehen konnte, dass die Seuchenherde in Italien, Frankreich, Spanien nicht lokalisiert werden können und wir vor einer Seuche europäischen Ausmaßes stehen, werden dann seitens der Finanzinvestoren und Spekulanten jene finanziellen Vorschläge erscheinen, in denen es darum geht, wie diese Krise finanziert werden muss. Und ich war mir dessen sicher, dass keine Vorschläge auftauchen werden, deren Nutznießer wir sein werden, sondern zu solchen Anlässen pflegen solche zu erscheinen, deren Nutznießer die Finanzinvestoren sind. Und wenn unter diesen Investoren nicht einer der talentiertesten Söhne unseres Landes, George Soros, aufgetaucht wäre, nun, das hätte mich vollends sehr überrascht. Ich war mir also sicher, dass ein Finanzplan kommen würde. Genauso wie bei der Migration. Die Migration begann – dass ihre Hände bei deren Organisierung mit im Spiel waren, das lassen wir jetzt, aber sie begann – und sofort erschien der erste Soros-Plan, in dem es darum ging, man könne nichts anderes tun, man müsse sie hereinlassen, und das kostet natürlich Geld, und: „Wir, Finanzinvestoren, geben hierfür den europäischen Ländern gerne Geld – nehmt es. Hier ist das Kapital, hier ist der Zins.“ Und ich war mir sicher, dass nun das gleiche geschehen wird. Die Seuche erschien, die Finanzinvestoren kamen mit ihrer ausgezeichneten Idee, Plan Nummer 2 eines der talentiertesten Söhne unserer Heimat, in dem es heißt: „Hier ist eine ewige Obligation, ein ewiger Zins, wir geben euch, sehr geehrte Europäer, Geld, man muss das Kapital auch gar nicht zurückzahlen, die Zinsen reichen, aber nicht nur ihr, wisst ihr, sondern auch eure Kinder und auch eure Enkel, bis ins siebte Glied.“ Ich war mir also sicher, dass dies kommen wird, und ich war mir auch darin sicher, dass es – da das Netzwerk dieses braven Ungarn in ganz Europa über entscheidenden Einfluss verfügt – es nur sehr wenige Länder geben wird, die sagen werden: „Halt, wir sollten die Kirche im Dorf lassen!“ Doch darin war ich mir sicher, dass wir sagen werden: „Vielen Dank, davon möchten wir nichts hören. Wir möchten von dieser Suppe nichts, wenn jemand anderer sie möchte, dann soll er sich welche schöpfen, aber wir werden es mit Sicherheit nicht tun.“ Und ich habe auch gewusst, damit dann die Stimme des den Plan der Finanzspekulanten ablehnenden Ungarn schwächer sein soll oder nicht das Gewicht besitzen soll, wie es haben sollte, kann man dies auf eine Weise erreichen, indem man im Voraus die Ungarn attackiert, und das Gewicht ihrer Worte damit vermindert. Wie kann man das in Europa tun? Man muss sagen: „Bitte, sie wenden diktatorische Methoden an, sie reden Unsinn, aus einer Diktatur kann nur der Wind der Diktatur wehen, lassen wir es, es ist nicht interessant, was die Ungarn sagen.“ Das war der Plan, um uns auf diese Weise auszuschalten, und im Übrigen ein bisschen auch die Polen, weil diese beiden Länder es sind, die sich am ehesten widersetzen, wenn es um ihre nationalen Interessen geht. Das ist auch geschehen. Es gibt aber ein Problem, denn in Europa kann man vieles machen, zum Beispiel kann man auch Lügenkampagnen führen, aber am Ende – wenn man die Debatte auf sich nimmt – kann man die Diskussion letztlich doch zu den Fakten zurückführen, denn in der europäischen Kultur besitzt ja alles eine juristische Beschreibung. Zum Beispiel gibt es auch eine Beschreibung der ungarischen besonderen Rechtsordnung. Früher oder später muss man sie lesen. Und wer sie attackiert, dem muss man sagen: „Nun denn, meine lieben Freunde, schauen wir uns sie dann an, Zeile für Zeile.“ Das ist geschehen. Und wie auch immer, sie haben nichts darin gefunden, nichts was den zivilisatorischen Traditionen, den in solchen Situationen gängigen Verfahrensweisen, den verfassungsmäßigen und juristischen Lösungen der Europäischen Union entgegengesetzt wäre. Im Normalfall müsste jetzt Ungarn stündlich, aber zumindest täglich die um Verzeihung bittenden Briefe empfangen. Ich rechne nicht damit, dass diese in großer Masse ankommen werden, doch das ändert nichts daran, dass es sich erneut erwiesen hat, dass wir auch in dieser Sache Recht gehabt haben.
Ja, aber die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Frau Vera Jourová, hat auch schon das zweite Mal erklärt, dass die ungarische Rechtsvorschrift lesend – es war interessant, sie hat tatsächlich so formuliert – es nichts gibt, was dem Recht der Europäischen Union widersprechen würde. Aber anscheinend fegen einzelne Teile des europäischen Institutionensystems, zum Beispiel die liberalen Abgeordneten im Europäischen Parlament dies beiseite.
Das ist deshalb so, weil das Sorossche Netzwerk unter den Liberalen über den stärksten Brückenkopf verfügt. Und da es einen Kampf um Leben und Tod in der Hinsicht gibt, ob es gelingt, die Souveränität der nationalen Regierungen, die Unabhängigkeit der Nationalstaaten zu liquidieren, sie in ein durch die globalen Finanzinteressen bewegtes System des großen Weltregierens miteinzubeziehen und ihnen eine untergeordnete Stellung zuzuweisen, sind die stärksten Vertreter des Gedankens, dass dies so sein soll, heute in Europa die Liberalen. Armer Kossuth und die ungarischen nationalen Liberalen drehen sich in ihrem Grab herum, denn einst, als man sich die auf die Freiheit aufbauende politische Philosophie und das System ausdachte, hieß es noch nicht, dies sei nur zum Preis der Souveränität, der Unabhängigkeit Ungarns oder jedweden anderen Landes zu verwirklichen. Jetzt leben wir in einer solchen Welt, in der die Liberalen ihre nationale Bindung aufgegeben haben, in der sie die nationale Unabhängigkeit aufgegeben haben, in der sie die nationale Souveränität aufgegeben haben und für sie das Ziel die Schaffung einer Weltregierung ist, und die stärksten Vertreter dessen sitzen in dieser Fraktion, also werden sie die Tatsachen nicht im Geringsten stören, und da sie an der Nabelschnur hängen, in die George Soros die Lebenssäfte hineinpumpt, werden dies die Liberalen in ganz Europa so lange tun, bis das Soros-Netzwerk besteht.
Interessanterweise kommen die Angriffe nicht nur aus dem Westen, sondern auch aus dem Osten. Ich denke an die Äußerung des rumänischen Staatschefs Klaus Johannis, die jetzt auch schon die RMDSZ als ungarnphobisch betrachtet und eine Entschuldigung fordert. Wie bewerten Sie das?
Ich pflege dem Herrn Präsidenten zu begegnen, denn die rumänische Regelung weicht von der ungarischen ab, und auf den Gipfeltreffen der Europäischen Union vertritt Ungarn der Ministerpräsident und Rumänien der Präsident, so haben wir Gelegenheit, uns dort zu sehen. Ich wage nicht zu behaupten, ich würde den Herrn Präsidenten kennen, denn er ist kein Mensch, der viel redet, aber ich pflege ihm zu begegnen, und ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe in ihm einen ehrenwerten Menschen kennengelernt, der, wenn er etwas sagt, dann das auch Gewicht besitzt, der, wenn er spricht, sich das vorher genau überlegt. Zwar stimmen wir nicht in allem überein, ja, wir stimmen bei weitem nicht in allem überein, aber es gibt einige Dinge, in denen wir der gleichen Ansicht sind, und da konnte man immer auf ihn zählen. Er hielt an seinem Standpunkt auch in sehr schwierigen Debatten fest, manchmal auch im starken Gegenwind, und er stand für gewisse Grundsätze ein, und da standen wir auch Seite an Seite. Also mein Verhältnis und auch das Verhältnis Ungarns zum rumänischen Präsidenten gründet sich auf Respekt. Wir respektieren den Präsidenten Rumäniens, ja wir respektieren auch Rumänien als einen souveränen Staat, und wir möchten, dass unsere Beziehungen auf diesem Fundament ruhen, weshalb ich mit Unverständnis verfolge, was geschehen ist. Denn solche Sätze – ich bin jetzt schon seit dreißig und einigen Jahren im Metier – haben wir nicht einmal in den schlimmsten antidemokratischen, verworrenen Zeiträumen aus Rumänien gehört. Ich muss also sagen, ich warte noch ein bisschen, damit sich die Lage etwas klärt, und wir verstehen können, was geschehen ist, und ob dies nur schlecht gewählte Sätze sind oder Abdrücke von schlechten Absichten, die sich in schlechten Sätzen äußern. Jedoch empfehle ich nicht, unsere bisherige Politik zu verändern. Wenn wir natürlich dazu gezwungen werden, dann werden wir den Handschuh aufheben, doch jetzt würde ich nicht empfehlen, dass wir uns nach dem vor uns hingeworfenen Handschuh bücken sollten. Unser Außenminister hat gesagt, was gesagt werden musste. Wir wissen nicht, ob dies eine Provokation, ein Unfall oder die ersten Momente einer längerfristigen rumänischen Nationalstrategie sind. Warten wir es ab, damit sich dies herausstellt, und bücken wir uns und heben den Handschuh dann auf, wenn das unbedingt notwendig ist. Streben wir lieber auch weiterhin nach gutnachbarlichen Beziehungen zu Rumänien, suchen wir die Zusammenarbeit mit ihnen und zollen wir sowohl den Rumänen als auch dem rumänischen Präsidenten Respekt, doch sollten wir nicht darauf verzichten und es auch deutlich aussprechen, dass wir den gleichen Respekt gegenüber den in Rumänien lebenden Ungarn, den in Ungarn lebenden Ungarn und auch gegenüber der ungarischen Staatlichkeit erwarten.
Laut den Berechnungen des Ungarischen Fachverbandes der Bauunternehmer kann die Leistung der Bauindustrie in den ersten vier Monaten im Vergleich zu dem gleichen Zeitraum des Vorjahres 95% betragen, und diese Zahl ist besser als alle Zahlen der Länder der Europäischen Union. Und damit sind wir bei dem gegenwärtigen Stand der Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft angekommen. Das ist eine sehr gute Nachricht. Ob wohl die anderen Zweige auch derart gute Ergebnisse zu erreichen in der Lage sind? Wie sehen Sie das?
In den schwierigen Zeiten, wenn man zu so einem Bunkerleben gezwungen ist, dann ist man bereit, auch in kleine Nachrichten viel Glück und viel Hoffnung hineinzuprojizieren. Ich würde uns aber davor warnen. Es wird solche splitterartigen, zur Hoffnung Anlass gebende Nachrichten geben, doch das Gesamtbild ist nicht begeisternd. Und an dieser Stelle würde ich auch sagen wollen, dass wir anstatt der vielen Spekulationen – die Analysen natürlich lesend – uns an dieser Stelle doch auf unsere Erfahrungen stützen sollten. Ungarn musste in den vergangenen dreißig Jahren viele Krisen durchmachen. Diese habe ich alle aus der Nähe gesehen. Ich bin seit 1990 Parlamentsabgeordneter. Manches habe ich als Abgeordneter der Opposition erlebt, zu mancher Zeit war ich Abgeordneter der Regierungspartei bzw. Ministerpräsident, und ich selbst habe die sich auf die Abwehr der Probleme richtende Regierungsarbeit geleitet, weshalb ich Erinnerungen und Erfahrungen habe. Und die am ehesten nutzbare Erfahrung ergibt sich für uns in diesem Augenblick aus dem Umgang mit der Wirtschaftskrise von 2008-2009 im Jahre 2010. Die gesamte Sendezeit des Tages würde nicht ausreichen, um aufzuzählen, wer damals welche guten Ratschläge gegeben hat und wer was gesagt hat. Ich erinnere mich auch noch daran, was jene damals gesagt hatten, die heute im Übrigen erneut jene Politik ablehnen, die wir jetzt verfolgen. Ich weiß, wie das vor neun-zehn Jahren war, und ich kann sagen, wir haben, ich habe auch damals das getan, dass wir den wichtigsten Gesichtspunkt ausgewählt haben, sagen wir den Leitstern, dem man alle anderen Schritte anpassen konnte. Die Lösung einer komplizierten Situation liegt immer in der Vereinfachung. Natürlich kann die übertriebene Vereinfachung zu Fehlern führen, doch je komplizierter eine Lage ist, umso stärker muss man sich auf das entscheidende Moment konzentrieren, darauf, auf das die gesamte Situation basiert, und durch das man die größte Wirkung auf eine sich in einer Krise windende Wirtschaft ausüben kann, und 2010 war dieser Punkt der gleiche wie jetzt, 2020. Und dieser Punkt ist die Frage der Arbeitsplätze und der Arbeit. Ich achte jetzt, ich konzentriere mich also darauf, was jetzt mit den Arbeitsplätzen los ist. Denn wenn es Arbeit gibt, wenn auch nicht genau die, die man sich wünscht, und sie auch nicht so bezahlt wird, wie man das möchte, aber wenn es Arbeit gibt, dann gibt es eine Chance. Wenn es Arbeit gibt, dann kann alles sein. Wenn es keine Arbeit gibt, kann nichts sein. Ich konzentriere mich jetzt also darauf, dass wir die Arbeitsplätze schützen können, und nicht zufällig sage ich – manchmal kämpferischer, das andere Mal in einem intellektuelleren Tonfall –, dass wir so viele Arbeitsplätze schaffen werden, diese Arbeit leite ich, ich übernehme dafür auch persönlich die Garantie, wir werden so viele Arbeitsplätze schaffen wie das Virus zerstört. Wir verfügen über die Instrumente dafür, wir besitzen das Wissen und wir besitzen die Erfahrung. Wir haben ein System der Arbeitslosenhilfe, das jetzt nicht mehr so heißt, sondern modern nennt man es Unterstützung zur Arbeitssuche, zur Stellensuche, doch letztlich ist das eine Arbeitslosenhilfe. Wir geben sie, damit der jeweilige Mensch, der seinen Arbeitsplatz verloren hat, drei Monate hat, um eine Stelle zu finden, die für ihn akzeptabel ist. Das ist also eine Unterstützung bei der Stellensuche. Nach drei Monaten, wenn er diese verloren hat, bekommt er eine das Einkommen ersetzende Unterstützung, von der man – unter uns gesagt – nicht leben kann. Jedoch werden wir ihm außer bzw. statt der das Einkommen ersetzenden Unterstützung etwas anderes, z.B. eine bezahlte Schulung anbieten. Wenn er bereit ist, irgendeine Weiterbildung, eine Umschulung auf sich zu nehmen, dann zahlen wir dafür, damit er an dieser Schulung teilnimmt. Das ist für alle gut, er wird ein Einkommen haben, und wir erhalten einen Menschen, der im Übrigen nach der Umbildung mehr weiß, über ein in breiteren Kreisen einsetzbares Wissen verfügt als zu der Zeit, als er seinen Arbeitsplatz verloren hat. Und wir haben ein System der öffentlichen Arbeit, in das wir sehr viele Menschen hineinlassen können. Wir haben staatliche Firmen, die darauf vorbereitet sind, im Interesse bestimmter Arbeiten die Zahl ihrer Angestellten zu erhöhen. Und letztendlich haben wir auch eine Armee, und wir sehen lebenstüchtige junge Leute gern, wir werben sie für eine halb- und eine ganzjährige Ausbildung an, wenn sie für sich im Bereich der Produktionsarbeit keine passende Stelle finden, dann freuen wir uns selbstverständlich sehr, wenn sie sich für den Dienst für die Heimat melden. Wir verfügen also über Instrumente, mit deren Hilfe wir mit dieser Lage umgehen können. Es wird schwer. Ich will den Ungarn nicht sagen: „Morgen früh werden wir aufstehen, wir gehen aus unserer Wohnung, und das Leben setzt sich dort fort, wo wir aufgehört hatten.“ Hinzu kommt noch, dass ich den Eindruck habe, diese Krise betrifft die verschiedenen Zweige auf unterschiedliche Weise, deshalb wird es Menschen geben, deren Stellen eher in Gefahr geraten, und es wird solche geben, deren Stelle überhaupt nicht betroffen sein wird, denn die Fabrik, in der sie arbeiteten, hat ihre Tätigkeit begonnen und die Produktion läuft unter den alten Bedingungen weiter. Es wird sehr unterschiedliche Auswirkungen geben. Und es gibt eine dritte Sache, die ich mit Sicherheit weiß, und dass ist: In jedem solchen Krisenmanagement, so wie auch bei der Verteidigung gegen die Seuche, ist die Zusammenarbeit die Schlüsselfrage. Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Regierung, Investoren. Das sind alles Geldleute. Wir werden jeden brauchen, um jene wirtschaftspolitischen Elemente zusammenbauen zu können, die uns am Ende in den Zustand um drei Prozent, also den man schon als Vollbeschäftigung bezeichnen kann, zurückbringen, wo wir uns im Übrigen bereits vor der Krise befunden hatten. Ich versuche also auch in der Krise die Zusammenarbeit zu erschaffen, und ich werde sie auch ins Leben rufen, so wie uns das trotz der Debatten auch 2010 gelungen ist, diesen Zusammenhalt zu verwirklichen. Selbst die die größten Lasten tragenden Bänker, denn wir hatten eine schwerwiegende Bankensteuer erlassen, und auch die Multis hatten wir besteuert, selbst sie waren bereit am Neustart der Wirtschaft teilzunehmen. Jetzt geht es um etwas mehr, denn nicht nur die Wirtschaft muss neugestartet werden, sondern unser Leben, und unser Leben ist mehr als die Wirtschaft. Das wird etwas schwieriger als es 2010 gewesen war, doch ist auch diese Aufgabe unter Anwendung jener Erfahrungen lösbar.
Kurz, am Ende unseres Gesprächs: Können Sie am Muttertag zu Ihrer Mutter gehen und ihr einen Strauß Blumen überreichen?
Das Hingehen ist ja noch in Ordnung, aber wie übergebe ich ihn ihr, wo doch die einzuhaltende Entfernung anderthalb Meter beträgt? Hier stoße ich dann ja doch auf Schwierigkeiten, und es lebt ja auch noch meine Großmutter, sie hat vor kurzem ihren 99. Geburtstag gefeiert, ich freue mich also, dass ich Personen habe, die ich am Muttertag überraschen kann. Ich wünsche einem jeden, dass er die Möglichkeit findet, damit seine Mutter fühlen kann, sie hat einen Sohn, und jedem Sohn wünsche ich, dass er fühlen kann, er hat eine Mutter. Also Gott segne die Mütter!
Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.