12. Dezember 2015
Von heute aus gesehen erscheint das im Wesentlichen als richtig, was Sie vor einem halben Jahr im Zusammenhang mit der Migrantenkrise gesagt haben, und wofür Sei damals in Europa von vielen westlichen Politikern verurteilt wurden. Verspüren Sie Genugtuung?
Ich bin auch nur ein Mensch, ich habe Gefühle, doch Genugtuung zu nehmen, sie zu verspüren, wäre eine kleinkarierte Sache. Hier handelt es sich aber um eine große Angelegenheit, die man bei Weitem nicht als persönlich ansehen kann. Wir balancieren uns schon seit geraumer Zeit entlang eines großen Übels und einer großen Gefahr. Dies ist nicht nur die Migrantenangelegenheit an sich; sie hat nur wie ein Lackmuspapier das Übel angezeigt. Das Problem ist, dass die Erwägungen des nüchternen Verstandes aus der europäischen Politik verschwunden sind. Die europäische politische Elite sitzt heute in einer geschlossenen, ideologischen Hülle, die kaum noch eine Verbindung zur Wirklichkeit hat. Das haben wir vor einem Jahr gesehen, als sich die ersten Anzeichen der Migrantenkrise zeigten. Wir waren nur sehr wenige, die dies auf der Grundlage des gesunden Menschenverstandes betrachteten. Wir betrachteten nicht Ideale und Ideologien, in die man das hineinstopfen könnte, sondern die Sache an sich, das heißt das unkontrolliert, massenhaft Menschen in die Welt hineinströmen, in der wir leben. Ich verspüre also keine Genugtuung, sondern freue mich darüber, dass Europa langsam wieder zu sich selbst findet, und dieses Problem auf der Grundlage des gesunden Menschenverstandes zu betrachten beginnt. Nicht so zu tun, zeugt von selbstmörderischen Neigungen. Europa muss die selbstmörderischen Neigungen aufgeben und sich auf die Beine stellen.
Hatten diese Politiker Angst, die Dinge auszusprechen, sie bei ihrem Namen zu nennen? Worin sehen Sie die Wurzeln der Kritik?
Meiner Ansicht nach ist die Lösung mehrschichtig. Zunächst ist hier das Problem der europäischen Mainstream-Elite, die auf jede neue Sache ideologisch reagiert. Wenn die Migrantenkrise erscheint, reagiert sie, nachdem das „Fremde schön ist”, die „Andersartigkeit entzückt” und die „Toleranz eine edle Sache ist”, sogleich aufnehmend, freundlich, im Zeichen der „Willkommenskultur”, und es erwacht in ihr nicht der Lebensinstinkt, dass hieraus auch ein Unheil werden könnte. Und wenn dann die Mainstream-Elite mit der Wirklichkeit konfrontiert wird, und jemand es ausspricht, dass „Leute, daraus wird ein Problem”, dann antwortet sie nicht damit, dass Du Unrecht hast, sie zählt nicht Argumente auf, sondern sagt, „Du bist der leibhaftige Teufel, deshalb zählt das nicht, was Du sagst”. Es gibt auch einen anderen Grund für die erbitterte Kritik; die Studien zeigen, dass die nach Europa kommenden Einwanderer, nachdem sie die Staatsbürgerschaft erhalten haben, in einem Verhältnis von über 85 Prozent Wähler der Linken geworden sind…
Sollte dies ein bewusster, gesteuerter Prozess sein?
Wir hegen den Verdacht, dass auch ein geheimer oder nicht zugegebener Import von Wählerstimmen nach Europa geschieht. Und das dritte Problem ist der Gedanke, der die Nation als Gefahrenquelle ansieht. Nicht als organisches, unverzichtbares, positives Element der europäischen Gesellschaftsentwicklung, sondern als etwas, das Gefahren in sich birgt, weil es die Brutstätte des Nationalismus sei. Diese Gruppen haben alles unternommen, um die Nationen zu liquidieren. Das sind internationalistische Traditionen, die jetzt im supranationalen Gewande auftreten, und ihre Anhänger sind der Ansicht, dass man die ethnischen Grundlagen der europäischen Nationen erschüttern muss, denn wenn wir die Bevölkerung austauschen, dann verändert sich das nationale Problem. Also glaube ich, dass die gegenwärtige Situation sich aufgrund mehrerer verschiedener Ursachen herausgebildet hat, in der die Zahl der die Einwanderung positiv bewertenden und sie unterstützenden Kräftegruppen größer als erwartet ist.
Europa war in den vergangenen fünf-sechs Jahren von vier großen Krisen betroffen. Die Finanzkrise, die aus Amerika zu uns herübergeschwappt ist, die griechische Finanz-, dann die ukrainische militärische Krise und jetzt die illegale Migration. Ist das nicht zu viel für ein Europa, das verkalkt zu sein scheint, das nicht schnell und adäquat zu reagieren in der Lage ist?
Das ist sehr viel, weshalb wir die Frage stellen müssen, warum wir unsere Kraft zur Voraussage verloren haben. Von diesen Krisen war nämlich beinahe jede voraussagbar gewesen. Warum haben wir keine europäischen Strategien für diese Erscheinungen ausgearbeitet? Dies ist die wirklich bedenklich stimmende Frage, weil sie zeigt, dass auch wir, führende europäische Politiker nur auf die Ereignisse reagieren, immer nur die Krise managen, aber über keine Vision oder Strategie verfügen, mit der wir in der Lage wären, der Entstehung der Krise vorzubeugen. Deshalb betone ich, dass die europäische Politik erneuert werden muss. Zusätzlich würde ich auch noch eine fünfte Krise hinzufügen, die in Folge der Migrantenangelegenheit offensichtlich geworden ist: Eine demokratische Krise, weil es klar ist, dass das, was die europäische Mainstream-Elite denkt und macht, sich immer weiter von dem entfernt, was die Wähler – die schließlich die Kraftquelle der Demokratie darstellen – denken. Dies könnte die Europäische Union destabilisieren.
Das sehen wir, wenn wir die englisch- oder deutschsprachigen Nachrichtenportale lesen, und uns die unter Ihre Aussagen geschriebenen Reaktionen, Kommentare anschauen. Die entscheidende Mehrheit dieser stimmt nicht mit dem europäischen Mainstream überein. Hinzukommt noch, das ich diese Reaktionen noch nicht einmal als radikal bezeichnen würde …
Wir stehen nicht nur diesem Problem gegenüber, dass es eine Schlucht zwischen der politischen Elite und den Wählern gibt, sondern es scheint so zu sein, dass sich auch der Abstand zwischen denen, die die westeuropäische Öffentlichkeit erschaffen, und den Lesern, den Zuschauern immer weiter vergrößert. Dies wirft die Frage auf, welche Gesichtspunkte heute die Öffentlichkeit in der westlichen Hälfte Europas steuern. Das sind alles ernste Fragen, die nach einer Selbstrevision und Selbstreflexion verlangen.
Sie haben vor Kurzem geäußert, Europa sei reich und schwach. Unser Blatt hat vor unlängst eine Konferenz veranstaltet, wo der außenpolitische Berater des tschechischen Staatsoberhauptes gesagt hat, Europa seien der Wohlstand und die Sicherheit wichtig. Wir könnte man erreichen, dass Europa sicher und stark sei, dabei auch seinen Reichtum bewahrend?
Europa beschäftigt sich mit Fragen, die nicht unwichtig sind, ja sogar schöne und gütige Dinge sind: Menschenrechte, Progression, Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, Toleranz und Ähnliches. Zugleich beschäftigt es sich nicht damit, woher diese wichtigen Dinge kommen, die Wurzeln werden nicht berührt: die christlichen Traditionen Europas, zum Beispiel jene, die man an die Nationen binden kann. Europa hat vergessen, wer es eigentlich ist, was es ist, und was die wirklich wesentlichen Dinge sind. Und selbst wenn es manchmal noch erkennt, dass es solche Werte besitzt, so kämpft es für diese nicht. Aber wenn jemand die Wurzeln seiner Existenz nicht zugibt und sich für diese nicht engagiert, dann wird er am Ende schwach sein. Aus all dem folgt, dass wir ein über Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl verfügendes und mit sich selbst identisches Europa benötigen, damit wir erneut stark sein können. Meiner Ansicht nach gibt es hierfür in erster Linie geistige und seelische Voraussetzungen, diese müssen geschaffen werden, und dann werden wir wieder stark sein.
An diesem Punkt fällt mit der Brief von David Cameron ein, den er vor Kurzem an die europäischen Politiker geschrieben hat, dass man die gesamte Europäische Union neu überdenken und vielleicht sogar einige wichtige Dinge im Grundlagenvertrag umformulieren müsste. Was ist hierüber Ihre Meinung?
Die den Cameron-Brief auslösenden Faktoren existieren, und damit muss man sich ernsthaft befassen. Auch meiner Ansicht nach ist es zu einem Gleichgewichtsverlust gekommen. Die Europäische Union ist auf jenes empfindliche Gleichgewicht aufgebaut, dass es einerseits ein supranationales Element in ihr gibt, was wir als Brüssel bezeichnen können, zusammen mit allen Kompetenzen, mit der Bürokratie, andererseits gibt es die die Union bildenden Nationen, die Nationalstaaten, die auf Grundlage des Prinzips der Subsidiarität nur solche Fragen Brüssel überlassen dürfen, die sie selber nicht auf adäquate Weise lösen können. Hierbei ist eine Auflösung des Gleichgewichts geschehen, den die „Zentrale” hat schleichend Räume besetzt, hat Zuständigkeiten entzogen, und es sind Dinge in ihren Kompetenzbereich gelangt, die bei den Nationen hätten bleiben müssen. Der britische Ministerpräsident sagt, halt, wir sollten untersuchen, an welcher Stelle wir die Richtung aus den Augen verloren haben. Er hat auch darin Recht, dass dies sogar die Überprüfung einiger wichtiger Punkte der Grundlagenverträge der Union mit sich bringen kann. Ich unterstütze diese Denkweise.
Haben Sie eine konkrete Idee, worin man Veränderungen vornehmen müsste?
Wir haben nicht Ideen, sondern viele-viele Erfahrungen. Im Jahre 2004 sind sehr seriöse Länder der Europäischen Union beigetreten. Polen ist auch schon aufgrund seiner Maße gewichtig, aber wir, Ungarn und auch die Tschechen, die Slowaken, stellen intellektuell ernsthafte Staaten dar, wir verfügen über die Fähigkeit zum Denken, zur Selbstreflexion und zur Strategiebildung. Im Laufe eines Jahrzehnts hat sich unermesslich viel Erfahrung in Mitteleuropa angesammelt. Gerade heute haben wir entschieden, dass im Februar 2016 zum 25. Jahrestag der Entstehung der Zusammenarbeit der Visegrád-Staaten die Tschechen die Initiative starten werden, in deren Rahmen die Völker Europas gemeinsam überdenken können, wo Europa heute angekommen ist. Ob wir dies gewollt hatten? Welche Probleme quälen uns, und in welche Richtung können wir weiter schreiten? Unser Ziel ist, dass als Ergebnis des gemeinsamen Denkens aus all dem eine Vision entstehen soll. Die mitteleuropäischen Länder verfügen also nicht einfach über Ideen, sondern über Erfahrungen, die sie jetzt addieren und für ganz Europa zugänglich machen werden.
Würden Sie uns etwas über diese neuen Vorstellungen verraten?
Ich möchte dieser breiten Diskussion nicht vorausgreifen, doch muss offensichtlich besprochen werden, dass Brüssel den Umgang mit der Migrantenfrage an sich reißen will, anstatt sie in nationaler Kompetenz zu belassen. Dann ist da die Frage der Einhaltung, des Einhaltenlassens der Rechtsvorschriften. Auch die aufgeworfene Frage, ob wenn jemand den zum Wesen der Europäischen Union gehörenden und die Möglichkeit zur freien Bewegung sichernden Schengen-Vertrag nicht einhält, er dann ausgeschlossen oder dazu veranlasst werden sollte, ihn einzuhalten, kann ebenfalls ein wichtiges Thema sein. Oder meiner Ansicht nach wäre es lohnenswert, die Frage wieder aufzugreifen, ob es eine richtige Entscheidung gewesen war, aus dem europäischen Grundlagenvertrag den Hinweis auf die geistige Wurzeln, die Erwähnung des Christentums auszulassen. Es lohnt sich, diese Fragen zu öffnen, und jetzt habe ich nur einige aus der ganzen Palette erwähnt, die der Dialog über Europa meiner Ansicht nach in den kommenden beiden Jahren aufdecken wird. Meiner Meinung nach werden großartige Schöpfungen geschaffen: Essays, vielleicht auch noch literarische Werke, schöne politische Diskussionen werden daraus entstehen. Es wird spannend sein: Das Ergebnis wird kein Euroblabla sein, sondern die echte, lebensnahe, mitteleuropäische Wirklichkeit.
Auch auf unserer Konferenz wurde die Meinung vorgetragen, dass viele in Brüssel die Einstellung zu den mitteleuropäischen Ländern haben, nach der „ihr von uns Geld bekommt, dafür redet nach Möglichkeit nicht in das hinein, was wir machen”. Wird sich dies jetzt ändern?
Ein früherer französischer Präsident hatte eine äußerst beleidigende, doch genaue Formulierung darüber, wie sie über uns denken. Er sagte im Laufe einer wichtigen Debatte, die Mitteleuropäer hätten die Möglichkeit versäumt, still zu bleiben. Dies zeigt eine Attitüde, aber meiner Ansicht nach sind wir am Ende dieses Zeitalters angekommen. Wir zahlen alles zurück, was wir bekommen. Wenn heute die Wirtschaft der mitteleuropäischen Länder nicht so gute Leistungen aufweisen würde, dann hätten wir in der Europäischen Union kein Wirtschaftswachstum, sondern eine Rezession. Diese Länder integrieren die ihnen zur Verfügung gestellten Quellen gut in ihre Wirtschaft ein, sie gebrauchen sie gut, heute sind wir die Zugkraft der europäischen Wirtschaft. Mit dieser unserer Leistung zeigen wir uns für jene Quellen erkenntlich und bringen für sie die entsprechende Leistung, die wir benutzen können. Wir sind quitt, es gibt nichts, das wir uns gegenseitig vorwerfen könnten.
Und wir haben noch gar nicht darüber gesprochen, wie viel Dividende aus unserer Region in den mehr als 20 Jahren an Konzerne gegangen ist, die ihre Zentrale in Westeuropa haben.
Tatsächlich, unter den Nutznießern unserer Erholung, unseres Aufschließens sind ausländische Kapitalgruppen in großer Zahl und mit hohen Summen vertreten.
Viele sehen es so, dass Polen die hauptsächliche Kraft des mitteleuropäischen Zusammenhaltes innerhalb der V4-Staaten sein wird. Stimmen Sie dem zu?
Polen spielt eine herausragende Rolle, zu der es in erster Linie durch seine Größe und sein wirtschaftliches Gewicht prädestiniert ist. Wir sprechen über ein Land von beinahe 40 Millionen Einwohnern, mit einem riesigen Binnenmarkt. Wir, Ungarn oder Tschechen müssen anders über die Welt und die Wirtschaft denken als die Polen, weil wir den Export benötigen, unser eigener Markt gibt uns nicht soviel Selbstsicherheit, wirtschaftliche Reserven und Sicherheit wie den Polen. Mit 40 Millionen Menschen kann man auch selbst auf europäischer Ebene schon beinahe Wunder vollbringen. Also besitzen die Polen unzweifelhaft ein Primat. Hinzu kommt noch, wenn wir die vergangenen 25 Jahre studieren, dann sehen wir, dass die Polen kaum ernsthafte Fehler gemacht haben. Polens Entwicklung war zum Beispiel auch während der Finanzkrise für die ganze Welt erstaunlich. Sie sind nicht in die Rezession verfallen, sie wuchsen kontinuierlich. In den Polen gibt es auch vielleicht einen ihnen eigenen seelischen Auftrieb, der sie erfolgreich macht. Doch sage ich nicht, dass nur die Größe der Staaten die Schwerpunkte der vor uns stehenden Debatte bestimmt, denn wenn es um Verstand, um den Intellekt geht, dann müssen weder die Tschechen noch die Slowaken und auch die Ungarn nicht bei anderen um Hilfe betteln.
Sie behaupten also, dass ein Versuch zur Schwächung der Nationalstaaten unternommen wird, die Elite der EU habe den massenhaft hereinströmenden Flüchtlingen die Tore weit geöffnet. Warum sollten sie so etwas tun?
Europa ist ein geistig äußerst fruchtbarer Kontinent. Er war das schon immer: Aus ihm strömten nur so die verschiedensten Gedanken, Wirtschafts-, politische und gesellschaftliche Lehren. Unter den fruchtbaren Gedanken finden sich aber natürlich nicht nur nützliche, sondern auch gefährliche. Einige Male ist es in Europa vorgekommen, dass die geistige Fruchtbarkeit gefährliche und zerstörerische Ideale an die Oberfläche gebracht hat, und als das Volk Europas nicht stark genug war, haben sich diese destruktiven Gedanken des Kontinents bemächtigt. Meiner Ansicht nach hat sich der Bolschewismus, der eine aus deutschen Wurzeln emporgewachsene Idee marxistischer Prägung ist, auf diese Weise in Europa etabliert, das über keine ausreichenden Kräfte verfügte, um sich zu verteidigen. Auch der Nationalsozialismus ist diesem europäischen Boden entwachsen. Auch der Gedanke von Europa ohne Nationen, die Idee der Vereinigten Staaten von Europa, die schrittweise Schwächung der Nationen ist ein verrückter und gefährlicher Gedanke. Die Frage ist, ob jetzt der europäische Demos, das Volk über genügend Kraft verfügt, um sich vor diesen kranken Vorstellungen zu schützen. Aufgrund der Reaktionen, die die Menschen in der Migrantenangelegenheit zeigen, habe ich den Eindruck, dass diese Kraft dort in den Leuten schläft, und zu erwachen beginnt. Meiner Ansicht nach werden wir, europäische Menschen – jetzt spreche ich nicht als führender Politiker – in der Lage sein, uns und unseren Kontinent gegenüber dem verrückten Gedanken zu verteidigen, dass die Schwächung der Nationen Europa stärken würde.
Jedoch glauben viele auch hier in Tschechien, dass die einzig rationale Lösung für Europa die Föderation sei. Mit einem dem der USA ähnlichen Bundeshaushalt wäre jedwede Krise lösbar, ganz gleich ob es sich um Griechenland oder um die Migrantenwelle handelt. Ist nicht dies der richtige Weg?
Dieser Gedanke existiert, er hat auch Anhänger. Ich teile diesen Gedanken nicht, und wir müssen vor ihm auch nicht erschrecken. Die Gruppe der zur Eurozone gehörenden Staaten versucht schon seit ziemlich Langem, über die gemeinsame Währung hinaus ein gemeinsames Budget und eine gemeinsame Sozialpolitik zu erschaffen. Warten wir ab, zu welchem Ergebnis sie kommen. Vielleicht stellt es sich heraus, dass dies ein guter Weg ist, aber vielleicht wird auch deutlich, dass man dies nicht machen darf. Dann müssen wir, Mitteleuropäer uns nicht hieran anschließen. Wenn wir zusehen, wenn wir genau aufpassen, wenn wir intellektuell das aufarbeiten, was die Mitgliedsstaaten der Eurozone machen, dann können wir unsere eigene gute Entscheidung darüber fällen, ob man sich so einem Prozess anschließen muss oder nicht.
Ungarn hat als erstes Land einen Zaun errichtet, um die Flut der Migranten aufzuhalten, wofür Sie von vielen sehr hart kritisiert wurden. Heute bietet sich uns ein vollkommen anderes Bild, auch Österreich will einen Zaun bauen. War es schwer, zu entscheiden, dass Ungarn den Zaun bauen wird?
Die Entscheidung war nicht schwierig. Den danach folgenden Rachefeldzug auszuhalten und ihn abzuwehren war schwierig. Die Entscheidung war deshalb nicht schwer, weil man dazu kein Genie sein musste. Ich selbst bin auch kein besonders hervorragender Experte, ich stehe vielmehr mit beiden Füßen auf der Erde. Ich bin in einem kleinen Dorf geboren worden, bei uns dort hätten ihnen von zehn Leuten zehn gesagt, was getan werden muss. Auch die einfachsten Menschen wussten ganz genau: Man darf nicht erlauben, dass Massen, Menschengruppen, über die man nicht weiß, wer sie sind, was sie wollen und woher sie kommen, unkontrolliert in unser Leben hineinmarschieren. Hierzu musste man weder Politiker noch Staatsführer noch ein Wissenschaftler sein. Damit musste man aber rechnen, dass heutzutage der gesunde Menschenverstand über keine Mehrheit in Europa verfügt und die europäischen Großmächte diese Entscheidung aufs Schärfste angreifen würden, weil sie sich nicht in die herrschende ideologische Linie einfügt, die sagt, die „Grenze ist schlecht”, die „Sicherheit ist sekundär”. Das ist heutzutage der Trend in Europa, und unsere Entscheidung stand dem entgegen.
Ungarn protestierte ebenfalls als einer der ersten Staaten gegen die Verteilung der Migranten auf der Grundlage von Quoten. Heute scheinen mehr europäische Staaten gegen die Quoten zu sein als dafür. Warum weisen Sie diese Idee zurück?
Auch hier kann uns der gesunde Menschenverstand aushelfen. Worum geht es bei der Quote? Darum, dass jemand uns vorschreiben will, mit wem wir zusammenzuleben haben. Wenn wir dies auf der Ebene unseres eigenen persönlichen Lebens betrachten, dann ist die Absurdität des Gedankens deutlich erkennbar. Was würde ein Prager Bürger sagen, wenn jemand darüber entscheiden würde, wen er in seine Wohnung hineinlassen und mit wem er zusammenleben muss? Oder was sagt eine tschechische Dorfgemeinschaft, der man mitteilt, „jetzt werden wir an Eurer Stelle entscheiden, wer noch hierher zu Euch hinziehen wird”? Dies ist im nationalen Maßstab genauso absurd. Man kann einer nationalen Gemeinschaft von außen nicht vorschreiben, dass sie mit Leuten zusammenleben muss, mit denen sie nicht zusammenleben will. Dies sind große europäische Angelegenheiten, die nicht kompliziert, sondern nur schwierig sind. Es fällt nicht leicht, durch den gesunden Menschenverstand geleitet auszusprechen, dass jene Denkweise, die bei vielen gegenwärtigen führenden europäischen Politikern dominiert, ungeeignet ist, um das Leben in Europa auf richtige Weise zu organisieren. Und genau dieser Tatsache stehen wir gegenüber.
Ungarn hat seine Klage, in der es den EU-Beschluss über die Verteilung der Migranten auf Grund verpflichtender Quoten anficht, beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Was erwarten sie davon?
Die Slowaken und die Ungarn haben jeweils ihre eigene Klage eingereicht. Unser Standpunkt ist, dass als die Europäische Kommission über die verpflichtenden Quoten entschied, sie die Rechtsvorschriften der Europäischen Union verletzt hat. Es geht also nicht nur darum, dass dies ein inhaltlich schlechter und in seinen Prinzipen inakzeptabler Beschluss war, sondern dass auch die Art und Weise, wie er gefasst wurde, der bestehenden gemeinschaftlichen juristischen Regelung widerspricht. Deshalb muss er außer Kraft gesetzt werden. Das Gericht wird in dieser Angelegenheit entscheiden, dies wird eine spannende und schöne juristische Debatte werden. Über Jahrzehnte wird man an den Universitäten den Verlauf dieses Verfahrens beziehungsweise die dabei pro und contra vorgebrachten Argumente unterrichten. Wir hoffen und erwarten selbstverständlich, dass wir gewinnen werden.
Wann kann man mit dem Urteil rechnen? Das kann Jahre dauern...
Hierauf weiß nur das Gericht die Antwort. Wir können auf jeden Fall bis dahin niemanden aufnehmen, solange diese juristische Frage nicht entschieden ist.
Die Migrantenkrise haben zunächst viele nicht mit der Sicherheit in Verbindung gebracht, konkret damit, dass sich unter den Migranten auch Leute befinden können, die mit keinen guten Absichten nach Europa kommen. Was ist dafür die Erklärung?
Dies ist ein verständlicher Fehler. In Europa erschien die Sicherheit bisher als garantiert, als etwas so Selbstverständliches, wie das Atmen. Es war ganz einfach in Europa kein evidenter Gedanke, dass man für die Sicherheit etwas tun muss, dass unsere Sicherheit verteidigt werden muss, dass in die Sicherheit Geld investiert werden muss, dass man bei bestimmten Entscheidungen umsichtig vorgehen muss und dass ein gutes Herz sowie die Begeisterung nicht reichen. Diese Lektion lernen jetzt jene, die sich Illusionen hingegeben haben.
Gerade in den vergangenen Tagen gab es die Nachricht, dass der achte Terrorist, der in Paris gesprengt hatte und der jetzt überall gesucht wird, im Sommer dieses Jahres in Ungarn war und am Ostbahnhof [Keleti Pályaudvar] mehrere Migranten aufnahm, die die Registrierung verweigert hatten. Hinzu kommt noch, dass zwei andere Pariser Selbstmordattentäter über Griechenland nach Europa gelangt waren...
Für einen ungarischen Menschen ist es schrecklich, zu bedenken, wie viele Terroristen durch unser Land hindurch gezogen sein mochten, bis wir endlich die Flut der illegalen Völkerwanderung aufgehalten haben.
Donald Tusk hat vor einigen Tagen vorgeschlagen, dass es gut wäre, die Migranten für höchstens anderthalb Jahre zu separieren, bis wir nicht mit letzter Gewissheit erfahren, wer sie sind und woher sie kommen. Hat Sie diese Idee überrascht?
Die letzte Äußerung von Herrn Präsidenten Tusk ist eine neue Stimme, und ich freue mich, dass man heute auch schon in Brüssel solch eine Stimme hören kann.
Der polnische Außenminister hat vorgeschlagen, dass man aus den Flüchtlingen eine Armee zusammenstellen müsste, die Syrien befreit. Was ist Ihre Meinung hierüber?
Hier, in Prag, konnten die Menschen sie nicht mit ihren eigenen Augen sehen, aber ich habe sie gesehen, als sie durch Ungarn hindurchmarschiert sind. Als Augenzeuge kann ich Ihnen sagen, auch wenn in den westlichen Massenmedien ständig Frauen und Kinder gezeigt werden, so erinnert diese Flut in Wirklichkeit eher an eine Armee; sie bestand zu 70-80 Prozent aus jungen, vitalen Männern im wehrfähigen Alter. Selbstverständlich stellt sich einem jeden im Kopf die Frage des polnischen Außenministers. Wenn sich dort gerade jetzt in den Kämpfen die Zukunft ihrer Heimat entscheidet, wo anders wäre dann im Grunde ihr Platz? Aber damit bin ich vorsichtig, denn dies geht über die Grenzen der Politik hinaus, dies ist schon eine die tiefsten Schichten des Lebens berührende Frage, und ich würde es nicht wagen, im Namen oder an Stelle der im Nahen Osten lebenden Menschen moralische Gebote oder Erwartungen zu formulieren. Um die komplizierten Zusammenhänge ihres Lebens zu beurteilen, sind nur sie in der Lage.
In der Flüchtlingsfrage hören wir aus Westeuropa, aus den dortigen intellektuellen Kreisen Stimmen, dass die Reaktion der Mitteleuropäer nationalistisch, fremdenfeindlich sei. Beleidigt Sie diese Meinung nicht?
Abgesehen davon, dass wir viel dummes Zeug hören können, und wir uns auch beleidigt fühlen könnten, würde ich die Sache aus einer anderen Perspektive betrachten. Diese Meinungen werden am meisten durch die Frustration genährt, weil diese Länder, die sie jetzt kritisieren, sind alle erfolgreiche Länder. Sie gehören zu den sehr wenigen europäischen Erfolgsgeschichten, Tschechien zum Beispiel ist an sich eine fantastische Erfolgsgeschichte. Ich sage nicht, dass das Geld bei Ihnen auf der Straße herumliegt, oder dass man sehr leicht seinen Lebensunterhalt verdienen könne, jedoch ist jene Entwicklung, ist jenes Wachstum, das Tschechien erreicht hat, das Niveau, auf dem die tschechische Nation jetzt steht und vor welchen Möglichkeiten sie steht, ein großer Erfolg. Aber das gleiche trifft für Polen, Ungarn und auch die Slowakei zu. Niemand hätte diesem Kreis solch eine Zukunft vorausgesagt. Es geht also nicht nur darum, dass wir anders sprechen, dass wir in bestimmten Fragen etwas anderes sagen, sondern wir sind dabei auch noch erfolgreich. Meiner Ansicht nach kann in einem großen Maße hinter der gegen uns vorgebrachten Kritik diese Frustriertheit beobachtet werden.
Was ist Ihre Meinung über die Argumentation, nach der man die Ankunft der Migranten begrüßen müsse, denn sie ersetzen die gegenwärtig fehlenden Arbeitskräfte, und Jahrzehnte später werden sie die fehlenden Renten sichern?
Ich habe versucht, jene Debatten und Analysen, die im Zeitraum der früheren europäischen Einwanderungen – in den sechziger und siebziger Jahren – entstanden sind, durchzulesen, zu verstehen. Mein Eindruck ist, dass jede einzelne Einwanderungsperiode durch einen grundsätzlichen Irrtum charakterisiert wird. Die aufnehmenden Länder hatten erwartet, dass sie Arbeitskräfte erhalten würden, jedoch haben sie nicht Arbeitskräfte, sondern Menschen bekommen. Denn sie sind Menschen aus Fleisch und Blut; sie besitzen auch eine Seele, eine Kultur, eine Religion. Man kann nicht nur ihre Muskelkraft beachten, weil wir den ganzen Menschen mit seiner eigenen kulturellen Identität bekommen werden, gemeinsam mit den Problemen des Zusammenlebens mit ihm, und der Tatsache, dass sie die europäische Lebensauffassung gar nicht als zu befolgend ansehen. Sie halten ihre eigene Kultur für wertvoller, weshalb sie sich nicht integrieren, sondern ihr eigenes Parallelleben organisieren wollen. Dies ist überall passiert, die ist heute die Erscheinung der Parallelgesellschaften in Europa, in solchen Ländern, in denen sich Menschen in großer Zahl aufhalten, die von außerhalb gekommen sind. Mitteleuropa hat dieses Übel noch nicht erreicht. Dass wir keine parallel zu uns lebenden Teilgesellschaften haben, ist kein Nachteil für Mitteleuropa, sondern wird für unsere Region in der Zukunft einer ihrer größten Vorteile, hauptsächliche Anziehungskraft und der ernsthafteste Wettbewerbsvorteil sein. Dies ist natürlich kein „politisch korrekter” Gedanke, also ist es in Europa unsaussprechbar. Schon allein wegen dieses Satzes werde ich nach dem Erscheinen des Interviews angegriffen werden.
Wie sehen Sie die Zukunft jener Länder, in denen die eben erwähnten Parallelgesellschaften bereits entstanden sind?
Mein Verhältnis zu dieser Erscheinung ist nicht kritischer Natur, sondern basiert auf dem Konzept der Souveränität. Jedes Land hat das Recht, den Entschluss zu fassen, in großer Menge sich von seinen Einwohnern unterscheidende Volksgruppen hereinzulassen und mit ihnen zusammenleben wollend alle Folgen der Entstehung der Parallelgesellschaften zu tragen. Man darf sich so entscheiden. Wenn die Deutschen sich dafür entschieden hatten, als sie die Türken hereinließen, dann haben sie eben so entschieden. Als die Franzosen dies mit den Arabern taten, da hatten sie das Recht, sich so zu entscheiden. Zu einer Sache haben sie aber nicht das Recht: Von uns zu erwarten, dass auch wir das gleiche tun, denn das ist schon unsere souveräne Entscheidung, ob wir das wollen oder nicht. Wir, Ungarn, wollen das überhaupt nicht, und wir haben das Recht, nicht so werden zu wollen wie sie. Das müssen sie akzeptieren, wie auch wir ihre Entscheidungen akzeptieren. Natürlich stimmt auch, dass Europa unsere gemeinsame Heimat ist: Die Heimat der Heimaten. Mich erfüllt gerade deshalb mit immer größerer Besorgnis, wie der Anteil der nichteuropäischen Volksgruppen kontinuierlich anwächst. Es ist nur die Frage einer einfachen mathematischen Ableitung, dass die traditionelle europäische Gesellschaft in die Minderheit gedrängt wird. Jedenfalls in den Ländern, in denen man das zulässt. Wir, Ungarn, werden es nicht zulassen.
Immer mehr europäische Politiker erklären, man müsse Griechenlands Status als Schengenland überdenken, damit die Europäische Union eine eindeutige Grenze auf dem Festland hat. Unterstützen Sie diesen Vorschlag?
Ich teile den tschechischen und den slowakischen Standpunkt in dieser Angelegenheit. Auch meiner Ansicht nach muss diese Frage geklärt werden, die Griechen müssen wählen, ob sie Schengen einhalten oder zur Kenntnis nehmen, dass für sie kein Platz im Kreis der Schengen-Länder ist. Diese Frage müssen die Griechen beantworten, aber wir müssen sie ihnen stellen.
Das andere Problem ist die Türkei. Angela Merkel war noch vor den Wahlen in der Türkei, und vor Kurzem gab es ein EU-Türkei-Gipfeltreffen. Können wir Ihrer Meinung nach von Ankara die Lösung der Flüchtlingsfrage erwarten?
Wir, Europäer, sind jetzt zu demütigen Bittstellern degradiert worden; wir erbetteln unsere eigene Sicherheit von jemandem anderen. Auf die Weise über solche Fragen zu verhandeln, dass wir aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, unsere Sicherheit zu garantieren, hat eine Position zur Folge, in der man erpressbar wird oder ausgenutzt werden kann. Aus diesem Grunde war unser Vorschlag, dass wir unsere Kräfte, unsere finanziellen Ressourcen zunächst dazu benutzen sollten, um eine Verteidigungslinie auszubauen, an der wir die Sicherheit des Kontinents garantieren können, und erst danach sollten wir uns mit den Türken hinsetzen, um darüber zu sprechen, wie man dies im Rahmen der Zusammenarbeit noch besser machen könnte. Schließlich hat diese Herangehensweise leider innerhalb der Europäischen Union keine Mehrheit erhalten. Die europäischen Großmächte hatten dahingehend entschieden, dass es auch in dieser schwachen Position lohnenswert sei, sich mit der Türkei hinzusetzen. Und wir haben gegen diese ihre Absicht kein Veto eingelegt, denn wenn sich das die Großmächte so vorstellen, dann ist es richtig, ihnen eine Möglichkeit und Chance zu geben, um damit Erfolg zu haben. Jetzt laufen diese Verhandlungen, wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
Was erwarten Sie von der auch durch Sie unterstützten Initiative „Freunde von Schengen”?
Die Tschechische Präsidentschaft der Visegrád-Gruppe hat diesen Gedanken aufgegriffen, sie führt sie als ihre eigene Initiative fort, und wir freuen uns, ein Teil dieser sein zu dürfen. Wir sind schon zu viert, und meiner Ansicht nach wird es noch einige Länder geben, die sich anschließen werden. Derzeit läuft die Abstimmung auf der Ebene der Botschafter. Wir werden die „Freunde von Schengen” Initiative auch mit konkretem Inhalt füllen, hierbei die Frage der zum Grenzschutz notwendigen militärischen und zivilen Kräfte, die Finanzfragen, die juristische Zusammenarbeit und so weiter einbeziehend.
Bundeskanzlerin Merkel hatte in den vergangenen Tagen einen Plan, die so genannte humanitäre Evakuierung der Flüchtlinge aus der Türkei nach Europa. Ist dies als eine rein deutsche Geste anzusehen, oder ist ein neues Quotensystem im Gespräch?
Das ist ein Vorschlag, der sprachlos macht. Auch schon bisher konnte man eine absurde und bizarre Koalition beobachten, die in der Angelegenheit der Einwanderer zustande gekommen ist. Denn hier haben die Menschenschlepper, die Menschenrechtsaktivisten und die die Einwanderung unterstützenden europäischen Politiker eine eigentümliche Koalition erschaffen. Sie lassen die Einwanderer nicht einfach nur herein – sie transportieren sie herein. Die Situation ist also nicht die, dass diese sich auf der Völkerwanderung befindlichen Heere nach Europa einbrechen, sondern dass man ihnen den Zug, ein Schiff, den Bus schickt und wir selbst holen sie herein. Das ist absurd! Da gibt es nur noch einen absurderen Gedanken, nämlich den, dass wir jetzt in die Türkei gehen und sie von dort direkt zu uns hierher nach Europa herüberbringen sollten. Und das wäre die endgültige Verleugnung des europäischen Geistes sein, wenn jene, die diese Absurdität verwirklichen, diese Volksmassen auch noch verpflichtend unter den Staaten verteilen wollten, die das alles nicht gewollt haben.
Sie haben bereits im August die Politiker der Europäischen Union gewarnt, dass es in der Migrantenangelegenheit keine Winterpause geben würde. Jetzt haben wir Dezember, und es sieht so aus, als ob Sie Recht hatten, auch heute kommen täglich mehrere Tausend Flüchtlinge über die Balkanroute in der EU an. Wie sehen Sie das kommende Jahr?
Auch hier geht es nur darum, dass in der Politik die Erfahrung vor der Spekulation kommt. In Kenntnis der Migrationswellen der vergangenen Jahre sagten wir, es sei eine illusorische Erwartung, auf den Winter zu hoffen, weil der die Völkerwanderung nicht aufhält. Die führenden europäischen Politiker können die Einwanderung 2016 aufhalten, dies hängt nur von uns ab, aber ob sie, ob wir dazu in der Lage sein werden, dazu kann ich mich heute noch nicht beruhigend äußern. Bisher ist es nicht gelungen. Erfolge gab es nur dort, wo jeweils eine Nation in der Lage war, entgegen dem europäischen Hauptstrom sich selbst um ihren eigenen Schutz zu kümmern. Das ist die Situation in Ungarn, jetzt kämpfen hierfür die Slowenen, hierfür kämpft Mazedonien. Ich habe den Eindruck, dass vorerst die nationalen Lösungen funktionieren, es gibt keine gemeinsame europäische Lösung.