Budapest, den 19. Juli 2017
Guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Netanjahu!
Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Nach dreißig Jahren begrüßen wir einen Ministerpräsidenten aus Israel, und in der Form eines offiziellen Besuches tun wir dies das erste Mal in der Geschichte des Staates Israel. Offensichtlich gilt das Interesse Herrn Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, wenn Sie erlauben, dann würde ich mich als „Vorgruppe“ bezeichnen.
Wenn Sie erlauben, dann informiere ich Sie kurz darüber, dass wir uns mit der Absicht an den Verhandlungstisch gesetzt haben, um in der Geschichte der beiden Länder und der beiden Nationen ein neues Kapitel zu öffnen. In den Gesprächen ging es um die Zukunft. Am heutigen Tag hat der Herr Ministerpräsident den V4-Ministerpräsidenten zwei Vorschläge gemacht. Die Aufstellung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zum Kampf gegen den Terrorismus und einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Entwicklung und Vorstellung der entwickelten Technologien, von Hightech. Wir haben von dem Herrn Ministerpräsidenten ein großzügiges Angebot erhalten, dass wir aus den mitteleuropäischen Ländern Entwicklungsingenieure und Innovatoren in großer Zahl schicken dürfen, um verstehen und lernen zu können, wodurch die Wirtschaft Israels so erfolgreich ist.
In diesem Kreis kann auch relevant sein, dass wir uns mit dem Herrn Ministerpräsident seit Jahren kennen. Ich habe daran erinnert, dass ich ihn irgendwann in der Mitte der 2000-er Jahre besucht hatte. Er war berühmt dafür, dass das israelische Volk dann auf ihn zurückgreift, wenn es Probleme gibt. Hierin verspüre ich eine Art Verwandtschaft mit ihm. Auch in Ungarn ist es so, dass wenn die Dinge gut laufen, dann pflegt man die Sozialisten damit zu betrauen, die Regierung zu stellen, die dann die Wirtschaft kaputtmachen, woraus sich dann Probleme ergeben, und dann werden wir zurückgerufen. Ich stehe auch deshalb jetzt hier. Dies ist auch mit uns 2008-2009 geschehen, und deshalb sind wir an das Regierungsruder im Jahre 2010 zurückgekehrt. Also, ich kenne den Herrn Ministerpräsidenten schon seit langem, und ich bin in der Mitte der 2000-er Jahre aus dem Grunde zu ihm nach Israel gegangen, ihn um einen Experten zu bitten, der unsere politische Gemeinschaft auf den Wahlsieg und das darauffolgende Regieren vorbereitet. Damals habe ich grundlegend die wirtschaftspolitischen Ansichten des Herrn Ministerpräsidenten und jenes Programm kennengelernt, mit dem er auch heute Israel so erfolgreich führt, und wir haben damals von ihm Experten erhalten, mit denen wir mutatis mutandis Programme auch für Ungarn ausarbeiten konnten. Wenn Sie den heutigen Zustand Ungarns mit jenem des Jahres 2010 vergleichen, dann können Sie sehen, dass wir nicht gerade schlechte Ratschläge erhalten haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Jetzt möchte ich kurz darüber sprechen, dass Ungarn im Laufe der vergangenen Jahre eine außergewöhnliche Erneuerung durchgemacht hat. Das Ziel war die Stärkung unserer Wirtschaft und die Ausbildung einer investitionsfreundlichen Umgebung, die Schaffung einer auf Arbeit basierenden Wirtschaft und die Veränderung der ungarischen Außenpolitik. Wir haben gerade jetzt am 1. Januar die Körperschaftssteuer mit nur einem einzigen Pauschalsatz eingeführt, haben die Einkommenssteuer mit nur einem Steuersatz eingeführt, haben das elastischste Arbeitsgesetzbuch Europas geschaffen, den Bereich der akademischen Lehre umorganisiert, und gerade jetzt versuchen wir uns auf das System deutschen Typs der dualen Ausbildung von Facharbeitern umzustellen. Unser Eindruck ist, dass in der Weltwirtschaft eine neue Epoche angebrochen ist, und in dieser Epoche ist die wichtigste Voraussetzung des Erfolges, dass die technologischen Neuerungen möglichst schnell in der Wirtschaft angewandt werden. Dies ist meiner Ansicht nach der wichtigste Berührungspunkt zwischen der israelischen und der ungarischen Wirtschaft, da Israel hierin ausgezeichnet ist, wir aber noch einen sehr-sehr langen Weg zurücklegen müssen, um dies über uns selbst behaupten zu können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
In diesem neuen Zeitalter stehen nicht mehr nur Firmen im Wettbewerb miteinander, sondern auch Länder. Die Frage ist die, wer die die neuen Technologien erarbeitenden Firmen davon überzeugen kann, die zur Entwicklung der neuen Lösungswege erforderlichen Investitionen gerade bei uns zu tätigen. Wir verstehen, dass es beim Wettbewerb hierum geht. Und Israels Zahlen belegen deutlich, dass sie es nicht nur verstehen, sondern auch machen. Wir haben uns jedenfalls zu diesem Wettbewerb angemeldet. Die Gewinnsteuer von 9 Prozent ist eine ernsthafte Sache, die 15 Prozent betragende Einkommenssteuer mit nur einem Steuersatz ist eine ernsthafte Sache, das mit den technologischen Neuerungen verbundene System der staatlichen Unterstützung ist eine ernsthafte Sache, die Steuererleichterungen, die an die technologische Entwicklung und die Innovationen geknüpft sind, sind ebenfalls ernsthafte Sachen. Wenn wir den Wettbewerb auch vielleicht mit Israel noch nicht aufnehmen können, so haben doch Ungarn und Mitteleuropa in der Welt der Europäischen Union mit diesen Maßnahmen eine gute Chance, in diesem modernen, neuen Zeitalter der Weltwirtschaft erfolgreich zu sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die wichtigste Veränderung, die Sie verstehen sollten, ist jene Angelegenheit, nach der der Herr Ministerpräsident im Zusammenhang mit der ungarischen Wirtschaft als erste fragte, als wir uns in Jerusalem begegneten: „Wie viele Menschen arbeiten?” Von 10 Millionen – so groß ist das Land, es hat 10 Millionen Einwohner – arbeiteten vor 2010 nur 3 Millionen 700 tausend Menschen. Die zweite Frage lautete: „Wie viele Menschen zahlen Steuern?” Ich antwortete: „1 Million 800 tausend.” Worauf der Herr Ministerpräsident antwortete: „Wie kann es dann sein, dass sie noch am Leben sind?” Und tatsächlich ist dies ein großes Rätsel, wie wir es bis 2010 mit diesen Zahlen ausgehalten haben. Heute ist die Situation die, dass in Ungarn von 8 Millionen Menschen 4 Millionen 300 tausend, 4 Millionen 400 tausend arbeiten, und alle 4 Millionen 400 tausend Menschen zahlen Steuern. Deshalb stehen wir heute noch auf unseren Beinen und aus diesem Grund können wie heute hier über unsere gemeinsame wirtschaftliche Zukunft sprechen. Wie wir, Regierungsparteien, dies überlebt haben, ist ein anderes Rätsel, doch ist dies nicht das Thema meines heutigen Vortrages.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Den Haushalt für 2018 hat das ungarische Parlament bereits angenommen. Ich verweise aus dem Grunde hierauf, weil unsere Gäste hieraus ersehen können, dass Ungarn ein stabiles Land ist. In den allermeisten europäischen Ländern beginnt man jetzt damit, über den Haushalt für das nächste Jahr im Parlament zu debattieren, wir haben bereits Mitte Juni 2017 den 2018-er Haushalt angenommen. Die Zahlen, Pläne und Regelungen sind für einen jeden bekannt. Ich sage unseren Gästen: Die Stabilität ist eine ungarische Sache, eine ungarische Eigenschaft. Wir sind das einzige europäische Land in der Union, wo es seit 1990, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, kein einziges Mal vorgezogene Wahlen gab. Ganz gleich, ob wir unser Parlament gemocht haben oder nicht, hier hat jedenfalls jedes Parlament seine vier Jahre ausgefüllt. Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht nur für die Politik wichtig ist, sondern auch für die Wirtschaft eine klare Botschaft darstellt. Dies ist ein stabiles Land, wo ein jeder danach strebt, berechenbare Rahmenbedingungen zu schaffen. Jetzt wäre es meine Aufgabe, unser „eigenes Pferd anpreisend“ einige größere Investitionen zu erwähnen, um unsere israelischen Gäste auf den Geschmack zu bringen, was für Investitionen derzeit in Ungarn getätigt werden. Gerade jetzt hat Apollo Tyres seinen neuen Betrieb eröffnet. In Zalaegerszeg haben wir den Grundstein einer Teststrecke für selbstfahrende Autos niedergelegt, die einzigartig in der Welt ist, diese wird die erste sein. Wir haben ein gewaltiges industrielles Laserforschungszentrum in Szeged übergeben, das eines der größten Investitionen Europas ist, und in der Fabrik von Audi hat man mit der Herstellung der neuen Elektromotoren und der neuen Fahrzeugmodelle begonnen, und die Firma Samsung hat eine neue Fabrik zur Fertigung von Elektrobatterien übergeben, die so groß ist, dass ich das Ihnen von hier aus kaum veranschaulichen kann – sie ist riesig. Das sind allesamt Investitionen, bei denen allen es um die Zukunft geht, und sie berichten darüber, dass Ungarn – in erster Linie im Fahrzeugbau – seine Tätigkeit erfolgreich diversifiziert hat. Ungarn ist nicht mehr ein Land, das sich einfach auf Montagebetriebe aufbaut. Über lange Jahre hinweg waren wir das, jedoch ist Ungarn inzwischen ein Land, in dem man die Autos der Zukunft erträumen und anfertigen wird. Wir haben große Ergebnisse erreicht, wenn auch unsere Zahlen sich nicht in der Größenordnung befinden, über die der Herr Ministerpräsident berichten wird, und wie sich Israel selbst auf die Landkarte der Automobilindustrie gebracht hat. Aber auch unsere Ergebnisse sind derart, die in europäischen Dimensionen und mit europäischer Durchschnittsgeschwindigkeit, mit geschäftlicher Durchschnittsgeschwindigkeit gerechnet, beachtenswert sind. Wir sind auf der Weltlandkarte der Fahrzeugforschung und -entwicklung sowie des Testens zu finden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Über eine einzige Sache möchte ich noch einige Sätze zu Ihnen sprechen. Diese sind die israelisch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen. Die Wahrheit ist, dass ich überzeugende Zahlen nennen werde; ich bitte Sie, diese mit Zweifel aufzunehmen. Der Grund dafür ist, dass zwar die Zahlen eine hochgradige Verbesserung anzeigen, doch gehört auch zur Wahrheit, dass die Veränderungen des Dollarwechselkurses diese Zahlen nach oben hin verbessert haben. Also steckt nicht hinter jeder sich verbessernden Zahl eine bessere Leistung, hierauf lohnt es sich unsere Aufmerksamkeit zu lenken. Jedenfalls kann ich sagen, dass der Staat Israel der drittwichtigste Investor in Ungarn ist. Der Wert der Investitionen aus Israel – ich kann die Daten vom Ende des Jahres 2014 nennen – beträgt 11 Milliarden Dollar, was 12 Prozent aller ausländischer Investitionen in Ungarn ausmacht, 172 israelische Firmen arbeiten in Ungarn, sie geben 4.570 Menschen Arbeit. Israel ist ein wichtiger Teil der ungarischen Nationalwirtschaft. Die Regierung hat mit zwei israelischen Firmen strategische Abkommen geschlossen. Im Jahre 2016 betrug unser Handelsverkehr 525 Millionen Dollar, wir haben im Vergleich zu 2010 den Verkehr um 12 Prozent erhöht. Ich informiere Sie darüber, dass die ungarische Regierung beschlossen hat, dass die ungarische Eximbank einen etwa 600 Millionen Dollar umfassenden Kreditrahmen für israelisch-ungarische gemeinsame Unternehmen und Projekte geöffnet hat.
Und schließlich sage ich unseren israelischen Gästen, dass Ungarn in Mitteleuropa liegt und Mitteleuropa heute der spannendste Teil Europas ist, der sich am schnellsten entwickelnde, dynamischste, im philosophischen, ideologischen, geistigen Sinne spannendste Teil. Wenn Sie also auf irgendeine Energie, Erneuerung, auf irgendeinen Optimismus, in die Zukunft gesetzten Glauben neugierig sind, dessen europäische Variante kennenlernen wollen, dann lohnt es sich heute nach Polen, Tschechien, in die Slowakei und nach Ungarn zu kommen. Dies ist jene Region, die sich nicht beklagt, die nicht über die Nachteile spricht, die nicht die Schwierigkeiten aufzählt, nicht darüber spricht, aus welchem Grunde man was nicht verwirklichen kann. Diese Region ist jene Region, die es macht, die es will, die dazu in der Lage ist, die ihre Kräfte anspannend arbeitet, wettbewerbsfähig und erfolgreich ist. Es ist meine Überzeugung, dass die Zukunft der europäischen Wirtschaft in Mitteleuropa zu finden ist. Dies wird noch über lange-lange Jahre hinweg so sein. Der Mensch ist nicht in der Lage – auch das habe ich gestern vom Herrn Ministerpräsidenten gelernt –, über einen sehr langen Zeitraum hinweg zu planen, aber man muss in der Perspektive von zehn-fünfzehn Jahren eine feste Vision über die Welt besitzen, und ich kann Ihnen sagen, dass in der Perspektive von zehn-fünfzehn Jahren Mitteleuropa die Lokomotive, die bestimmende Kraft der europäischen Wirtschaft sein wird. Ein Großteil des Wachstums der gesamten Europäischen Union wird von hier kommen. Ich glaube nicht, dass ich mich irre, wenn ich sage: Würde das Wachstum der mitteleuropäischen Länder heute nicht existieren, dann gäbe es innerhalb der Europäischen Union kein Wirtschaftswachstum. Der gesamte europäische Bau wird von Mitteleuropa gezogen. Hinzu kommt noch, dass diese Länder, diese vier Länder nicht nur wirtschaftlich stark sind, sondern auch in ihrer Identität. In dieser Hinsicht ähneln sie Ihrem Land, Israel. Wir wissen, wer wir sind, wir sind damit zufrieden, wer wir sind. Wir wollen jene sein, die wir jetzt sind, und wir möchten nicht, dass uns jemand verändern wolle. Wir kennen unsere eigenen Fehler, wir werden sie aus eigener Überzeugung korrigieren, wir benötigen weder eine Belehrung noch eine Einmischung sowie keinen Druck von außen. Diese vier Länder sind, sehr geehrte Israelische Freunde und Gäste, zugleich auch die vier sichersten Länder Europas, und dies ist in den durch den Terrorismus geschlagenen Zeiten, zur Zeit der Völkerwanderung der Moderne ein besonders hoher Wert, denn es ist meine Überzeugung, dass die Sicherheit in der Zukunft einer der ersten Wirtschaftsfaktoren sein wird. Jenes Land, das sich selbst in Sicherheit versetzen kann, jene politische Führung, die ihrem eigenen Volk und Land Sicherheit gibt, macht das Maximum, das im Interesse der Wirtschaftsentwicklung getan werden kann. Ich bin stolz darauf, dass man Ungarn heute zu diesen Ländern zählen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich mache Sie über Ungarn hinaus auch auf Polen, Tschechien und die Slowakei aufmerksam. Die gemeinsame Leistung dieser vier Länder ist beeindruckend. In der Reihe der G7-Staaten wären wir mit unserer Leistung an der vierten Stelle, und in der Gruppe der G20 stünden wir an sechster Stelle, deshalb tut jeder, der sich für Ungarn interessiert, gut daran, wenn seine Perspektive, wenn sein Horizont nicht an den Grenzen Ungarns aufhört, sondern er seine Wirtschafts- und Investitionspläne im Zusammenhang von ganz Mitteleuropa formuliert. Ich bin überzeugt davon, dass dies das gute Geschäft der Zukunft sein wird: in Mitteleuropa zu investieren und mit den mitteleuropäischen Ländern zu kooperieren. Und für uns, Mitteleuropäer, wird es eines der besten Geschäfte sein – davon bin ich überzeugt –, wenn es gemeinsam mit dem Staat Israel gelingt, jene Handels- und Wirtschaftspotenziale zu nutzen, die heute vorhanden sind, die wir aber in den vergangenen Jahren nicht haben mobilisieren können. Heute haben wir wichtige Vereinbarungen getroffen. Ich bin davon überzeugt, dass der Herr Ministerpräsident und ich jedwedes politisches Hindernis für die wirtschaftliche Zusammenarbeit entfernt haben. Was Sie aus der israelisch-ungarischen Kooperation herausholen, das hängt von diesem Punkt an schon von Ihnen, Geschäftsleuten ab. Ich wünsche Ihnen allen dazu viel Erfolg!
Ich bedanke mich dafür, dass Sie mich angehört haben!