13. Januar 2017

Éva Kocsis: – Es ist drei Minuten nach halb acht. Im Studio anwesend ist Ministerpräsident Viktor Orbán, guten Morgen!

Guten Morgen! Ich begrüße die Zuhörer!

In diesem Jahr haben wir uns noch gar nicht unterhalten, wenn es auch wahr ist, dass wir erst den 13. Januar haben, beginnen wir also mit den Veränderungen zum Jahresbeginn. Vieles ist geschehen, Änderungen in den Steuern, Senkung der Mehrwertsteuer, Erhöhung des Minimallohnes, Rentenerhöhung. Das primäre Ziel der Veränderungen ist es, wie wir hierüber schon früher gesprochen haben, offensichtlich die Unternehmen zu stärken, für sie bessere Möglichkeiten zu schaffen sowie jene Anomalien in der Beschäftigung zu verringern, über die schon sehr oft die Rede war. Soviel ich weiß, hat diese Woche auch das Wirtschaftskabinett getagt. Welche Aufgaben haben Sie Ihren Ministern auf diesen Gebieten für die nächste Zeit gegeben?

In unserer Arbeit, also bei der Organisierung des Lebens eines Landes ist es die wichtigste Aufgabe, genau zu wissen, was man macht, und sich klare Ziele vor Augen zu halten. Im Jahre 2010 balancierte das Land am Rande eines finanziellen und wirtschaftlichen Bankrotts, ein Krisenmanagement war die Aufgabe. Als wir das hinter uns hatten – dies hat das Land im Laufe von zwei-drei Jahren mit Blut und Schweiß abgearbeitet, beziehungsweise hat es sich aus dieser Lage herausgearbeitet –, begannen wir danach mit dem Aufbau eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, dies nennen wir die auf Arbeit basierende Wirtschaft, über die wir denken, sie hebe das Lebensniveau der ungarischen Menschen an und sei in der Lage, auch langfristig, also in der Perspektive von mehreren Jahrzehnten ein konkurrenzfähiges Wirtschaftssystem sowie auch eine international anerkennenswerte, herausragende, gute Leistung, Wirtschaftsleistung zu garantieren. Solch ein System haben wir aufgebaut. Dies besitzt auch eine politische Seite, dies nennen wir das System der nationalen Zusammenarbeit, was bedeutet, dass wir uns nicht auf Kosten der anderen durchsetzen müssen, sondern dass wir zusammenarbeiten und lieber unsere Kräfte addieren sollten. Die wirtschaftliche Seite dessen ist die auf Arbeit basierende Wirtschaft, und deren Ausbau geschieht heute in Ungarn. Hierüber gibt es immer Diskussionen, es hat sie auch früher gegeben, besonders am Anfang. Jetzt sind wir an dem Punkt angekommen, dass die Früchte unserer Arbeit zu reifen beginnen, und jetzt sagen dies nicht nur mehr jene, die eine Ahnung von der Ökonomie haben, sondern langsam vollzieht sich auch im Leben der Menschen jene Veränderung, die die auf Arbeit basierende Wirtschaft bedeutet. Ein jeder hat eine Arbeit; wer will, kann im Wesentlichen arbeiten. Die Arbeitslosigkeit nimmt rasend in Richtung auf die Vollbeschäftigung ab. Jetzt sind wir schon an dem Punkt angelangt, dass wir darüber sprechen, es soll sich immer mehr lohnen, zu arbeiten, wir also die Löhne anheben, die Abgaben senken können. Wir können auch immer mehr für jene unternehmen, die in einer schwierigeren Lage sind, weil wir die Mehrwertsteuer der grundlegenden Lebensmittel senken können, dies ist gut für die Rentner, gut für die Familien. Ich halte es für besonders wichtig (da unsere Zukunft davon abhängt, ob wir Kinder haben, wie viele es sind und was für Menschen sie sein werden), dass wir für die Familien ein gesondertes – freigiebig oder großzügig ist nicht das richtige Wort, sondern ein – möglichst breites, möglichst starkes System der Unterstützung errichten können. Wenn ich das Leben einer Familie mit zwei Kindern mit ihrem Leben im Jahre 2010 vergleiche, dann haben sie nur deshalb, weil sie zwei Kinder erziehen und auf diese Weise einen Steuernachlass erhalten, den sie nach den Kindern bekommen, in einem Jahr um 360 Tausend Forint mehr Geld. Dies ist eine ernsthafte Sache, dies ist ein großes Ergebnis, hierauf kann Ungarn meiner Ansicht nach stolz sein. Also meiner Meinung nach reiht sich das '17-er Jahr in diese Reihe ein.

Was waren die Aufgaben, um die Sie das Wirtschafts- und das strategische Kabinett gebeten haben?

Schauen Sie, die Welt der Politik ist eine..., oder die Welt der Führung oder der Organisierung eines Landes ist eine Arbeit, in der es immer Probleme gibt. Also existiert jener Zustand – wir sind zehn Millionen Menschen –, dass es nie irgendwelche Sorgen oder Übel gibt, der existiert nicht. Die Frage ist nur, ob die Probleme gute Probleme sind oder schlechte Probleme. Ein gutes Problem ist zum Beispiel, wenn die Wirtschaft gute Ergebnisse erbringt, was wir dann mit dieser zusätzlichen Möglichkeit anfangen, wir sollen die Familien so unterstützen, dass auch die Rentner etwas erhalten, und dies sind gute Probleme. Und es gibt, sagen wir, schlechte Probleme, solche sind zum Beispiel, dass man darauf achten muss, damit die Menschen nicht erfrieren. Jene Menschen, die kein Dach über ihrem Kopf haben, die sollen nicht erfrieren, weil es momentan Minusgrade gibt. Es muss gelöst werden, dass mehr Plätze in den Obdachlosenheimen vorhanden sind als es Obdachlose gibt, und so weiter. Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns ständig. Doch haben wir jetzt auch eine strategische, also eine langfristigere Bewertung der Lage, über das '17-er Jahr durchgeführt, über das wir früher gesagt haben, dies wird das Jahr der Auflehnung werden, und ich bin der Ansicht, diese Behauptung ist in den vergangenen zwei Wochen stärker geworden. Die europäischen Nationen werden sich also, ich spreche jetzt über die Europäische Union, die europäischen Nationen werden sich gegen jene Brüsseler Politik auflehnen, die andauernd, manchmal offen, ein anderes Mal verdeckt, sich anschleichend, sozusagen, Befugnisse von den Nationalstaaten wegnehmen möchte. Sie will in alles, in alles hineinreden. Und sie gibt immer weniger Möglichkeiten, damit wir selbst über unser eigenes Leben entscheiden können. Ich verfolge die Debatte zur französischen Staatspräsidentenwahl. Da ist der Herr Kandidat Fillon, mit dem ich früher gemeinsam mehrere Jahre lang als Ministerpräsident zusammen gedient habe, sein Programm ist ein Programm der Auflehnung. Zum Beispiel lehnt er sich in der Angelegenheit der Migration praktisch gegen die bisherige gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik auf. Meiner Ansicht nach werden im Jahr 2017 solche Erscheinungen ständig anzutreffen sein, wir Ungarn müssen uns also auch darauf vorbereiten, dass es eine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen den die eigenen Rechte der zu der Europäischen Union gehörenden Staaten schützen wollenden Politiken und dem immer weitere Befugnisse an sich reißen wollenden zentralen Willen der Europäischen Union geben wird. Dies wird die entscheidende dramatische Spannung des Jahres 2017 sein.

Hierauf kommen wir noch zurück, reden wir in diesem Zusammenhang im Übrigen noch einen Satz über die ungarische Wirtschaft. Wenn wir in die internationale Presse hineinblättern, „Le Monde“, „Financial Times“, „Bloomberg“, dann können wir sehen, dass selbst die schärfsten Kritiker jene Leistungen – oder zumindest Teile davon – anerkennen, über die Sie sprechen. Jedoch fügen sie hinzu...

Dies ist deshalb, wissen Sie, weil es einen Spruch gibt, englisch hört er sich etwas besser an als auf Ungarisch, der lautet: Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg.

Ja, aber sie fügen hinzu, dass im kommenden Zeitraum in diesem Jahr die den Wettbewerb behindernden Eingriffe die ungarische Wirtschaft und das Wachstum lähmen werden, und dies wird dann die Investoren abschrecken. Nun, wenn ich jetzt auf die vergangenen Jahre zurückblicke, dann ist deutlich erkennbar, dass es vergeblich – sagen wir – stimulierende Maßnahmen gibt, wenn jene nicht wirklich greifbare Stimmung des Marktes, die man als Stimmung zu charakterisieren pflegt, und so auch niemand im Besonderen in der Lage ist, zu sagen, was das sei. Und sagen wir, derartige Nachrichten geraten in Umlauf, dann kann dies vermutlich vor einem Wahljahr einer Regierung Unannehmlichkeiten verursachen.

Nun, ich empfehle Ihnen entweder so etwas nicht zu lesen oder solchen Ausführungen keinen Glauben zu schenken. Sie leben hier in Ungarn, dies ist ein großer Vorteil im Vergleich zu denen, die über Ungarn schreiben, Sie kennen dieses Land, und jene die schreiben, die haben keine Vorstellung davon, was in Ungarn ist. Glauben Sie lieber Ihren eigenen Augen! In Ungarn gibt es einen Arbeitskräftemangel, das bedeutet, dass die Investitionen ständig zunehmen. Denn wenn die Investitionen nicht ansteigen würden, wenn nicht der Bedarf an Arbeitskräften in Ungarn ansteigen würde, wie könnte dann der Arbeitskräftemangel entstehen? Nun, nur... wir sind nicht mehr geworden, es leben genauso viele hier wie früher, ja sogar ein bisschen weniger, trotzdem finden die Firmen keine Arbeitskräfte. Dies ist deshalb so, weil sie ständig in neuen Investitionen denken, in neuen Kapazitäten, und dafür finden sie nur schwieriger Arbeitskräfte. Die primitivsten, einfachsten und offensichtlichsten Fakten des wirklichen Lebens widerlegen diese Spekulationen. Ich weiß, worum es hier geht: Die Trauben hängen zu hoch. Die Westler waren daran gewöhnt, dass sie uns Mitteleuropäern mitgeteilt haben, wie man modern, wie man erfolgreich sein muss, wie man den Kapitalismus, wie man die Marktwirtschaft aufbauen muss, was die Demokratie ist und so weiter. Dann sind jetzt sie die Erfolglosen, ihre Zahlen sind schlecht, und unsere sind gut. Und der Grund hierfür ist, dass wir es anders machen als sie. Und sie wollen nicht zugeben, dass es auf die Weise, wie wir das machen, vernünftiger ist als jene, wie sie es machen. Dies kann man angefangen mit der Migration bis zur Wirtschaft an zahlreichen Stellen beobachten. Und anstatt der Wirklichkeit ins Auge zu schauen, zu analysieren, so wie dies im Übrigen meiner Ansicht nach ein normaler Mensch machen würde, forcieren sie aus ideologischen Gründen ihre eigene alte Platte, aber die ist abgelaufen, die wird nicht funktionieren. Das sind die Stimmen der Vergangenheit, die Sie zitiert haben.

Im Kontext all dessen, was Sie jetzt auseinandergesetzt haben, wie werden die folgenden Monate in Europa aussehen? Offensichtlich ist hier das eine die Frage der Migration. Den Ausdruck der „Auflehnung“ haben Sie für dieses Jahr bereits gebraucht.

Da ist die Frage der Migration, aber wir werden eine größere oder zumindest genauso gewichtige Schlacht ausfechten müssen, dies wird die Verteidigung der Reduzierung der Haushaltsnebenkosten sein, denn die Union, Brüssel, einige Politiker, doch am ehesten vielleicht die Bürokraten haben sich in den Kopf genommen, dass sie die Reduzierung der Haushaltsnebenkosten in Ungarn verbieten. Sie tun dies auf raffinierte Weise, nicht mit einem derart gewagten, einfachen Satz, wie wir Ungarn zu sprechen pflegen, sondern sie nennen das: Energieunion. Im Plan der Energieunion erscheint auf einmal ein Satz, der bedeutet, dass die staatliche Festlegung der Preise verboten werden muss. Das bedeutet, dass die Regierungen keine Möglichkeit haben, den Preis der Energie zu regulieren. Und das heißt dann, dass die Reduzierung der Haushaltsnebenkosten in Ungarn abgeschafft werden muss, und Brüssel will dies erreichen, das heißt es will sie verbieten. Dies wird eine große Schlacht im März.

Dann betrachten wir das heurige Jahr unter diesem Gesichtspunkt! Hinsichtlich der Zuständigkeitsbereiche, hinsichtlich der nationalen Zuständigkeiten und der der Union, welche werden im Jahr der Auflehnung triumphieren, wie Sie diesen Ausdruck benutzen?

Es ist noch nicht entschieden, da wir erst noch am Anfang des Matches sind, in der 13. Minute, und nicht in der 90., also kann ich sagen, es wird zwei große Schlachten geben. Die eine ist die im Zusammenhang mit den Versuchen Brüssels, mit der Migration im Zusammenhang stehende nationale Befugnisse zu entziehen, sie wollen sagen, mit wem wir zusammenleben dürfen und mit wem wir zusammenleben sollen und mit wem nicht. Das muss verhindert werden. Gestern haben wir einen wichtigen Schritt in die entgegengesetzte Richtung getan, denn wir haben die fremdenpolizeiliche Verwahrung im Fall der Personen wiederhergestellt, deren Antrag auf das Betreten Europas nicht bearbeitet worden ist. Sie können also, solange es keine rechtskräftige Entscheidung gibt, sich auch nicht frei in Ungarn bewegen. Die Union schreibt dies übrigens vor, wir marschieren jetzt also offen in die entgegengesetzte Richtung.

Ich wollte sagen, dies ist ein offenes Sich-Widersetzen.

Ja, da aber in Westeuropa Menschen Terroranschläge begehen, über die man nicht wissen kann, wie und auf welche Weise sie sich dort aufhalten, und gleichzeitig in der Westhälfte der Europäischen Union derartige, meiner Ansicht nach gefährliche Regeln gültig sind, dass auch Menschen, über deren Asylanträge noch nicht entschieden wurde, sich frei in diesen Ländern bewegen dürfen, wächst hierdurch die Gefährdung durch den Terror. Wir dürfen diesen Pfad nicht betreten oder dürfen ihn nicht weiter beschreiten. Früher haben wir die freie Bewegung nicht erlaubt, sondern haben einen jeden bis zur rechtskräftigen Beurteilung seines Antrages in fremdenpolizeiliche Verwahrung genommen. Die Union hat uns gezwungen, dies zu ändern, doch seitdem sind in Westeuropa Terroranschläge durchgeführt worden, und wir müssen jede juristische Regelung, die terroristische Taten erleichtert, im Interesse unserer eigenen Selbstverteidigung verändern. Das haben wir jetzt getan. Es wird also solche Konflikte geben. Auf dem anderen Feld der Konflikte wird es darum gehen, dass Brüssel immer mehr in die Fragen der Wirtschaftsorganisation hineinreden will, was denn dann mit den Energiepreisen los sei, dann wird es in die Steuern hineinreden wollen, will bei den Löhnen mitreden, und so weiter. Dies sind attraktive Sachen, denn von Zeit zu Zeit werden sie sagen, die Löhne müssten anders errechnet werden als bis jetzt, und dann werden die Menschen zu rechnen beginnen, ob das für sie gut oder schlecht ist. Ich werde in dieser Debatte nur den Standpunkt vertreten, dass wir erreichen müssen, dass Brüssel nicht in Fragen der Organisation der Wirtschaft – Steuer, Preise, Lohnfragen – hineinreden darf. Es gibt Angelegenheiten, in deren Fall es gut ist, wenn es eine gemeinsame europäische Politik gibt, aber in alles sollte Brüssel nicht hineinreden. Besonders in solche soll es nicht hineinreden, in denen unsere Auffassung eine andere ist als ihre. Weil es zu sehen ist: Jetzt wollen sie zum Beispiel die Reduzierung der Haushaltsnebenkosten verbieten. Es wird also Fragen der Verteidigung gegen die Migration und Fragen der Wirtschaftsorganisation geben, und wir werden auf beiden Gebieten unsere Souveränität verteidigen müssen.

Aus dem, was Sie gesagt haben, folgere ich, dass es in dem Jahr vor den Wahlen große, laute Diskussionen mit Brüssel geben wird.

Wir versuchen diese Schlachten auf kultivierte Weise und leise zu gewinnen.

Das sind schwerwiegende Angelegenheiten, die Sie jetzt genannt haben.

Wenn es nicht geht, dann werden wir versuchen, laut zu gewinnen.

Und welches Gewicht werden in dieser Diskussion, in diesem Kampf, in diesem Sieg die V4 haben? Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der polnischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“, die die Regierungspartei ist, gab dem ungarischen Nachrichtenmagazin „Heti Válasz“ ein Interview, und er sprach über die Tatsache hinaus, dass auch seiner Ansicht nach das Gewicht der V4-Staaten im kommenden Zeitraum zunehmen wird, auch darüber, dass auch die Schaffung von Unternehmen notwendig wäre, die über einen bedeutenden europäischen Einfluss verfügen, zum Beispiel durch die V4. Ist dies nur ein Beispiel in der praktischen Zusammenarbeit?

Mit dem 1. Juli übernimmt Ungarn den Vorsitz der V4 und die Organisierung der gemeinsamen Arbeit wird meine Aufgabe sein, und ich werde nach dem streben, worüber der Herr Vorsitzende Kaczyński sprach, also die Zusammenarbeit der V4 zu vertiefen. Mit den Polen funktioniert die Solidarität gut, denn zuletzt wollte die Union zum Beispiel einen Beschluss gegen den Kohlebergbau, gegen den polnischen Kohlebergbau annehmen, eine Angelegenheit, in der wir zwar nicht betroffen sind, doch wir haben uns voll und ganz auf ihre Seite gestellt. Und ich habe darum gebeten, sie mögen sich als Gegenleistung für uns einsetzen, denn Brüssel will dem nicht zustimmen, dass wir im folgenden Jahr die Mehrwertsteuer des Internets auf 5 Prozent senken, jetzt haben wir sie auf 18 gesenkt, und wir wollen sie auf 5 haben. Brüssel will dies verbieten. Hierbei haben wir die Polen um ihre Unterstützung gebeten. Es gibt also eine Zusammenarbeit zwischen den V4-Staaten.

Jetzt ersehen wir in der Frage der Migration aus den Zielsetzungen der Malteser Präsidentschaft, die im Übrigen den Schutz der Außengrenzen verstärken würden oder auf diesen drängen, dass Malta ansonsten für eine Quote ist. Also man kann sehen, dass auch wenn es im vergangenen Zeitraum in mehreren Staaten eine Bewegung in eine ähnliche Richtung gegeben hat, wie sie die ungarischen Maßnahmen besitzen, ist die Situation trotzdem so, dass alle darauf warten, dass jene Richtung, die in Brüssel derzeit vorherrscht, sich von dem toten Punkt wegbewegt.

Nach unserer Auffassung gibt es keinen toten Punkt. Die Aufgabe ist, dass jeder Staat selber darüber entscheiden dürfen soll, mit wem er zusammenleben will.

Doch sind die Verhandlungen in dieser Hinsicht jetzt an einem toten Punkt angelangt, nicht wahr?

Ja, aber jetzt entscheiden wir darüber. Für uns ist das kein toter Punkt. Uns passt es so, wie es jetzt ist.

Aus der Perspektive Europas?

Aus der Perspektive Europas muss jedes Land für sich selbst entscheiden. Meiner Ansicht nach brauchen wir keine europäische Flüchtlingspolitik, sondern Brüssel muss es zulassen, ja es müsste den Staaten dabei helfen, dass jeder seine eigene Flüchtlingspolitik verfolgt. Ich will nicht in das hineinreden, wie die deutsche Bundeskanzlerin oder der französische Staatspräsident in der Flüchtlingsfrage entscheidet. Notwendig wäre, dass auch sie nicht in das hineinreden wollen, welche Flüchtlings- oder Einwanderungspolitik Ungarn für sich selbst als wünschenswert ansieht. Wir sollten einander respektieren.

Aber die Deutschen, die Franzosen, die Italiener sagen nicht dies…

Natürlich, sie versuchen dieses unser Recht uns wegzunehmen, doch heute ist die Angelegenheit vorerst nicht am toten Punkt. Heute ist sie so, wie es für uns gut ist.

Gut, dann frage ich anders: Wer wird es sein, der, sagen wir in einem halben Jahr, in dieser Debatte triumphieren wird?

Wir verteidigen unsere Positionen. Ich schaue mir jetzt die Programme zur französischen Präsidentenwahl an. Ich sage es noch einmal: Dort tritt auch der gemäßigte Kandidat der Rechten in der Flüchtlingsfrage mit einem Programm der Auflehnung an.

Wenn wir uns die Konkreta im Zusammenhang mit der Migration anschauen: Sie haben hier vorhin schon die Grenzjäger erwähnt, und Sie haben zum Beispiel auch die Maßnahme erwähnt, dass sie diese Zone nicht werden verlassen dürfen…

Fremdenpolizeiliche Verwahrung…

Fremdenpolizeiliche Verwahrung, die im Übrigen der gegenwärtigen Regelung der Union entgegengesetzt ist. All das zusammengenommen oder all dies beachtend betonen immer mehr Stimmen die Notwendigkeit eines europäischen Geheimdienstes. Was denken Sie darüber?

Die Kooperation ist wünschenswert.

Aber was bedeutet die Kooperation in der Praxis? Denn hier sprechen wir ja über Länder, die im Grunde auch gegeneinander Spionage betreiben.

Grundlegend bedeutet es Informationsaustausch. Die Geheimdienste sind eine schwierige Welt, diese ist für uns, die wir außerhalb dieser Welt sind, nur ziemlich schwer vorstellbar. Ich beschäftige mich zwar mit solchen Fragen, weil dies zu den Angelegenheiten der nationalen Sicherheit gehört, doch besitzt dies seine eigene Logik. Die Dienste der verschiedenen Staaten tauschen ungern Informationen untereinander aus. Sie geben ihre Agenten, ihre Quellen nicht preis. Es ist also nicht einfach, aus den auf nationalstaatlicher Grundlage organisierten Geheimdiensten irgendeine europäische Kooperation aufzubauen, doch lohnt es sich meiner Ansicht nach in diese Richtung voranzuschreiten.

In jenem vorhin bereits angesprochenen Interview in „Heti Válasz“ hat Jarosław Kaczyński noch eine wichtige Sache im Zusammenhang mit den amerikanischen und den europäischen Beziehungen gesagt. Und zwar, das der ehemalige Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, in Warschau war, mit dem er ein Gespräch führte, und er sagte, dass im Übrigen auch die Trump-Administration an einem starken, selbständigen Mitteleuropa interessiert sei. Und Jarosław Kaczyński fügte noch hinzu, er hoffe, dass Ihre Amerikareise in dieser Frage Ergebnisse erreichen werde. Demnach gibt es jetzt schon Konkreta über diese Amerikareise?

Öffentliche Konkreta gibt es noch nicht.

Dann gibt es aber demnach im Hintergrund Gespräche?

Wir arbeiten.

Wissen sie auch schon einen Zeitpunkt?

Wir arbeiten auf alles erstreckend.

Gut, dann setzen wir dies dann fort, wenn es diese Informationen nicht mehr nur im Hintergrund gibt. Zusammenfassend über die Veränderungen des kommenden Zeitraumes – und hier sollten wir schon über die amerikanische Führung, die Trump-Administration sprechen. Sind diese Veränderungen von solch einer Tragweite, dass sie ihren Stempel auch Europa aufdrücken?

Jetzt spekulieren alle noch, denn der neue amerikanische Präsident hat seinen Schwur noch nicht abgelegt. Deshalb versucht man aus seinen Sätzen, seinen im Laufe der Kampagne erfolgten Ankündigungen sowie personellen Entscheidungen herauszulesen, was für eine amerikanische Politik in dem kommenden Zeitraum zu erwarten ist. Ich schlage vor, dass wir jetzt im Rahmen dieses Gesprächs uns nicht diesen Spekulationen anschließen. Der Präsident wird seinen Eid ablegen, er wird Entscheidungen treffen, und dann können wir uns zu diesen in ein Verhältnis setzen. Soviel sehe ich, dass jetzt eine amerikanische Führung mit einer anderen Kultur kommt. Die vorherige, also die Obama-Administration war globalistisch; ich formuliere der Einfachheit halber so. Die jetzige ist es nicht, dies ist eine gewagtere amerikanische Politik, sie reden nicht um den heißen Brei herum. Dies war Übrigens früher ein Wettbewerbsvorteil von Amerika, und in dieser jetzigen amerikanischen Führung gibt es viele, die sich für Männer halten, die sich selbst gemacht haben, Selfmademen sind. Wenn ich also jetzt mit gleich welcher bestimmenden Gestalt der amerikanischen Administration mich unterhalte, dann spricht sie nie darüber, dass sie diesen oder jenen kennt, sondern dass sie vor ihrem politischen Leben dieses gemacht, jenes getan und ein weiteres unternommen hat. Dies ist eine andere Kultur. Sie sind nicht durch ihre Beziehungen hierher hereingebracht worden. Hier hat schon ein jeder etwas in seinem Leben gemacht, die meisten mehrere Milliarden Dollar. Ihre Selbstsicherheit ergibt sich daraus. Dies wird also eine andere Attitüde, eine andere Art des Verhaltens, ein anderes System des Verhältnisses sein. Dies werden wir, Europäer, verstehen, dies werden wir verarbeiten, bis zu einem bestimmten Maß werden wir uns hieran anpassen müssen.

Dann sehen Sie es ähnlich wie das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers es in seiner Prognose ausgeführt hat, dass die Globalisierung abnimmt und das Gewicht der Politik dann in der Wirtschaft zunehmen wird.

Sie haben Vorstellungen, sie werden also nicht die gegenwärtigen Gleise benutzen. Der amerikanische Präsident und seine Mannschaft erwecken nicht den Eindruck, als wollten sie irgendeinen Lehrgang belegen. Sie sind keine mutlosen Anfänger, sie besitzen aus ihrem Vorleben, da sie in ihrem bürgerlichen Leben erfolgreiche Führer waren, Vorstellungen. Der Satz „America First“ bedeutet, dass sie die bisherigen Spielregeln der Weltwirtschaft verändern werden. Wo genau und auf welche Weise – dies gehört ins Reich der Spekulationen. Gerade vorhin hatte ich gesagt, wir sollten dies jetzt nicht tun, aber dass sie es verändern werden, das ist gewiss. Wo genau und was dies für uns bedeutet, darüber wird man nachdenken müssen. Für Ungarn ist dies zum Beispiel keine unwesentliche Frage, denn es gibt in Ungarn sehr viele Investitionen aus Amerika, durch die übrigens sehr viele ungarische Familien ihr gar nicht kärgliches täglich Brot verdienen. Was wird deren Schicksal sein? Werden sie sich erweitern können oder nicht? Dies hängt davon ab, was die internationale Handels- und Wirtschaftspolitik Washingtons sein wird, aber warten wir ab, ich sage es noch einmal, bis der Präsident seinen Eid geleistet hat.

Und was wird jetzt zum Beispiel mit der Arbeit der die Globalisierung unterstützenden Nichtregierungsorganisationen? Dies ist derzeit die lauteste Diskussion dieses Jahres.

Zweifelsohne haben die Amerikaner unter Präsident Obama in der Welt viele Formen der Methoden der Beeinflussung ausgebaut. Darüber könnte ich lang und breit erzählen, aber das würde den zeitlichen Rahmen der Sendung sprengen. Angefangen mit den primitivsten Methoden der Beeinflussung hat es hier im vergangenen Zeitraum alles gegeben, da wir aber Verbündete sind, glaube ich nicht, dass wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen müssten. Hoffen wir lieber, dass es so etwas in der Zukunft nicht geben wird. Ich würde mich dieser Frage lieber von der Seite annähern, dass wir in einer Welt leben, in der Versuche zur Beeinflussung häufig vorkommen – in jedem Land und seitens beinahe jedes Landes. Wie muss sich ein Ungar zu dieser Frage stellen? Mich beschäftigt eher diese Frage. Und jetzt gar nicht wie es der ungarische Ministerpräsident machen soll, weil es seine Aufgabe ist, das Land zu verteidigen, sondern ein ungarischer Staatsbürger. Meiner Ansicht nach ist es die wichtigste Sache, dass er das Recht hat, alles zu erfahren. Man muss also die Möglichkeit und das Recht schaffen, dass jeder einzelne ungarische Staatsbürger, wenn er das möchte, alles über jeden Akteur des öffentlichen Lebens erfahren kann, wer dieser ist, wer ihn bezahlt, woher er sein Geld erhält. Erhält er es aus dem Ausland oder aus  Ungarn? Wenn er es aus dem Ausland bekommt, stellt man dann irgendwelche Anforderungen an ihn? Wenn nicht, warum werden dann keine gestellt? Bekommen sie es geschenkt? Wie ist das ganze überhaupt. Meiner Ansicht nach haben die ungarischen Menschen das Recht, zu verstehen, in welchem System von Beeinflussungs- und Manipulationsversuchen wir unser tägliches politisches Leben verbringen, dies gehört zu ihren grundlegenden Rechten. Wir wollen also Transparenz.

Noch einige Sätze, wir haben noch etwas Zeit. Sprechen wir darüber, was Sie einige Minuten zuvor angefangen haben: Im ungarischen Kontext ist es ziemlich kalt, und die Hilfsorganisationen sehen sich vielen Herausforderungen gegenüber. Übrigens hat sich in den vergangenen Tagen deutlich gezeigt, wie effektiv auch die Durchschnittsmenschen daran teilgenommen haben, um zum Beispiel den Obdachlosen oder den alten Leuten zu helfen. Doch was ist in dieser Hinsicht jetzt die Aufgabe der Regierung? Die Kapazität der Gasspeicher zum Beispiel.

Am wichtigsten ist dennoch das Menschenleben. Ich möchte also wiederholen: Wir haben mehr Plätze in den Obdachlosenheimen als Obdachlose, deshalb möchte ich jeden obdachlosen Menschen Ungarns mit allem Respekt darum bitten, ins Obdachlosenheim zu gehen. Sie sollen sie benutzen, weil wenn sie für die Nacht nicht dorthin gehen, dann werden sie erfrieren. Ich bitte sie also darum, jene Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die der ungarische Staat für sie geschaffen hat. Und die andere Sache: Dort, wo die Menschen zwar ein Dach über dem Kopf haben, aber krank, schwach sind, alleine leben, dort sind die Selbstverwaltungen verantwortlich. Die Regierung unterstützt im Übrigen die Selbstverwaltungen in ihrer die Bürger beschützenden Tätigkeit, wir unterstützen also die Selbstverwaltungen mit allen möglichen Mitteln. Aber hier müssen sie jene unserer Mitbürger genau kennen, über die man wissen kann, dass sie in einer verletzlicheren Lebensform existieren. Was die Energieversorgung angeht: Die Bedeutung der Reduzierung der Haushaltsnebenkosten zeigt sich in solchen Momenten, denn wir verbrauchen unter solchen Umständen im Allgemeinen doppelt so viel Energie – und müssen dementsprechend auch mehr zahlen – als wir dies bei milderem Wetter zu tun pflegen, also ist dies jetzt von Bedeutung. Die Rechnung ist dank der Reduzierung der Haushaltsnebenkosten erträglich, dies wird die Familien nicht in den Bankrott treiben, und andererseits verfügen wir über ausreichend Energiereserven, um die Funktionstüchtigkeit des Landes zu sichern. Es kann sich also in dieser Hinsicht ein jeder in Sicherheit fühlen.

Sie hörten in der vergangenen halben Stunde Ministerpräsidenten Viktor Orbán.