Budapest, 22. Juni 2018
Katalin Nagy: Einer für alle, alle für einen. Gestern berieten die Visegráder Vier, doch gab es bisher den Präzedenzfall noch nicht, dass auch der österreichische Bundeskanzler anwesend war. Im Studio begrüße ich Ministerpräsident Viktor Orbán. War dieses Bündnis früher derart stark?
Wir waren niemals zuvor derart stark. Die Zusammenarbeit zwischen den vier Visegrádländern – damals waren wir auch nur zu dritt, denn bei der Gründung existierte noch ein gewisser Staat namens Tschechoslowakei, daraus sind inzwischen zwei Länder geworden – kam zustande, um uns gegenseitig dabei zu unterstützen, die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und in der NATO zu erreichen. Wir waren also als eine Lobbygruppe tätig. Als man uns in die EU aufnahm, da dachten wir, damit sei unsere Mission auch zu Ende gegangen. Und da gab es so eine Art Wellental in der Kooperation der vier Länder. Dann sind wir dahintergekommen: Mag sein, dass man uns aufgenommen hat, doch haben wir unabhängig davon besondere eigene Interessen, unsere Betrachtungsweise und unsere Annäherungsweise, der man in der Europäischen Union Geltung verschaffen muss. Das heißt, die Geschichte war nicht damit zu Ende gegangen, dass wir in die Europäische Union gekommen sind, dort muss man für unsere Interessen kämpfen. Und dann erlebte die Zusammenarbeit erneut einen Aufschwung. Wir haben erkannt, dass wir gemeinsam viel mehr erreichen können als jeder für sich alleine, und seitdem verstärkt sich die Kooperation kontinuierlich. Das ist ihre Geschichte. Und jetzt ist ihr wirtschaftlicher Hintergrund, dass diese vier Länder – verglichen mit den anderen Teilen Europas – viel schneller wachsen, sich schneller entwickeln, schneller sich selbst finden. Sie haben das alte, entwickelte mitteleuropäische Wirtschaftsniveau wiedergefunden, und deshalb gäbe es, wenn man uns nicht in das europäische Wachstum mit hineinrechnen täte, auch beinahe gar kein Wachstum. Wir besitzen also ein Selbstvertrauen, das stark geworden ist, und sich darauf gründet, dass wir die Lokomotive der europäischen Wirtschaft sind.
Aber dies gefällt doch dem Westen nicht.
Und dann kam die Migration, und es stellte sich heraus, dass unsere Annäherung daran eine ganz andere ist als die der Westler. Die Westler haben eine, wie die Deutschen das nennen, „Willkommenskultur“ etabliert. Sie haben geglaubt, es gebe nur einen einzigen Gesichtspunkt, nämlich den, ein guter Mensch zu sein. Und wer ist der gute Mensch? Der jeden hereinlässt, der an seiner Tür anklopft. Dann hat sich herausgestellt, dass es etwas komplizierter ist, ein guter Mensch zu sein. Denn verantwortungsvoll ein guter Mensch zu sein, wie dies die Mitteleuropäer zu sein versuchen, bedeutet etwas anderes. Verantwortungsvoll ein guter Mensch zu sein bedeutet, anderen auf die Weise Hilfe zu leisten, dass wir uns dabei nicht selbst kaputtmachen, unser eigenes Land, unsere eigene Kultur, unsere eigene öffentliche Sicherheit. Wir verhalten uns in der Migrantenangelegenheit verantwortungsvoller als eine ganze Reihe von anderen Ländern in Europa. Dies hat unsere Zusammenarbeit erneut verstärkt. Wir sind dafür auch angegriffen worden. Jeder Angriff verstärkt ja die zusammenhaltende Kraft einer Gemeinschaft. Und die Zeit hat gezeigt, dass unsere Annäherungsweise nicht unbegründet war. Ja, vielleicht war sie die begründete.
Deshalb haben Sie gesagt, deshalb haben Sie dahingehend formuliert, dass man nicht das suchen muss, was uns trennt oder worin sich unsere Meinungen unterscheiden, sondern das, worin wir übereinstimmen? Und dann kann man hier neben die vier auch noch die Österreicher und die Italiener dazunehmen.
Was geschieht ist, dass heute sich drei große Fragen auf dem Tisch befinden, wenn wir in Europa über die Migration reden. Die erste Frage ist, ob wir die Grenzen schützen. So überraschend das auch sein mag, es gibt hierbei zwei unterschiedliche Standpunkte. Es gibt Stimmen, nach denen die Grenzen nicht verteidigt werden müssen. Andere wiederum meinen, dies sei sehr wohl notwendig. Nach der Meinung einzelner, ist die Grenze eine hässliche und schlechte Sache, nach der Meinung anderer, ist sie wie die Schale des Eies. Wenn das Ei keine Schale besitzt, dann wird das Ei gebraten und gegessen. Die zweite Frage, die auf dem Tisch liegt, lautet wie folgt: Was sollen wir mit jenen machen, die schon hereingeströmt sind? Hierauf sagt die eine Seite, wir sollten uns darüber freuen. Und die andere Seite sagt, wir sollten sie schnell nach Hause bringen. Denn das Normale ist ja, wenn jeder sein Leben in seiner eigenen Heimat leben kann. Wir helfen ihnen dabei, nach Hause zurückkehren zu können, und dass man zu Hause, woher sie gekommen sind, ein menschenwürdiges Leben ausbilden kann. Und die dritte Frage ist – nach der des Grenzschutzes und jener hinsichtlich dessen, was wir mit jenen machen sollen, die bereits hereingekommen sind – die, wen wir in der Zukunft hereinlassen sollen? Wir sagen, wir lassen niemanden herein. Andere sagen wiederum, wir sollten aber ein System arbeiten lassen, und auf Grund irgendeiner Auswahl sollten wir doch Flüchtlinge, wenn es solche unter ihnen gibt, hereinlassen. Und dann, wenn wir sie hereinlassen wollen, dann ist die Frage, wo wir jene aussortieren sollen, die Flüchtlinge sind, und jene, die nur aus sozialen Gründen kommen. Und hierauf sagt das eine Lager, wir Mitteleuropäer, dass das Aussortieren außerhalb des Territoriums der EU geschehen müsse, und die Westler sagen, das könne auch innerhalb der EU gemacht werden. Aber wenn sie einmal schon hereingekommen sind, dann können wir die freie Bewegung nicht verhindern. Wir können nicht verhindern, dass sie sich frei in die Richtung jener Länder bewegen, in die sie gelangen möchten. Unabhängig davon, ob sie in Griechenland oder in Italien an Land gekommen sind. Das sind also die großen Fragen. Und die beiden Lager sehen so aus, dass es uns Visegráder zu viert gibt, jetzt bereits ergänzt durch Österreich und Italien. In der Zwischenzeit „kocht das traurige Meer der Welt“, wie der Dichter Dániel Berzsenyi zu Beginn des 19. Jahrhunderts formulierte, in Deutschland, und auch in den nördlichen Staaten, auf die wir weniger achten, auf dem ungarischen Radar erscheinen die nördlichen Länder weniger, auch dort werden erbitterte Diskussionen geführt, in Dänemark, in Schweden. Wo es übrigens im September Wahlen geben wird.
Heute kommt Donald Tusk nach Ungarn, nicht wahr? Aus welchem Grund kommt er?
Ja, ich erwarte ihn. Das wird er uns mitteilen. Soweit ich das sehe, gibt es „eine Störung in der Macht“. Die Europäische Union ist ein kompliziertes Insitutionensystem, dessen Wirken für die ungarischen Staatsbürger, ja, das ginge ja noch, aber auch für den ungarischen Ministerpräsidenten nur schwer verfolgbar ist. Es gibt darin ein Parlament, es gibt in ihm einen Rat, der das Gremium der Ministerpräsidenten und der Minister ist. Und es gibt in ihm eine Kommission, in die jeder, also jeder Mitgliedsstaat, Leute delegiert, und die eine über Entscheidungsbefugnis verfügende Körperschaft ist. Zwischen ihnen gibt es ein Gleichgewicht. Es ist klar formuliert, wer welche Aufgaben besitzt. Eine Störung ergibt sich, wenn irgendeiner der Akteure dies missachtet. Jetzt geschieht, dass die Kommission plötzlich ihre eigene Rolle umgedeutet hat. Bisher war es die Aufgabe der Kommission, gemeinsam mit den dorthin delegierten Kommissaren der Mitgliedsstaaten ein Gremium bildend darüber zu wachen, dass die innerhalb der EU geltenden Regeln von allen Mitgliedsstaaten der EU eingehalten werden. Es war also eine neutrale, den Grundvertrag, die Rechte schützende Körperschaft. Jedoch haben sie sich vor einigen Jahren ausgedacht, dass sie jetzt eine politische Körperschaft sein werden, eine politische Kommission. Und seitdem piesacken sie, seitdem setzen sie Polen unter Druck, attackieren Polen, attackieren Ungarn. Sie nehmen solche Befugnisse an sich, die nicht zu ihnen gehören. Jetzt haben sie sich zum Beispiel ausgedacht, dass es zwar ausschließlich das Recht des Ratspräsidenten Donald Tusk ist, die Ministerpräsidenten zu einer Beratung zusammenzurufen, doch hat jetzt die Kommission plötzlich für den Sonntag einen Minigipfel zusammengerufen. Hiernach hat Donald Tusk seinen Besuch bei uns angekündigt. Es gibt also eine Störung innerhalb des Institutionensystems der Europäischen Union, ihre verfassungsmäßige Ordnung ist gestört. Meiner Ansicht nach werden wir heute darüber sprechen, wie man diese wiederherstellen könnte.
Die V-4 gehen auch nicht hin, nicht wahr? Auf diesen Minigipfel.
Da unserer Ansicht nach niemand das Recht besitzt, solch eine Besprechung zusammenzurufen, wenn nicht gerade als eine private Beratung, aber dann ist das eine Privatangelegenheit. Aber sie offiziell zusammenzurufen, auf eine protokollierte, auch Dokumente verabschiedende Weise, hierzu besitzt die Kommission kein Recht. Deshalb wünschen wir nicht, an solch einem Justizmord, an solch einer Rechtsverletzung teilzunehmen.
Ende nächster Woche, in einer Woche, wird es das wahre Gipfeltreffen der Europäischen Union geben. Dieser Gipfel wird jetzt ein anderer sein als er, sagen wir, vor einem Jahr es war. Statt Bundeskanzler Kern ist nun Bundeskanzler Kurz da. Statt Matteo Renzi nun Staatschef Conte. Die Zusammensetzung ist also eine andere. Wie sehen Sie es, was ist primär? Wird es bei diesem Gipfel der Europäischen Union um die Quoten gehen oder eher um die sogenannten Hotspots? Beziehungsweise um diese Lager, über die jetzt auch schon der Kommissar für Migration sagt, es könnte sein, dass man sie tatsächlich außerhalb Europas errichten sollte?
Wenn Sie erlauben, dann möchte ich an dieser Stelle jene persönliche Bemerkung machen, dass ich nach meiner Erinnerung 1998 oder 1999 das erste Mal an einem Unionsgipfel teilgenommen habe, als Ministerpräsident eines Staates, der ein Kandidat für die Mitgliedschaft war, und damals saßen Jacques Chirac, Helmut Kohl, Tony Blair am Tisch, das war ein anderes Kaffeehaus. Dann in 2010, als man uns erneut als Regierungspartei in Ungarn gewählt hat, habe erneut ich Ungarn vertreten. Ich sehe, dass die Störung seitdem kontinuierlich zunimmt. Wir mussten also schwerwiegende Erschütterungen erleiden. Es kam die Finanzkrise, auf die wir kaum eine gute Antwort geben konnten. Dann haben wir eine verfehlte Politik gegenüber den Briten verfolgt, die darauf gesagt haben, „nun gut, dann macht es alleine“, und sie sind aus der EU ausgetreten. Dann haben wir den Kontinent nicht vor den hereinströmenden Migranten schützen können. Und es gibt noch eine dritte Angelegenheit, dass die EU das Ost-West-Gleichgewicht aufgelöst hat, indem die Kommission – nachdem sie sich zu einer politischen Körperschaft umgewandelt hat – zu einem Instrument der Großen geworden ist und zahlreiche Entscheidungen zum Nachteil der kleineren mitteleuropäischen Länder getroffen hat, zum Beispiel hinsichtlich der freien Bewegung der Arbeitskräfte und in einigen Steuerfragen. Jetzt, habe ich den Eindruck, können wir – was den Gipfel in der kommenden Woche anbetrifft – nicht vermeiden, dass die zentrale Frage die Migration sein wird, denn bisher gab es in der Frage der Migration einen Visegráder Standpunkt und es gab einen westeuropäischen Standpunkt. Jetzt haben sich vom westeuropäischen Standpunkt zwei Länder dem mitteleuropäischen angeschlossen. Das sind Österreich und Italien, und eine schwerwiegende innere Debatte belastet Deutschland, und die Ereignisse in Deutschland bestimmen nachhaltig die Ereignisse innerhalb der Gesamtheit der Europäischen Union. Die Schlüsselfrage wird also dies sein. Ich wünsche mir, dass jene Fragen in den Vordergrund treten sollen, in denen wir übereinstimmen, das heißt dass das Aussortieren jener, die nach Europa wollen, außerhalb des Territoriums des Kontinents irgendwo in Afrika geschehen soll, irgendwo auf der afrikanischen Seite des Mittelmeeres, und ich wünsche mir, dass wir zu einer Übereinkunft in der Frage des Grenzschutzes kommen. Aber auch hier gibt es große Diskussionen, ohne dass ich Sie langweilen, Sie langweilen wollen wollte. So ist zum Beispiel die Absicht vorhanden, dass die für den Grenzschutz aufgewandte Summe ansteigen soll, aber diese wollen sie nicht – sagen wir etwa – der ungarischen Polizei oder der ungarischen Armee geben, sondern sie wollen sie der Frontex geben, die eine nur über äußerst geringe Kraft verfügende gesamteuropäische Grenzschutzorganisation ist und grundsätzlich eher die Annäherung der „Wie-sollen-wir-den-Migranten-ohne-Probleme-nach-Europa-hineinhelfen“-Anschauung der NROs vertritt, statt die Grenze tatsächlich mit physischer Kraft zu verteidigen. Wenn also die EU Geld für die Migration ausgeben möchte, will sie auch dann dieses auf eine die Einwanderung unterstützende Weise ausgeben und nicht, indem sie die Mitgliedsstaaten durch Finanzmittel stärken würde, damit diese ihre Grenze besser verteidigen können. Es stehen uns also noch zahlreiche Diskussionen der Länge einer Wasserschlange bevor.
Gerade gestern haben wir in den Nachrichten gehört, dass auch die Bosnier das Problem nicht lösen, ihre Grenze nicht richtig schützen können, da sie nicht genügend Leute und Geld haben. Da wäre also jenes für die Frontex vorgesehene Geld an der richtigen Stelle.
Im Zusammenhang damit lohnt es sich über die ungarischen Interessen so viel zu sagen, dass Ungarn die Frage beantworten muss, was hinsichtlich des Grenzschutzes besser ist? Ist es besser, wenn die Grenze, die die EU auch mit physischer Kraft zu schützen in der Lage ist, sich zwischen Serbien und Ungarn hinzieht? So, wie das heute die Lage ist. Dort steht der Zaun, dort sind unsere Soldaten, dort ist die Armee, dort ist die Polizei. Dort können wir jene physisch aufhalten, die illegal Europa betreten wollen. Oder ist es das ungarische Interesse, dass wir diese Grenze so weit wie möglich nach Süden verschieben? Die Geschichte lehrt, man muss nur achten. Hunyadi hat sie immer in den Süden verschoben. Er hat also gesagt, wir müssen mit den südlich von uns liegenden Ländern übereinkommen, und wir schützen gemeinsam die im Norden liegenden Gebiete vor der aus dem Sünden kommenden Gefahr, darunter auch Ungarn. Ich glaube, aus der ungarischen Perspektive ist dies eine gute Annäherung. Unser Interesse ist, dass Europas Außengrenze nicht an der serbisch-ungarischen Grenze verlaufe, sondern an der Südgrenze Serbiens, oder weiter unten, an der Südgrenze Mazedoniens oder gerade bei Albanien. Von hier aus muss man auch die bosnischen Ereignisse betrachten, sie beobachten. Wir müssen also den Bosniern dabei helfen, dass sie ihre eigenen südlichen Grenzen verteidigen können, denn je weiter sich der Grenzschutz von Ungarn entfernt befindet, eine desto größere Sicherheit bedeutet dies für Ungarn.
Es war bisher die Rede davon, dass man den Fidesz endlich in der Volkspartei isolieren, ihn ausschließen müsste. Dann hören wir jetzt darüber, dass die Volkspartei den Fidesz doch sehr benötigt. Zugleich hören wir auch davon, dass Bundeskanzlerin Merkel Sie eingeladen hat. Worüber möchte sie mit Ihnen sprechen?
Alles ist im Kochen. Auch innerhalb der Volkspartei hat die Diskussion um die Migration Spannungen verursacht. Auf dieses Problem reagiert ein in seiner Grundeinstellung liberaler schwedischer Christdemokrat ganz anders als ein ungarischer Christdemokrat mit konservativer Grundeinstellung. Diese Diskussionen sind eine natürliche Sache. Die Frage ist die, ob wir innerhalb der Europäischen Volkspartei über genug Weisheit verfügen werden, um trotz der Unterschiede, die in einem Parteienbündnis eine ganz selbstverständliche Sache sind, zusammenbleiben und mehr gemeinsame Ziele finden können als Probleme, die uns voneinander trennen. Das ist Zukunftsmusik. Ungarn, und ich persönlich auch, haben mehrfach ausgeführt, dass wir an einer starken Europäischen Volkspartei interessiert sind. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir uns am rechten Rand dieser befinden. Es gibt also liberalere in diesem Bündnis. Wir stehen für unsere Werte ein, wir führen gerne Gespräche, aufgeben wollen wir sie nicht, und wir sind daran interessiert, die Volkspartei zusammenzuhalten. Dies ist der – sagen wir – Standpunkt des Fidesz–Ungarischen Bürgerbundes in der Angelegenheit der Volkspartei. Nun ist in der Angelegenheit der Einladungen die allgemeine diplomatische Gepflogenheit, dass sich die einladende Seite zu den Einladungen äußert. Wenn sich also die Deutschen hierüber äußern, dann werde ich mich gerne daran anschließen, doch ist die Reihenfolge nicht umkehrbar. Das gleiche gilt für den in Israel fälligen, bald fälligen Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten.
Diese Woche am Mittwoch hat das Parlament die Verfassungsänderung und auch das Stop-Soros-Gesetzespaket verabschiedet. Dann haben wir davon gehört, dass dies jetzt in den Sargentini-Bericht als ein Plus nachträglich als eine Beanstandung hineingeschrieben wird. Und wir konnten in der Presse auch lesen, dass die Europäische Kommission auch gesagt haben soll, sie würden diese Rechtsvorschriften prüfen und wenn es notwendig sein sollte, dann würden sie die rechtlichen Schritte einleiten, das heißt sie eröffnen erneut ein Pflichtverletzungsverfahren gegen Ungarn. Haben Sie damit gerechnet, dass ein genau so starker Angriff gegen diese Gesetze, gegen diese Modifizierungen gerichtet sein würde?
Darauf antworten wir: „Nur zu! Wir wünschen viel Erfolg dabei!“ Jene Vorschriften, die das ungarische Parlament jetzt geschaffen hat, die Verfassungsmodifizierung und die Modifizierung des Strafgesetzbuches, sind Entscheidungen, die wir im Wahlkampf auf uns genommen haben. Die Menschen wollten das, sie haben dafür gestimmt. Auch das Parlament hat dies mit achtzig-neunzig Prozent verabschiedet. Es wird wem auch immer sehr schwer fallen, eine Parlamentsentscheidung zu beanstanden, die in einem nationalen Parlament eine Mehrheit von achtzig-neunzig Prozent besaß. Auf welcher Grundlage? Wer nimmt sich das Recht, eine Entscheidung der Gesetzgebung eines Landes zu kritisieren oder als falsch zu qualifizieren, die mit achtzig-neunzig Prozent gefällt worden ist? Wenn wir über die konkreten Gesetzesänderungen sprechen, dann sage ich Ihnen, das ist eine schöne Arbeit. Dies ist eine schöne, anspruchsvolle juristische Arbeit, die auch in Fragen von sehr komplizierter philosophischer Tiefe eine gute Antwort findet. Sie deklariert die Unantastbarkeit der nationalen Souveränität Ungarns, formuliert die nationale Identität des Landes, seine Verfassungsidentität, die durch keinerlei äußere Kraft verletzt werden kann. Hier haben wir sehr viel von der Praxis des deutschen Verfassungsgerichtes gelernt, bei dem die Situation die gleiche ist, und wir haben auch im Fall des Strafgesetzbuches eine ausgefeilte juristische Arbeit vollbracht, wo wir ganz einfach klargestellt haben, dass die illegale Migration und deren Unterstützung ein Verbrechen darstellen. Folgerichtig muss man entsprechend dieser Logik jene Entscheidungen treffen, die die illegale Migration unterstützen wollenden Organisationen davon abhalten, Verbrechen zu verüben. Einst war ich ein Jurist, oder zumindest bin ich jemand mit einem Abschluss in Rechtswissenschaften, und ich muss sagen, das ist eine ausgesprochen ausgefeilte und schöne Arbeit.
Dies bedeutet doch auch, dass die NROs, also diese Organisationen, die sich selbst als zivil erklären, hiernach keinen oder nur kaum politischen Einfluss ausüben können, wenn diese Gesetze ins Leben getreten sind. Das ist sehr schmerzhaft für sie.
Ja, aber ich würde mich nicht so weit vorwagen. Meiner Ansicht nach gibt es kein Problem damit, wenn irgendeine zivile Organisation in Ungarn politischen Einfluss ausüben will. Warum sollte sie es auch nicht wollen? Wenn sie dies möchte, wenn sie eine Meinung hat, wenn sie gleichgesinnte Menschen findet, mit denen sie sich zusammenschließen kann, dann teilen sie gemeinsam ihre Meinung mit, wobei auch das noch in Ordnung ist, wenn sie die Regierung beeinflussen wollen – damit gibt es auch kein Problem – oder wenn nicht die Regierung, dann irgendeine Selbstverwaltung, also die jeweiligen Entscheidungsträger. Wir betrachteten zwei Regelungen für wichtig. Das erste, was wir sagten, war: „Es ist in Ordnung, liebe NROs, es gibt kein Problem mit Eurem politischen Engagement, wir bitten aber um eine Sache, nämlich dass das Wasser im Glas klar sein soll. Wenn Ihr also Geld aus dem Ausland erhaltet, dann deklariert das, denn wir wollen wissen, wer Ihr seid, wer Euch finanziert, wer hinter Eurem Rücken steht. Das wollen nicht die Entscheidungsträger wissen, sondern die ungarischen Staatsbürger. Wenn Ihr also aus dem Ausland Geld bekommt, dann gebt das an.“ Das ist ein Gesetz im Interesse von Transparenz, von Durchschaubarkeit. Dies haben wir bereits früher geschaffen. Ein jeder, der aus dem Ausland Geld erhält und in einer solchen zivilen Organisation arbeitet, muss das angeben, wenn er vor die Öffentlichkeit tritt, damit auch Sie, auch ich wissen können, wer finanziell hinter jeweils solch einer Organisation steht. Die andere Regel bezieht sich auf die Mitwirkung bei der Migration. Dies ist schon eine andere Geschichte, denn die Migration ist unserer Auffassung nach eine Frage der Nationalen Sicherheit und ein Risiko für die Nationale Sicherheit. In diesem Kontext nun akzeptieren wir es aber nicht, dass sie die Entscheidungsträger beeinflussen wollen, denn die ungarischen Menschen haben jene führenden Politiker und Entscheidungsträger gewählt, die in Fragen der Nationalen Sicherheit Entscheidungen treffen dürfen und für ihre Entscheidungen die Verantwortung tragen. Das sind die Parlamentsabgeordneten, das ist der Ministerpräsident und das ist die Regierung. Hier wollen wir keinen Einfluss zulassen, da dies keine freie, demokratische Debatte, sondern eine Frage der Nationalen Sicherheit ist, in denen nur eindeutige Verhältnisse hinsichtlich der Verantwortung Platz haben. Ich werde Rechenschaft ablegen müssen, die Abgeordneten des ungarischen Parlaments werden Rechenschaft ablegen müssen den ungarischen Wählern gegenüber, welche Entscheidungen sie und aus welchem Grunde diese sie in den Belangen der Nationalen Sicherheit getroffen haben. Und hier wollen wir nicht, dass man uns beeinflusst.
Mit einer Sondersteuer von 25% werden die die Migration unterstützenden Organisationen belegt. Dies befand sich zuvor im Stop-Soros-Gesetzespaket. Warum ist das hinüber zu den Steuergesetzen gekommen?
Wir sind zu der einfachen Erkenntnis gelangt, dass die Fragen der Steuern in dem Steuergesetz geregelt werden müssen, deshalb.
Das ist alles. Glauben Sie, dass nunmehr das juristische und physische Verteidigungspaket zur Bewahrung der Souveränität des Landes vollständig geworden ist?
Ich habe den Eindruck, dass wir jetzt ausgerüstet sind, also weder die ungarische Regierung noch ich können behaupten, die ungarischen Menschen hätten uns nicht alle Mittel in die Hände gelegt, die dazu notwendig sind, damit wir das Land verteidigen. Jetzt hängt schon tatsächlich alles von unseren Fähigkeiten, unserem Mut und unserer Entschlossenheit ab. In diesem Sinne muss ich sagen, dass alle Mittel für die Antworten zur Verfügung stehen, die man auf dem gegenwärtigen Level der Bedrohung braucht. Natürlich ändert sich die Situation, es kommen immer neuere technologische Entwicklungen, Errungenschaften, der Kampf zwischen Katz und Maus, auch die Maus ist geschickt, sie ersinnt immer neue Tricks, und dann muss sich auch die Katze anpassen. So ist das auch mit dem Grenzschutz. Es kann also vorkommen, dass die Schaffung von neuen Detailregelungen noch notwendig werden könnte, doch sehe ich das heute nicht so. Soweit ich das heute sehe, kann ich Ihnen im vollständigen Bewusstsein meiner Verantwortung sagen, dass alle Instrumente, die zum Schutz des Landes notwendig sind, der Regierung und dem Parlament zur Verfügung stehen. In der Angelegenheit der Migration. In militärischen Belangen stehen wir noch nicht so, wenn also Ungarn sich einer bewaffneten Bedrohung gegenüber sehen würde, dann wäre unsere Armee nur eingeschränkt in der Lage, diese abzuwehren. Wir wünschen uns sehr, gebe es der Liebe Gott, dass solche Fähigkeiten niemals benötigt werden, doch dürfen wir nicht auf das blinde Glück vertrauen, wir brauchen also eine gut ausgerüstete Armee. Dies ist ein von den Migranten unabhängiges Thema. Der Ausbau dessen ist auch im Gange, es geschehen auch Ankäufe von Ausrüstung, Ausbildung-Umgestaltung, Armeeumorganisierung. Wir wünschen uns also, dass die Sicherheit der ungarischen Menschen nicht nur polizeilicher Natur, nicht nur durch den Grenzschutz gegeben wäre, sondern auch militärischer Natur wäre. Und ein jeder könnte wissen, dass er zu einer Gemeinschaft gehört, zur Gemeinschaft der Ungarn, die in der Lage ist, sich gegen Bedrohungen jedweden Typs zu verteidigen.
Der Haushalt liegt vor dem Parlament. Interessanterweise sagen einige Experten, man müsste diesen Haushalt neu planen, denn die Inflation wird vermutlich höher sein als jene, mit der die Regierung rechnet, und – ich erinnere mich daran – Sie haben vor zwei-drei Wochen, als wir uns hier unterhielten, drei Gefahren erwähnt, auf die sich Ungarn vorbereiten muss. Hier haben Sie gerade erwähnt, dass das billige Geld rar ist, also die Zinsen für Kredite steigen, die Verschuldung in der Eurozone hoch ist beziehungsweise auch der Handelskrieg begonnen hat. Interessanterweise hat man gerade heute die europäische Antwort auf die amerikanischen Schutzzölle in Kraft treten lassen. Wie sehen Sie es – lohnt es sich, über diesen Vorschlag nachzudenken oder den Haushalt neu zu entwerfen oder ist das überflüssig?
Ich schlage vor, hier zwei Bereiche voneinander zu trennen. Die erste Frage ist, ob es sich lohnt wegen der Inflationszahlen den Haushalt neu zu entwerfen? Hierauf antworte ich mit einem bestimmten „Nein“, dass einer der stärksten, nicht der einzige, aber einer der wichtigsten beeinflussenden Faktoren der Inflation in Ungarn der internationale Ölpreis ist. Und der schwankt. Wenn wir die vergangenen Jahre betrachten, dann war er mal hoch, dann wieder niedrig. Man kann keinen Haushalt auf Grundlage einer derart instabilen Kalkulation anfertigen, wir können den ungarischen Haushalt nicht an die Veränderungen des internationalen Ölpreises knüpfen. Man muss in solchen Fällen einen Mittelwert benennen, was für eine Inflation zu erwarten ist. Dieser entspricht nicht der niedrigsten und auch nicht der höchsten Inflation, die eintreten könnte, sondern ist eben ein Mittelwert, und dann muss man den Haushalt daran knüpfen und dann wird dies Stabilität geben. Dort, wo die Inflation die Menschen empfindlich berührt, in erster Linie die Rentner, dort haben wir eine ergänzende Regel: Wenn die Inflation höher sein sollte, dann wird auch die Rente durch eine nachträgliche Rentenerhöhung höher sein. Es kann sich also ein jeder in Sicherheit fühlen. Die andere Frage ist, wie man einen Haushalt entwerfen muss, wenn am Himmel sich Zeichen der Krise zeigen. Und Sie haben hier auch einige Erscheinungen erwähnt, die tatsächlich am Horizont sichtbar geworden sind. In der internationalen Finanzwelt steigen die Zinsen, es entfaltet sich ein amerikanisch-europäischer Handelskrieg, und die Staatsschulden sind in einer ganzen Reihe von europäischen Ländern höher, als sie es zur Zeit der letzten Finanzkrise waren. Das sind alarmierende Zeichen. Meiner Ansicht nach muss man in solchen Situationen den Haushalt auf die Weise entwerfen, dass man die Reserve für den Landesschutz, der die für unerwartete Ereignisse notwendigen Finanzmittel umfasst, mit einer höheren Summe veranschlagt. Wir haben ja auch den üblichen Reservefonds des Haushalts um etwa fünfzig Prozent angehoben, damit – wenn sich international nachteilige Dinge ereignen sollten – die Regierung mit der Ermächtigung durch das Parlament sofort reagieren kann, denn es gibt einen Geldfonds, der die Quelle für die Maßnahmen darstellt.
Wir haben noch eine halbe Minute. Haben Sie sich gestern Abend das Fußballspiel Kroatien-Argentinien angesehen?
Ich sehe mir jedes Spiel an. Wenn auch nicht live, sondern nachts die Aufnahme, aber ich verfolge die Fußball-WM.
War das Ergebnis überraschend?
Schauen Sie, die Kroaten – zuerst muss ich sagen, auch wenn es nicht hierher gehört, dass ich Peru die Daumen drücke, sodass gestern mein Herz geweint, es geblutet hat, da wir ausgeschieden sind. Ein jeder von uns hat seine Angewohnheiten aus der Kinderzeit, meine ist es, Cubillas und seinen Mitspielern die Daumen zu drücken – aber das gehört jetzt weniger hierher. Doch kann sich Kroatien auch geradezu Hoffnungen auf die Weltmeisterschaft machen. Das ist eine große Sache, ich liebe die mitteleuropäischen Länder, die Kroaten haben es sowieso den Ungarn angetan. Ich gratuliere ihnen und hoffe, dass sie bei dieser Weltmeisterschaft möglichst weit kommen werden. Vorwärts Kroaten!
Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán. Vielen Dank!