8. November 2019
Katalin Nagy: Innerhalb von acht Tagen waren drei bedeutende Politiker in Budapest. Letzte Woche der russische Präsident Putin, dann der deutsche Außenminister und gestern der türkische Präsident Erdoğan. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán! Was ist die Bedeutung dieses dichtgedrängten diplomatischen Programms? Denn es scheint so zu sein, dass es von vielen kritisiert wird.
Zunächst einmal wünsche ich einen guten Morgen! Ich möchte den Budapestern meinen Dank aussprechen, denn jeder solche diplomatische Großbetrieb ist mit Unannehmlichkeiten verbunden, und wir sind dankbar, dass die Budapester dies akzeptiert oder zumindest zur Kenntnis genommen haben. Wenn noch dazu auch noch eine umstrittene Persönlichkeit kommt und es Demonstrationen gibt, dann verursachen diese zumindest ein noch einmal so großes Durcheinander wie die Sicherung des Gästebesuchs. Auf die Frage antwortend pflegen wir zu sagen, dass kein Land seine Hausnummer ändern kann, es liegt dort, wo es liegt, wohin es der liebe Gott erschaffen hat oder wo es sich eine Heimat genommen hat. Wir haben unsere Heimat so genommen, dass links Berlin, rechts Moskau, südlich Istanbul liegt. Das ist nun einmal so, ganz gleich ob wir es wollen oder nicht. Man kann verschiedenste Träume, verschiedenste Philosophien spinnen, wen wir am meisten in der Welt lieben, doch die Realität ist die, dass sich links der Boden der deutschen eisernen Kanzler, rechts der der slawischen Soldatenvölker und im Süden der der gewaltigen muslimischen Menschenmassen befindet. In diesem Dreieck lebt Ungarn sein Leben, es ist die Aufgabe unserer Regierungen, jetzt schon seit vielen hundert Jahren, in dieser Region ein Gleichgewicht herzustellen, Frieden, Sicherheit zu schaffen und Verbindungen in alle drei Richtungen etablieren, damit diese drei Hauptstädte, diese drei Mächte, die viel größer sind als wir, am Erfolg Ungarns interessiert sind. Das ist auch meine außenpolitische Philosophie. Man muss dafür arbeiten, dass möglichst viele Länder der Welt, besonders die in regionaler Hinsicht bestimmenden Länder am Erfolg Ungarns interessiert sein sollen, sie es nicht einfach nur tolerieren, akzeptieren, und sich vor allem nicht dagegen wenden, sondern auch selbst interessiert sein sollen. Man muss also auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts die gemeinsamen Interessen finden, und wenn wir diese finden, dann kooperieren wir mit jedem, und dann herrscht in Ungarn Ruhe, Frieden, Sicherheit, und dann hängt es nur noch von uns, Ungarn, ab, was wir erreichen, denn äußere Kräfte werden uns nicht daran hindern, unseren Fleiß und unser Talent zu entfalten.
Welche sind diese gemeinsamen Interessen, die diese Länder mit Ungarn verbinden?
Jedes Volk besitzt Sicherheitsinteressen. Die Russen ebenso wie die Deutschen und auch die Türken. Man muss mit ihnen kooperieren. Die Türkei ist Mitglied der NATO, Deutschland ist Mitglied der NATO, da ist das also einfacher, und den Russen muss man klar machen, und da kann man auch auf die Geschichte zurückverweisen, dass es nicht gut ist, wenn wir an gegeneinander gerichteten militärischen Aktionen teilnehmen. Die Russen haben mal unter dem Namen Sowjetunion und mal unter dem Namen des zaristischen Russlands an militärischen Aktionen gegen Ungarn teilgenommen, und im Übrigen haben auch wir an der Seite der Deutschen an militärischen Aktionen teilgenommen, in deren Verlauf wir das Territorium der Russen betreten haben. Es ist besser, so etwas zu vermeiden, und an Stelle dessen zwischenstaatliche Verhältnisse zu schaffen, damit beide Seiten das Gefühl haben können, der andere gefährde nicht seine Sicherheit. Und dann gibt es natürlich wirtschaftliche Interessen. Wir leben in einer modernen Welt, für die ungarische Wirtschaft ist das gut, denn wenn die Ungarn nicht die Möglichkeit hätten, die hier produzierten Waren im Ausland zu verkaufen, dann würden wir viel schlechter leben. Also ist die gegenwärtige, im Übrigen mit vielen Unannehmlichkeiten einhergehende international werdende Weltwirtschaft insgesamt für Ungarn von Vorteil, denn sie vergrößert unsere Exportmöglichkeiten, und dazu sind Märkte notwendig. Wir wollen also nach Deutschland, in die Türkei, nach Russland liefern, und sie hierher, und das müssen wir auf die Weise regulieren, dass sie nach Möglichkeit derartige wirtschaftliche Aktivitäten in Ungarn durchführen, die den ungarischen Mitbewerbern nicht wehtun, während wir zugleich solche Waren dort verkaufen können sollten, die wir in Ungarn herzustellen in der Lage sind. Und es gibt immer auch noch eine Welt, die wir die Volksdiplomatie nennen, denn es ist eine Sache, in was für einem Verhältnis die Regierungen zueinander stehen, am wichtigsten ist aber, in was für einem Verhältnis die Menschen zueinander stehen, deshalb ist es gut, wenn wir gegenseitig unseren Jugendlichen Stipendien verleihen, sie sollen reisen, sie sollen kommen, sie sollen sich gegenseitig kennenlernen. Es ist gut, wenn es eine kulturelle Kooperation gibt, wenn man Kulturgüter von uns mitgenommen hat, dann ist es immer gut, wenn wir diese zurückbekommen können. Wenn wir an gemeinsamen kulturellen Programmen teilnehmen können, wenn wir ungarische Tage im Ausland abhalten, sie halten hier ihre eigenen nationalen Tage ab, das alles bringt die Menschen einander näher, und das bringt uns dem Frieden und der Stabilität näher.
Hier haben aber in der Innenpolitik die Oppositionsparteien dieses Ereignis doch dazu genutzt, um auszuführen, dass sie die Außenpolitik der ungarischen Regierung für falsch halten, denn wozu müsse man zum Beispiel Erdoğan empfangen, wozu müsse man Putin empfangen. Doch ist es so, als ob man auch in der Europäischen Union eine derartige Gespaltenheit empfinden könnte, denn dort sagt man, im Grunde sei es nicht schlecht, als ob man sich sogar darüber freuen würde, dass es jemanden gibt, der zum Beispiel mit Erdoğan sich abgibt und mit ihm redet, denn es ist ja doch auch das Interesse Europas, dass die sich dort seit vier oder fünf Jahren aufhaltenden Flüchtlinge auf den Weg machen.
Es ist ja nun nicht meine Aufgabe, das Verhalten der Opposition zu qualifizieren, obwohl die Versuchung groß ist, aber zweifellos geht es darum, dass sie die Sache nicht verstehen. Ich sehe also keine böse Absicht in ihrem Verhalten, sondern eher Unwissenheit. Sie können es also nicht auffassen oder sie wollen es nicht verstehen, dass man ohne die Türkei den nach Ungarn und Richtung Europa sich bewegenden Strom von Millionen von Migranten ganz einfach nicht aufhalten kann. Sie wollen nicht verstehen, dass man Präsidenten Erdoğan, der zweifellos über eine starke, dem des amerikanischen Präsidenten ähnliche verfassungsmäßige Position verfügt, also ein starker Mann ist, entfernen, dass viele Länder ihn aus seinem Stuhl entfernen wollen, und das ist im Interesse der die Einwanderung befürwortenden Kräfte, denn wenn es in der Türkei keine Kraft, kein Gleichgewicht, keine Sicherheit, keine Berechenbarkeit und keine Ordnung gibt, dann werden die Türken die Migranten nicht aufhalten, und dann wird sich der Traum der die Einwanderung befürwortenden Kräfte, dass Migranten in einer Größenordnung von Millionen nach Europa kommen, bewahrheiten. Dies hat ja George Soros in seinem berühmten Plan geschrieben, in dem er sagte, Europa benötige pro Jahr eine Million von Migranten. Solange Erdoğan der Präsident ist und Europa mit ihm übereinkommen kann, und er als Ergebnis dieser Übereinkunft die Tore der Türkei für die Migranten nicht Richtung Europa öffnet, sondern Richtung Syrien, wenn er ihnen den Weg nach Hause öffnet, dann sind wir so lange in Sicherheit. Man kann den türkischen Präsidenten also lieben oder nicht lieben, ich empfehle aber, wir sollten wagen, Ungarn zu sein. Früher war ja die Losung der postkommunistischen Regierung: „Wagen wir es, klein zu sein!“ Das war der Leitstern der ungarischen Außenpolitik. Ich empfehle stattdessen die Richtung: „Wagen wir es, Ungarn zu sein!“ Es gibt ungarische Interessen, wir sollten auf Grund dieser vorgehen. Hierüber lohnt es sich etwa auch mit der Opposition und mit jedem anderen zu reden. Sie führen hier zum Beispiel die Angelegenheit der Kurden an. Auch hier haben wir es mit einem Fall von Unwissenheit zu tun, denn Ungarn bietet nämlich kurdischen Gemeinschaften bedeutende Unterstützungen. Die im Irak lebenden Kurden unterstützen zum Beispiel wir finanziell, mit Schulen, mit Spitälern, ja wir bilden sogar Soldaten aus. Zweihundert ungarische Soldaten bilden – unter im Übrigen nicht ungefährlichen Umständen – kurdische Soldaten in dem im Irak liegenden Teil der kurdischen Gemeinschaft aus. Ich versuche, wir versuchen also mit allen Volksgruppen der Welt auf die Weise zu kooperieren, dass dies dabei die ungarischen Interessen nicht verletzen, sondern stärken soll, dort, wo es notwendig ist, mit den Türken, und dort, wo es notwendig ist, mit den Kurden, und wo es möglich ist, dort mit den Russen. Dies ist meiner Ansicht nach eine komplizierte Maschinerie, ich verstehe es, dass man dies aus der Opposition heraus nur schwer durchschauen kann. Ich freue mich, dass man die ungarische öffentliche Meinung eher auf die Weise interpretieren kann, dass sie diese auf nationalen Grundlagen beruhende Außenpolitik unterstützt, und zusammen mit den Unannehmlichkeiten im Straßenverkehr und zusammen mit den geistigen Komplikationen glaube ich, man unterstützt und akzeptiert die auf nationaler Grundlage stehende Außenpolitik.
Dieses Jahr haben Sie außer Erdoğan und Putin auch Bundeskanzlerin Merkel und Trump, den amerikanischen Präsidenten getroffen. Demnach sind also alle an Ungarns Erfolg interessiert, hat die ungarische Fähigkeit zur Durchsetzung der eigenen Interessen hier in der Mitte Europas zugenommen?
Schauen Sie, ich kann nicht behaupten, dass der amerikanische Präsident, der russische Präsident, die deutsche Kanzlerin oder der türkische Präsident – ich habe auch führende chinesische Politiker getroffen und werde auch noch Japaner treffen –, dass sie mit dem Gedanken aufwachen und mit ihm einschlafen, was sie im Interesse Ungarns machen könnten, hier sind wir nun doch noch nicht, aber wenn die Angelegenheit Ungarns zur Rede kommt, dann ist der erste Reflex, dass es sich dabei um ein befreundetes, kooperierendes, zuverlässiges Land handelt. Und wenn dies der Ausgangspunkt ist, dann kann man von hier aus in jeder strittigen Frage auch für Ungarn günstige Lösungen finden. Im Übrigen ist die ungarische Wirtschaftspolitik ausgesprochen derart, dass wir einerseits überall einen Markt schaffen, einen Markt für die in Ungarn hergestellten Produkte von Amerika bis Japan, von der Türkei bis Russland öffnen, und dabei Investitionen aus dem Ausland aufnehmen, die insgesamt die ungarische Wirtschaft stärken. Die Amerikaner zeigen sehr gute Leistungen, auch die Russen fangen sich, die Deutschen waren immer schon bestimmend. Gestern haben wir mit den Türken mehrere Wirtschaftsabkommen abschließen können, zum Beispiel wird Gas aus der Richtung der Türkei kommen, was die Energiesicherheit Ungarns erhöht. Insgesamt mag ich, ehrlich gesagt, diesen Teil meiner Arbeit, die im Rahmen einer komplizierten internationalen Konstellation den Weg zu finden versucht, auf den es sich für Ungarn voranzuschreiten lohnt, und, natürlich soll man sich nicht selbst loben, aber ich habe das Gefühl, im Vergleich zu unserer früheren, sich auf die Minderwertigkeit aufbauenden, nicht auf nationaler Grundlage stehenden Außenpolitik steht das, was jetzt geschieht, viel eher im Einklang mit der Gefühlswelt der Ungarn. Wir sind also Ungarn, wir sind stolz auf unsere Heimat, wir sind stolz darauf, was wir sind. Dieses Land hat ja eine politische Philosophie, diese stimmt mit der persönlichen Lebensphilosophie von vielen von uns überein, diese können wir auch in einem Wort zusammenfassen, was im Großen und Ganzen „Augenhöhe“ heißt. Der ungarische Mensch mag weder nach oben noch nach unten blicken, wenn er einem anderen Menschen begegnet, sondern er mag es, wenn das Verhältnis auf Augenhöhe ist. Danach werden wir dann sehen, was das Leben mit sich bringt, ob jemand unsere Anerkennung sich verdient oder eher Enttäuschung in uns weckt, dementsprechend werden wir dann nach oben oder nach unten blicken. Doch der Ausgangspunkt ist immer die Augenhöhe, eine Chance steht jedem zu. Dies steckt meiner Ansicht nach sehr tief im ungarischen Charakter, dessen moderne Variante ist das, was wir als bürgerlich zu bezeichnen pflegen, den Menschen muss man auf Grund seiner Leistung und seiner Tugenden beurteilen. Diese Augenhöhe ist also die notwendig bescheidene, zugleich aber selbstbewusste Position auch in der Außenpolitik.
Sie formulierten dahingehend, eine Außenpolitik auf nationaler Grundlage sei notwendig. Anscheinend hat dies im Fall der gemeinsamen NATO-Erklärung zur Ukraine Erfolg gehabt, denn Ungarn hat gesagt, es werde diese Erklärung nicht unterschreiben, es werde ein Veto dagegen einlegen, wenn nicht in den Text aufgenommen wird, was die ungarische Regierung möchte, dass es aufgenommen werden soll, gerade in der Sache der ungarischen Minderheit in Transkarpatien. Nach dem Ablauf der Frist haben die Ukrainer modifiziert, nicht wahr?
Hier kommen zwei Dinge zusammen. Das eine ist, dass es in Transkarpatien offensichtlich nationale Interessen gibt, denn mindestens 150 tausend ungarische Menschen leben in Transkarpatien, die niemals ihr Dorf oder ihre Stadt verlassen haben, und trotzdem waren sie in den vergangenen 100 Jahren Bürger von 5-6, aber manche sogar von 7 verschiedenen Staatsformationen. Das ist eine heikle Situation, wir reagieren sensibel darauf, was mit unseren Landsleuten geschieht, wenn sie nicht auf dem ungarischen Staatsgebiet leben, und wir unternehmen auch alles im Interesse dessen, ihnen beizustehen. Denn wenn wir ihnen nicht beistehen werden, wer wird es denn sonst tun? Eine derartige, sich selbst überlassene, sich in einer schwierigen Situation befindende Volksgruppe, die mit Recht die Unterstützung der jeweiligen ungarischen Regierung beansprucht. Das war nicht immer so. In Ungarn besitzt die Nationalpolitik zwei Richtungen, wir haben eine auf nationalen Grundlagen stehende Politik, das ist die, die wir verfolgen, und es gibt eine, wie soll ich es ausdrücken, ohne verletzend zu sein, eine auf internationaler Grundlage stehende nationalpolitische Betrachtungsweise. Sagen wir „Momentum“ ist so eine Organisation, die jetzt in Rumänien, wo es gerade jetzt Präsidentschaftswahlen gibt, nicht den durch die Ungarn, die in Rumänien lebenden Ungarn aufgestellten Präsidentschaftskandidaten unterstützt, sondern einen rumänischen Menschen. Jetzt – wie soll ich es ausdrücken – kann man so etwas tun, nur möchte ich andeuten, dass dies eine ganz andere Welt ist, das ist eine andere Denkweise, das ist die auf die Überzeugung und die Lebensbetrachtung des SZDSZ, der internationalen Kosmopoliten aufbauende Außenpolitik oder Nationalpolitik. Unsere ist nicht so, denn wir stehen auf nationaler Grundlage, deshalb vertreten wir auch in den Diskussionen im Zusammenhang mit den Verbindungen zwischen der Ukraine und der NATO den Standpunkt der Ungarn. Doch geht es um eine noch wichtigere Sache als diese, denn die Ukraine hat einen Vertrag mit der NATO unterzeichnet, an die sie sich annähern möchte. Darin hat sie sich dazu verpflichtet, auch in den vor uns stehenden Jahren die den auf ihrem Gebiet lebenden Minderheiten, so auch den Ungarn die ihnen zustehenden Rechte nicht zu mindern. Sie kann sich der NATO also annähern, weil sie bereit ist, die gleichen Werte, die gleiche Weltsicht zu teilen, nach der den auf dem Territorium ihres Landes lebenden Minderheiten das gegeben werden muss, was ihnen zusteht. Und die Ukraine hat sich dazu verpflichtet, und jetzt wird die Sache natürlich gerade auf dem Rücken der Ungarn ausgetragen, wo die Ukrainer dies nicht erfüllen, aber es handelt sich dabei nicht nur um eine ungarische Angelegenheit, denn wie sollten wir mit jemanden zusammenarbeiten wollen, der etwas, das eindeutig in einer vor anderthalb Jahren geschlossenen Vereinbarung enthalten ist, nicht einhält? Das ist also mehr als eine ungarische Angelegenheit, hier geht es um die innere Kohäsion der NATO, um die innere Festigkeit der NATO, auch deshalb müssen wir uns nicht nur für Ungarn engagieren, sondern wir setzen uns auch für die Kohäsion der NATO, für ihre zusammenhaltende Kraft ein, wenn wir auf diese Weise auftreten. Doch hoffe ich bei alledem, dass es eine Änderung geben wird, den über lange Jahre hinweg gab es in der Ukraine eine antiungarische Regierung, jetzt gibt es einen neuen Präsidenten. Dort stellt sich die neue Administration nur schwer auf, aber sie kommen voran. Ich bin zuversichtlich, dass der neue Präsident keine antiungarische Politik verfolgen wird, und wir sogar anstatt dieser eine enge ukrainisch-ungarische Kooperation werden ausbilden können, das wäre gut für die Ukrainer, das wäre gut für Ungarn, und es wäre auch gut für die Ungarn in Transkarpatien.
Der Zuständige der abdankenden Europäischen Kommission hat den Haushalt für die kommenden sieben Jahre für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zusammengestellt. Dieser gefällt vielen nicht, auch die V4 formulierten, dass sie diesen Haushalt für ungerecht halten. Welche Vorschläge haben Sie?
Wir vertreten sehr einfache Grundsätze, aber wie das auch im Leben zu sein pflegt, gilt dies auch für die internationale Politik: Die einfachsten Argumente sind die stärksten und die wichtigsten. So eines ist zum Beispiel jenes, dass wenn es etwas gibt, das funktioniert, das sollten wir nicht kaputtmachen oder sollten wir nicht verbessern wollen. Es gibt zwei erfolgreiche Gebiete der europäischen Politik, das eine ist die Landwirtschaftspolitik, die EU gibt hierfür in allen Ländern sehr viel Geld aus, auch in Ungarn, aber auch in Frankreich und Deutschland, auch bei den Polen. Und das andere ist jenes, dass man in diesem Rotwelsch als Kohäsionspolitik zu bezeichnen pflegt, was ich auf Ungarisch vielleicht als „Politik zur Unterstützung des Aufschließens, des wirtschaftlichen Aufschließens der ärmeren Länder“ formulieren würde. Das sind zwei erfolgreiche Zweige. Das hat also funktioniert, wir möchten also, dass dies für die kommenden sieben Jahre – denn es handelt sich hier nicht um einen Jahreshaushalt, sondern um einen für sieben Jahre – nicht verändert werden soll. Andere Länder wollen auch neue wichtige Politiken starten, Militärpolitik, Klimapolitik. Es gibt auch noch andere Initiativen, so die wissenschaftliche Forschungsentwicklung. Wir sagen: „In Ordnung, starten wir neue, aber nicht auf Kosten der alten, diese sollten wir beibehalten.“ Das ist die erste Wahrheit, sozusagen, die wir vertreten. Die andere schwierige Situation ergibt sich aus dem Austritt der Briten aus der Europäischen Union. Ich betrachte das als eine Tatsache, obwohl dort noch innere Kämpfe geführt werden, sich Schubsereien und Ellenbogeneinsatz ereignet, doch müssen wir damit rechnen, dass die Briten austreten. Die Briten haben viel Geld in den Haushalt der EU eingezahlt, das wird jetzt fehlen. Die Frage ist, ob wir dieses fehlende Geld ersetzen oder nicht. Also zahlen wir mehr ein, und dann bleibt die Summe erhalten, oder jeder verzichtet aus dem auf ihn aus dem Haushalt entfallenden Geld in dem Maße, wie die Briten es mit sich nehmen. Meiner Ansicht nach wäre es gerecht, wenn dies als eine dem Maß des Ausfalls der britischen Zahlungen entsprechende Senkung verwirklicht werden würde, aber es gibt Länder, die dies nicht wollen, sondern daran basteln, dass das Geld für einige Länder in einem stärkeren Maß abnehmen soll, ihres aber nur weniger. Das ist nicht gerecht, vor allem so erst recht nicht, dass sie die auf die ärmeren Länder entfallenden Summen und Ansprüche senken wollen, während sie die auf die reicheren entfallenden beibehalten, ja sogar erhöhen wollen, auch das ist nicht gerecht. Wenn wir Summen mindern, weil wir dazu gezwungen sind, dann kann man das nicht auf Kosten der Ärmeren machen. Das sind also die sehr allgemeinen Prinzipien. Ich möchte noch erwähnen, dass auch bei den Einzahlungen nicht alles in Ordnung ist, denn in der EU gilt ein spezielles Berechnungssystem, und wenn wir das gesamte Bruttosozialprodukt der einzelnen Länder ansehen und wir im Verhältnis dazu berechnen, wer wieviel bezahlen sollte, dann stellt sich heraus, dass viel reichere Länder als wir weniger einzahlen als Ungarn, zum Beispiel Schweden zahlt weniger ein. Das ist so wegen des speziellen inneren Berechnungssystems, das haben früher die Briten hereingebracht, sie treten jetzt aus, und wir möchten, dass diese speziellen Berechnungssysteme aufhören zu existieren, und der Haushalt der EU gerechter sein soll. Und von solchen Diskussionen gibt es noch etwa ein halbes Dutzend. In dem vor uns stehenden einen Jahr – jetzt folgt dann die kroatische Präsidentschaft in der EU, danach kommen dann die Deutschen – werden wir meiner Ansicht nach in dem ersten Halbjahr unter den Kroaten noch zu keiner Einigung gelangen können, aber unter den Deutschen kann es gelingen. In der zweiten Hälfte des Jahres kann also meiner Ansicht nach der nächste Haushalt der EU für sieben Jahre fertig sein, der gerechter sein kann, als es der vorherige war.
An der Regierungssitzung diese Woche hat der neue Oberbürgermeister von Budapest teilgenommen. Ist schon erkennbar, welche jene Investitionen sind, die der Oberbürgermeister und das Stadtparlament unterstützen, und welche es sind, die er nicht bauen lassen will?
Wir befinden uns in einer interessanten politischen Situation. Die Kommunalwahlen sind durchgeführt worden, bei denen die Regierungsparteien empfindliche Verluste erlitten haben, auch wenn sie insgesamt diese Wahlen gewonnen haben, und dies zeigt sehr deutlich, dass man die Opposition ernst nehmen muss, es gibt also eine ernsthafte politische Auseinandersetzung und ein ernsthaftes politisches Gefecht in Ungarn. Dies stört die Opposition natürlich nicht darin, auch weiterhin die Diktatur vorzugaukeln, also sie tun so, als wären wir in einer Diktatur, dabei gewinnen sie in mehreren großen Siedlungen, so auch in Budapest, die Kommunalwahlen, was an sich schon mehr als nur witzig ist. Zum Glück hat sich beim Besuch des Herrn Oberbürgermeisters nichts desgleichen ereignet, er hat – jedenfalls auf der Sitzung – keine Diktatur vorgegaukelt, sondern sich so, wie es die Budapester verdienen, zu unseren gemeinsamen Angelegenheiten gestellt. Es gibt eine große Liste, die die Budapester Investitionen umfasst, diese haben wir früher mit István Tarlós gemeinsam zusammengestellt. Meiner Ansicht nach kann man die letzten neun Jahre im Leben der Hauptstadt als das „Goldene Zeitalter“ ansehen, vielleicht ist es auch etwas vermessen, dies so früh schon zu behaupten, denn man muss den Historikern auch noch etwas überlassen. Jedoch lohnt es sich jetzt vielleicht, da István Tarlós nicht mehr der Oberbürgermeister ist, ein Resümee anzufertigen, und ich kann sagen, Budapest hatte aus dem Grunde im Vergleich zu allen Zeiten zuvor aus dem Grund herausragende neun Jahre, weil die Hauptstadt mit der Regierung darüber übereinkommen konnte, wie wir Budapest entwickeln sollen. Budapest ist ja das Zuhause der Budapester, der Oberbürgermeister, István Tarlós hat ja auch diesen Standpunkt vertreten, doch ist dies auch das Herz der Nation und auch die Hauptstadt der Nation. Es ist also so etwas, wie – sagen wir – für die Juden Jerusalem. Es gibt nur eins davon, jeder, der ein Ungar ist, muss früher oder später einmal in seinem Leben nach Budapest kommen, denn dies ist ja doch die Hauptstadt der Nation. In diesem Sinne muss man nicht nur das Leben der hier Lebenden bequemer machen, sondern dabei muss diese Stadt auch eine große nationale Sendung erfüllen, und diesen Gesichtspunkt pflegt am ehesten die Regierung zu vertreten. Soweit ich das sehe, hat das der Herr Oberbürgermeister, der alte und auch der neue verstanden. Dazu sind natürlich Entwicklungen notwendig, also damit Budapest tatsächlich die Hauptstadt der Nation sein kann, muss es sich entwickeln. Worin und wo, darüber gibt es die Diskussionen, und da es jetzt zu einem Kurswechsel in Budapest gekommen ist, also langsam alle Leute der alten linken Regierung zurückgekommen sind, die – wenn ich das richtig sehe – eine andere Anschauung vertreten als die von István Tarlós, da muss man sich in solchen Situationen auf eine Liste der Investitionen einigen. Ich habe also den Herrn Oberbürgermeister über etwa 15-20 Projekte gefragt, ob er sie will oder nicht will, ob er sie möchte oder nicht möchte, denn wir dürfen nicht in die Situation geraten, dass sich in der Budapester Politik ein einen schalen Beigeschmack besitzender Hickhack darüber entwickelt, dass die Regierung auf dem Territorium Budapests irgendetwas machen möchte, mit dem im Übrigen die Bewohner des Bezirkes oder der Hauptstadt nicht einverstanden sind. Auf diese Weise kann man nicht normal leben. Ich möchte also eine Übereinkunft in diesen Angelegenheiten, und hier kann ich nur eine Sache tun: Ich nehme die Entscheidung des Stadtparlaments und des Oberbürgermeisters zur Kenntnis.
Musste etwas von der Liste gestrichen werden?
Das musste es, viele schmerzhafte Dinge musste ich streichen. Dieser Vormittag war für uns also nicht angenehm. Wir mussten Träume aufgeben. Zum Beispiel ist das Stadtwäldchen zusammen mit den mehreren dort bereits verwirklichten Investitionen das größte kulturelle Entwicklungsprogramm der gesamten westlichen Welt, darin liegt keinerlei Übertreibung, verstehen Sie es also so, wie ich es gesagt habe, also das gilt von Amerika bis zum Balkan. So etwas gibt es nirgendwo, es ist alleinstehend, wir gewinnen damit alle Preise in der Welt.
Ich wollte das gerade sagen, es hat schon sehr viele Preise erhalten.
Alle Welt kommt hierher, um zu betrachten, dass es im 21. Jahrhundert noch ein Land gibt, dem die Kultur, die eigene Sprache, die eigenen künstlerischen Werte so wichtig sind, dass es dafür eine derart gewaltige materielle Opfer fordernde Investition auf sich nimmt. Jetzt haben sie dies ins Stocken gebracht. Ich sage nicht, sie hätten es verhindert, denn vielleicht wird es noch was, also die Hoffnung stirbt zuletzt, doch ist jetzt die Situation, dass der Oberbürgermeister gesagt hat, ich soll die Pläne über die Nationalgalerie von der Liste streichen, ich soll die Pläne hinsichtlich des Hauses der Ungarischen Wissenschaft und Innovation von der Liste streichen – was übrigens ein altes Gebäude ist, das zerstört worden war und das wir gerne wiedererrichtet hätten, es gibt also auch den Aspekt der historischen Genugtuung – und ich soll auch die Pläne für die Wiedererrichtung des Theaters im Stadtwäldchen streichen, was ebenfalls ein früher bereits existierendes schönes Jugendstilgebäude war. Was eine angenehme Überraschung darstellte, war seine Antwort auf die Frage, wie er zu der Wiedererrichtung der Regnum Marianum Kirche steht, die die Kommunisten gesprengt hatten, da war er konzilianter und sagte, darüber sollten wir noch sprechen. Aber so ist dieses Stadtwäldchen-Programm ins Stocken geraten. Etwas wird daraus, denn das, was schon angefangen wurde, kann man nicht mehr zurückbauen, da die Hauptstadt dies nicht bezahlen könnte, vielleicht möchten sie die damit verbundenen Kosten auch gar nicht tragen. Sicher ist aber, dass dies als das größte kulturelle Programm der westlichen Welt aufgehört hat zu existieren oder zumindest ins Stocken geraten ist.
Nun hat aber Debrecen angeboten, dass sie gerne das Haus der Innovationen oder auch die Athletikhalle bauen und man könne dann dort die WM abhalten.
Natürlich, natürlich. Schauen Sie, auch in der Provinz leben Menschen, und auch sie sind Ungarn und auch sie möchten gut leben, nicht nur die Budapester. Also haben natürlich die Menschen auf dem Lande Recht. Dies ist in Ungarn eine alte Diskussion, die ich nicht gerne aufwärme, da ich ein Anhänger der nationalen Kooperation bin, und nicht der Verschärfung des Gegensatzes zwischen Hauptstadt und Provinz. Man kann also natürlich sehr viele Dinge in der Provinz verwirklichen, ja man muss es auch tun, aber dies ist ja doch die Hauptstadt der Nation, Budapest befindet sich doch in der Mitte unseres Herzens. Was man also hier verwirklichen müsste, wäre besser hier verwirklicht und nicht auf dem Lande. Wir werden natürlich mit dem Athletikverband Gespräche führen, was geschehen soll, wenn Budapest „Nein“ sagt. In dieser Angelegenheit hat im Übrigen der Herr Oberbürgermeister eingeräumt, dass sie zu dieser Sache negativ eingestellt sind, er hat also gesagt, dass wenn es im Stadtparlament morgen zur Entscheidung käme, dann würden sie sich gegen die Austragung der Athletik-WM und den Bau des Athletikstadions aussprechen, aber er sagte, wir sollen bis zum Ende des Monats damit noch warten. Wir können aber bis dahin nicht warten, denn wir müssen bis zum 15. mit dem Leichtathletik-Weltverband zu einer Einigung kommen, aber bis dahin sind es noch einige Tage oder vielleicht auch ein-zwei Wochen, vielleicht ändert sich der Standpunkt des Stadtparlaments. Sehr viele Menschen haben sich gerührt, denn es ist eine Sache, dass es eine Regierung und ein Stadtparlament und einen Oberbürgermeister gibt, aber es gibt hier auch Menschen, und wenn ich es richtig sehen, dann haben jetzt schon in der Größenordnung von etwa zehn-zwanzigtausend Intellektuelle, sich für geistige Dinge oder die Kultur interessierende Menschen jene Initiative unterschrieben, dass wir das Stadtwäldchen-Projekt verwirklichen sollen, und ich sehe auch eine Bewegung unter den den Sport liebenden Ungarn – die Leichtathletik ist ja doch der fünft erfolgreichste Zweig der ungarischen Sportgeschichte, es ist ein Basissportzweig, die Grundlage für die Bewegung jedes Kindes. Also auch sie möchten, dass wir Druck auf die Entscheidungsträger ausüben könnten. Es werden spannende Wochen.
Wir haben nur noch sehr wenig Zeit, eine halbe Minute. Der Tourismus – wenn die Hauptstadt schon als Hochburg des Tourismus in Ungarn zur Sprache gekommen ist – hat sehr gute Ergebnisse erreicht. Das müsste man weiterentwickeln.
Schauen Sie, ich würde zu den gestrichenen Angelegenheiten auch jene zählen, die nicht der Herr Oberbürgermeister zur Sprache gebracht hat, sondern der Bürgermeister des XI. Bezirks, der geäußert hat, dass in seinem Bezirk geplante, ja bereits in der Phase der Planung befindliche große Budapester Superkrankenhaus werde auch nicht gebraucht. Also hier würde ich noch einige Gespräche führen, denn ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass aus dem Programm, das als Stadionstopp begann, ein Krankenhaustopp werden soll. Also davon war keine Rede. Wenn also Budapest sicher ist, wenn die medizinische Versorgung gut ist, wenn die öffentliche Sicherheit stabil ist, wenn man in der Stadt frei fahren kann, wenn die Stadt schön ist, wenn wir über kulturelle Attraktionen verfügen, dann gibt es einen Grund, nach Ungarn zu kommen und dann entwickelt sich auch der Tourismus. Diese Dinge hängen miteinander zusammen. Wenn Budapest und Ungarn so wären wie die anderen Länder, wer wäre denn dann neugierig auf uns? Die Menschen kommen aus allen Teilen der Welt nur deshalb hierher, weil nicht so sind wie die anderen Teile der Welt, sondern wir sind die Ungarn, das hier ist Ungarn, das hier ist Budapest. Ich bin der Ansicht, je mehr wir die ungarische Kultur vorstellen können, das ungarische Denken, die ungarische Denkweise, jene Leistung, die unsere Ahnen auf dreißig und einige Generationen zurück hier zusammengetragen haben, desto attraktiver werden wir erscheinen. Und deshalb kommen die Menschen hierher, Ungarn ist ein ungarischeres Land, als es früher gewesen war, es bekennt sich stärker zu sich selbst als früher, und deshalb sind wir auch für die Welt interessanter geworden. Hinzu kommt noch, dass meiner Ansicht nach für die Ungarn dieser Tourismus eine Ausdrucksform der Heimatliebe ist – nur ist das ein hässliches Wort, dieses Wort „Tourismus“, deshalb verstehen wir es nicht, aber es gibt dafür eine ungarische Entsprechung, die da lautet „Gastfreundschaft“. Der Mensch lädt also Gäste in sein Land ein. Warum? Weil er stolz ist, er seine Heimat, sein Haus, alles, was er hat, zeigen möchte. Ich bin also der Ansicht, dass für uns, die wir wegen unserer Sprache in einer eigentümlichen Ausgesperrtheit in der Welt leben, es besonders wichtig ist, Gäste in Ungarn zu empfangen, sie zu bewirten, und wenn sie auch noch bereit sind, dafür zu zahlen, dass wir ihnen Ungarn zeigen, dann ist das für uns auch noch ein doppelter Gewinn. Der Zweig der Gastronomie, des Tourismus weist heute einen Beitrag von mehr als zehn Prozent innerhalb der gesamten ungarischen Wirtschaftsleistung auf. Ich habe um 16% gebeten, also als wir vor Jahren die Touristikagentur geschaffen haben, sind wir darin verblieben, zu versuchen, die 16% zu erreichen. Das ist oder das wäre im Übrigen beispiellos. Wir schreiten in diese Richtung, mehr als 400 tausend ungarische Menschen verdienen für sich und ihre Familie ihr Brot im Bereich Tourismus und Gastronomie. Hier sprechen wir also nicht nur hinsichtlich der makrowirtschaftlichen Zahlen, sondern auch hinsichtlich des wirklichen Lebens im Alltag über ein äußerst wichtiges Gebiet, das sich gut entwickelt und es ist die Absicht der Regierung, dass sich dies fortsetzen soll. Ich bin den im Tourismusbereich arbeitenden Menschen dankbar, denn sie haben auch in den vergangenen zwei-drei Jahren eine phantastische Leistung gezeigt.
Vielen Dank. Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.